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Dark Void

Dark Void

Ein Raketenrucksack also soll Dark Void tragen. Jenes Actionspiel, das vieles anders machen wollte als die etablierte Konkurrenz. Als erstes, echtes 3D-Game wird es vermarktet, weil wir uns (fast) immer mit Hilfe eines Raketenrucksacks aus dem klassischen Gerüst des Shooters in die Lüfte erheben können, um von dort oben den Third-Person-Shooter weiterzuspielen.

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Schwebend über den Dingen kann der Held Will also verweilen, und mit seinem Scharfschützengewehr die Alienbande zerlegen. Ein bisschen jedenfalls. Oder er zieht den Gashebel, rast mit dem Rucksack als Jetpack durch die Lüfte und schießt Ufos ab. Das klingt alles toll, aber so richtig zünden will Dark Void nicht.

Denn so verlockend sich die Idee eines Shooters anhört, der vom Boden oder aus der Luft gespielt wird, sie funktioniert einfahc nicht so richtig. Die Shooterparts spielt man bevorzugt als klassischen Shooter, weil es einfach besser so geht. Und die Parts mit dem Jet-Pack sind tolle Dogfights wie in Crimson Skies oder Namcos Ace Combat-Serie. Einzig das Herumschweben und dann einen Shooter spielen, das will so gar keinen Sinn und Spaß machen. Denn die normalen Waffen sind für gegnerische Fluggeräte zu schwach und in den reinen Shooterabschnitten sinkt Will nach kurzer Zeit zu Boden, so dass das Zielen (essenzieller Teil eines Shooters) zur Glückssache wird.

Dark Void
Rocket in the pocket: Der Raketenrucksack ist die erste Wahl in den Luftkampfsequenzen.

Vielleicht liegt es aber auch an der Geschichte, die zwischen dem ganzen Hin und Her erzählt wird. Eine bunte bzw. wirre Story, die 1938 irgendwo in der Wüste startet und uns dann einen Flugzeugabsturz im Bermudadreieck erleben lässt, der auf einer Dschungelinsel endet. Okay, kann man machen. In den ersten 20 Minuten erinnert Dark Void ein bisschen an Avatar: Das Spiel und an die TV-Serie Lost. Gestrandet auf einer einsamen Insel sind wir glücklicherweise nicht ganz alleine. Mit im Cockpit saß eine wunderschöne Gefährtin, die grünäugige Ava. Die weiß alles besser, darum scheint es ratsam, ihr erstmal fix zu folgen.

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Will und Ava werden getrennt, klar, und Will trifft sogleich den ersten Roboter mit ein paar Kugel aus dem gerade gefundenen Automatikgewehr. Die Knarre heißt übrigens Erlöser, ein ebenso dämlicher Name wie ihn die fünf anderen Waffen tragen, die man im Verlauf des Spiels findet (Schinder, Disintegrator, Reklamator, Magnetrar und Gaußhypergewehr). Klingt alles sehr gewollt, persönlich kann ich diesem Schund-Style ja eine Menge abgewinnen, weil er so herrlich authentisch an die übertriebene Sci-Fi aus den 1930er- bis 1950er Jahren erinnert.

Der Blechmann jedenfalls hinterlässt seine Schinder-Wumme. Die darf, wie jede der Waffen und der Raketenrucksack, zweimal verbessert werden. Das geht mit den im Spiel eingesammelten Technikpunkten, die es für Abschüsse von Gegnern und als Pick-Ups gibt. Was zum Sammeln braucht man ja auch, sonst wird's schnell langweilig in Videogames.

Was beim ersten Waffenwechsel gleich auffällt, sind zwei Dinge: wie super die Lederjacke von Will aussieht und wie schlimm der Waffenwechsel. Will schlenkert den Erlöser locker nach hinten und im Rückschwung hat er plötzlich den Schinder in der Hand. Einfach so. Das erinnert ein bisschen an Gamma, den komischen Außerirdischen aus den Micky Maus-Geschichten, der immer alles aus dem Hosenbund zaubern konnte: Tische, Bücher, Flugzeuge. Nicht besonders glaubwürdig und sinnig.

Dark Void
Ein Ritter wird gebrutzelt mit der komischen Magnet-Wumme. Findet er gar nicht lustig.
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Anfangs scheint es so, als sei Dark Void ein normaler Action-Shooter. Nach kurzer Zeit aber verlässt der Held den Boden, dank des Raketenrucksacks, den ihm ein Tüftler namens Tesla zusteckt, der auch im Dschungel gestrandet ist. Fortan darf sich Will in vertikalen Klettereinheiten die Dschungelberge nach oben hangeln. Das ist interessant gemacht, auch die dabei einsetzbaren Nahkampfangriffe gegen die Roboter sind schön animiert und effektiv. Sowohl das Klettern als auch die Nahkampfangriffe sind einfach gesteuert mit einem Knopfdruck. Warum mitten im Dschungel allerdings überall diese praktischen, balkonartigen Vorsprünge hängen, wird nicht weiter erklärt. Muss es aber auch nicht - ist ja Science Fiction hier.

Das Level-Planning ist ohnehin an manchen Stellen ein bisschen komisch. Manchmal fällt Will irgendwo herunter, manchmal geht das nicht. Hier fehlt Kontinuität. Dafür geht es in dem mit knapp acht Stunden Spielzeit sehr kurzen Abenteuer abwechslungsreich in drei mehrteiligen Kapiteln durch teils schöne Szenarien. Vom Dschungel in Höhlensysteme und weiter in unterirdische Bunkeranlagen hin zu einer Arche - es ist einiges dabei. Nichts von dem ist allerdings wirklich neu oder besonders spannend, weder grafisch noch inhaltlich. Klassischer Durchschnitt.

Richtig gut gelungen sind nur die bösen Wesen in den Zwischensequenzen, mit denen sich die über die Jahre gestrandeten Bewohner ihre Bermudadreieckwelt teilen müssen. Die heißen Beobachter und sind miese Aliens, die wieder "ihre" Erde bevölkern wollen. Die Beobachter sind tatsächlich das Story-Highlight von Dark Void, optisch cool gemacht und mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, die mehr als einmal für einen fiesen Aha-Moment in den Zwischensequenzen sorgen. Diese böse zischenden, leicht lispelnden Übeltäter ohne Namen, deren Schuppenkleid kontinuierlich im Fluss ist. Spooky.

Dark Void
Schöner Effekt nach der Detonation einer Granate.

Aber Dark Void sollte nicht von der Story leben, sondern von der Action. Das klappt auch immer wieder. Die Fluchtsequenz über einen alten, an einer Klippe herabhängenden US-Zerstörer im ersten Kapitel etwa ist schick gemacht. Aber es fehlt der ganz große Moment, es ist zum Beispiel nicht annähernd so actionreich wie etwa das ähnlich konzipierte Intro von Uncharted 2: Among Thieves. Schnell stellt sich heraus, dass man einfach nur fix genug zu den Robotern in den Nahkampf hochklettern/hochfliegen muss. Das Schießen fällt in diesen Abschnitten mangels Effektivität fast völlig weg. Etwas später folgt ein Jet-Pack-Flug durch das Planeteninnere, um dann einem Hangar entfliehen zu müssen, der uns direkt in die Void schickt, die große Leere zwischen den Welten.

Wehe dem, der jetzt noch versucht, der Geschichte zu folgen oder ihren Sinngehalt verstehen will. Jene Journale, die überall als Pick-Ups versteckt liegen, tragen als trübe Textwüsten die sie sind jedenfalls nicht zur Aufklärung bei. Weil man sie partout nicht lesen will. Zu öde.

Dann lieber Action. Und dazu braucht man Gegner. In Dark Void gibt es leider nur wenige verschiedene, und die Kämpfe mit ihnen wiederholen sich schnell. Die Roboter (sie heißen Bauern) sind das Fußvolk. Es gibt silberne, weiße und rote bauern. Dazu die großen Brüder namens Ritter, die gerne um die Ecke schweben und etwas mehr Stress machen. Die schwebenden Oberaliens sind allerdings schneller erledigt, als es ihre Optik vermuten lässt. Netterweise bleibt nach ihrem Ableben ein imposantes MG liegen, das enorme Schusskraft hat, aber Springen unmöglich macht. Es ist aber auch nicht als Standardwaffe gedacht, sondern ein einzigartiger Bonus, denn man aber nach dem Erledigen des Zwischenendgegners nicht mehr braucht.

Dark Void
Archonten, das sind die Capcom'schen AT-AT-Walker, in silber mit Schuppen.

Dann sind da noch die Archonten. Das sind die Capcom'schen AT-AT-Walker, in silber mit Schuppen. Denen müssen erst die vier Beine kaputt geschossen werden, damit man auf ihnen landen und sie mit einigen Quicktime-Events endgültig zerlegen darf. Nett gemacht, als kleiner Bossfight. Da sie nur in jenen Bereichen auftauchen, wo wir den Raketenrucksack richtig fliegen dürfen, ist der Kampf mit ihnen eine tolle Mischung aus Flugaction, Schweben und klassischem Action-Shooter am Boden. Mehr davon hätte Dark Void gut getan.

Düster wird's bei der Künstlichen Intelligenz der Gegner. Insbesondere die der Bauern gleicht der von Zuckerrüben. Sie stecken häufig irgendwo fest, verharren reglos oder strecken hampelnd die Köpfe hinter ihren Verstecken hervor. Sinnvolles, proaktives Handeln gibt es so gut wie keines. Nie wird man von ihnen überrascht oder überrumpelt. Überhaupt ist lediglich der allerletzte Bosskampf eine Herausforderung. Der Luftkampf gegen einen kunterbunten Vogel sieht cool aus, und der Flattermann leistet erhebliche Gegenwehr. Ein Höhepunkt, ganz am Ende des Spiels.

Dark Void
An die Gurgel gepackt: Auch die Fascho-Roboter beherrschen den Nahkampf.

Die Luftkämpfe auf dem Weg zum Ende sind dagegen bestenfalls nett gemacht, bieten aber kaum Abwechselung. Immer dasselbe Einerlei aus Alienraumschiffe abschießen, nur unterbrochen durch das jederzeit mögliche Entern ihrer Fluggeräte. Nachdem Will irgendwann seine Bestimmung erkannt haben will und die schwebende Arche verteidigt, die die im Bermudadreieck Verschollenen wieder nach Hause bringen soll, werden die Luftkämpfe nochmal lustig. Es geht auf einen ziemlich langen Ritt durch das Canyon-Felssystem der leeren Zwischenwelt.

Die Arche darf wahlweise mit dem fliegenden Will oder stationär von einem der vier Arche-Geschütztürme verteidigt werden. Letzteres erinnert doch sehr an Star Wars. Irgendwann taucht aus dem Nebel ein Mutterschiff auf. Ein amtlicher Alienzerstörer, ein bisschen Enterprise, ein bisschen Sternenzerstörer. Danach folgt noch eine Prise Dune: Der Wüstenplanet, als es in den Schlund eines Riesenwurmes geht. Im Magen des Sammler genannten Subjekts müssen wir Geschwüre zerschießen und Magensäurelecks abdichten. Warum genau? Keine Ahnung.

Dann infiltrieren die Beobachter zu guter Letzt die Arche, töten ohne weitere Konsequenzen eine eigentlich wichtige Person und Will wird in eine Alien-Waffenfabrik entführt. Dummerweise ist damit der mittlerweile lieb gewonnene Rucksack erstmal weg. Das nervt an dieser Stelle leider mehr, als das es ein gelungener Twist in der Story und fürs Gameplay wäre. Es wirkt generisch, so in dem Sinne: Nehmen wir ihm mal den Rucksack weg, weil das jetzt einfach mal sein muss/erwartet wird/immer so ist kurz vorm Ende.

Bevor es weiter zum Endkampf geht an einen Turm, der Sauron auch gefallen hätte, wird's noch romantisch. Will und Ava reden von Hochzeit und da beide etwas ganz besonderes sind, vereinigen sie sich, um das Portal zu schließen und die Beobachter in ihrer Leere einzuschließen. Für immer, hoffentlich. Am Ende des Spiels gibt's als Belohnung einen Radar, der fortan alle sammelbaren Gegenstände anzeigt, damit sich Achievmentjäger im zweiten Durchlauf auch noch das letzte Pick-Up holen könnnen. Für den neuerlichen Durchgang stehen alle Waffen und bisher gekauften Upgrades zur Verfügung. Ach ja: "There's work to be done", sagt mein Führer durch die Leere namens Atem im Outro. Da soll wohl ein Nachfolger von Dark Void kommen. Ich hab' ja so meine Zweifel, ob man an die Geschichte anknüpfen kann und sollte.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Wirre Sci-Fi-Story, Vertikalkletterpassagen
-
Generisches Leveldesign, wenig Abwechselung, langweilige und doofe Gegner, zu wenig Spielzeit
overall score
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