Deutsch
Gamereactor
Artikel
The Witcher 3: Wild Hunt

Die Legende des weißen Wolfs

Die Ankündigung von The Witcher 3: Wild Hunt haben wir zum Anlass genommen, die Geschichte der Fantasy-Reihe zu durchleuchten.

HQ

Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass der polnische Autor Andrzej Sapkowski je geahnt hat, welches große Publikum er einmal mit seiner ersten Kurzgeschichte erreichen würde. Erschienen ist die 1986 und trägt den simplen Titel The Witcher. 26 Jahre später ist das Videospiel, das genau auf diesem Buch basiert, längst ein vertrauter Begriff unter Rollenspielern.

In der mittelalterlichen Fantasy-Welt, von Fans liebevoll Witcherland genannt, machen wir Bekanntschaft mit Geralt von Riva, einem stoischen und zynischen Monsterjäger. Seine Kindheit ist alles andere als leicht. Bereits als Baby wird Geralt ausgesetzt und muss in der Hexer-Hochburg Kaer Morhen schon in jungen Jahren fürchterliche Tränke einnehmen und das Handwerk des Kampfes erlernen. Zur Belohnung für seine Leistungen muss er noch viel gefährlichere Experimente ertragen. Danach leidet er an vielen Mutationen und nicht zuletzt an Unfruchtbarkeit. Die offensichtlichsten Merkmale seiner Veränderung sind sein weißes Haar und die blasse Haut.

Durch das harte Training wird Geralt aber nicht nur zum unfruchtbaren Albino. Er erhält außerdem viele übernatürliche Kräfte, die sich perfekt zum Monsterjagen eignen. Neben übermenschlicher Ausdauer und Strapazierfähigkeit verfügt er über die Gabe, selbst Tränke zu brauen, Flüche zu sprechen, Fallen zu bauen und seine Pupillen nach Belieben zu weiten und zu verkleinern. Noch dazu ist er immun gegen die meisten Gifte. Als wäre das nicht genug, ist er auch geschickt im Umgang mit zwei Waffen und trägt deshalb meist zwei Schwerter bei sich. Mit der Stahlklinge schlägt er Menschen und Elfen in Stücke. Das schimmernde Silber erledigt den Rest bei magischen Kreaturen, denen Stahl nichts anhat. Bald schon trägt Geralt den Spitznamen Gwynbleidd, das heißt "Weißer Wolf".

The Witcher 3: Wild Hunt
The Witcher 3: Wild Hunt wirkt schon jetzt so düster wie seine Vorgänger.
Werbung:

In den Original-Geschichten schwingt Geralt seine Klinge gegen eine Vielzahl von Monstern - darunter Vampire, Djins und verfluchte Menschen. Gerade das Zusammenspiel mit Menschen sorgt immer wieder für Intrigen, denn Geralt hat viele Feinde und nur wenige Freunde. Zu letzteren zählt Dandelion, ein energischer und enthusiastischer Barde, der ihm selbst in den unheilvollsten Situationen treu zur Seite steht. Ihm wohlgesonnen sind außerdem Triss Merigold, eine teuflische, flammenhaarige Hexe und die mysteriöse Yennifer, die große Liebe seines Lebens.

Der Mangel an Beliebtheit ist für Geralt kein Hindernis. Immerhin sind Freunde für einen ausgebildeten Hexer eher selten nützlich. Noch dazu bewahrt Geralt sein besonnener Charakter davor, im Kampf überrascht zu werden. Meist nutzt er deshalb seinen Verstand ebenso oft wie seine Fähigkeiten. Wird Geralt etwa in ein Duell verwickelt, in dem ihn ein langsamer und schrecklicher Tod erwarten könnte, wartet er geduldig, bis sein Kontrahent im Übereifer mit dem Schwert auf ihn zustürmt. Geschickt wendet er dessen Schwung dann gegen ihn, sodass sich der Angreifer das Schwert selbst ins Gesicht stößt und Geralt ohne Mühe den Sieg einstreicht.

The Witcher 3: Wild Hunt
In The Witcher machen wir die Bekanntschaft von Geralt, der bereits als Kind ausgesetzt wurde.

Vor allem durch seinen charakteristischen Sinn für Humor und die Betonung der Grauzonen in moralischen Fragen löste der Autor Sapkowski mit seinem Werk Begeisterungsstürme in seiner Heimat Polen aus. Es war der Beginn eines internationalen Erfolges. Und das, obwohl die ersten Versuche scheiterten, ein größeres Publikum mit einer Fernsehserie und einem schlecht durchdachten Film zu erreichen.

Werbung:

Der Film mit dem Namen The Hexer machte den wohl schwerwiegendsten Fehler, den eine Adaption nur machen kann: Er war zu weit entfernt von der originalen Geschichte, um die Fans zu begeistern und zu kompakt, um eine neue Zielgruppe zu gewinnen. Der Film war eigentlich die auf zwei Stunden komprimierte Zusammenfassung der bis dahin unveröffentlichten Fernsehserie. Es war ein verwirrendes Durcheinander, das zu Recht von Fans und Kritikern zerrissen wurde.

Die TV-Serie war zwar einen Hauch besser, aber trotzdem eine echte Enttäuschung. Obwohl sie weniger verwirrend war als der Film, blieb es eine fürchterliche Adaption. Die Welt und die Charaktere waren platt und ohne Sapkowskis Witz. Es fehlte das richtige Material oder das Budget oder beides, um das Bild einer überzeugenden Fantasy-Welt zu zeichnen.

The Witcher 3: Wild Hunt
Vor allem das Kampfsystem im ersten Teil ist eine harte Nuss. Das hat nicht allen gefallen und spaltete die Meinungen.

Gerade als sich der Erfolg von The Witcher in anderen Formaten nicht zu wiederholen schien, kreuzte ein interessanter Vorschlag Sapkowskis Weg. Ein polnisches Entwicklerstudio, das bisher nicht mehr vorweisen konnte, als die erfolgreiche Übersetzung bereits veröffentlichter Titel ins Polnische, hatte ein neues Studio gegründet. Das sollte zur Abwechslung mal eigene Inhalte schaffen und wählte für seinen ersten Ausflug in den hart umkämpften Videospielmarkt The Witcher. Ohne Frage war ihr Vorschlag ein kleines Glücksspiel. Immerhin lagen Videospiele keinesfalls im Interessengebiet Sapkowskis und er hatte bis zu diesem Tag nicht ein einziges selbst gespielt. Alle Rollenspiel-Fans werden es ihm heute danken, dass er bereit war, dieses Glücksspiel zu riskieren.

Mit der Zustimmung des Autors machte sich CD Project Red an die Entwicklung des Spiels. Ziel der Polen war es, Sapkowskis Welt und Charaktere in ein Rollenspiel zu verbauen, bei dem die Entscheidungen nie eindeutig gut oder schlecht sein sollten. Das junge Studio wollte ein Rollenspiel kreieren, das es so vorher noch nie geben hatte.

Mit Hilfe von Geralts Fähigkeiten setzen wir im ersten The Witcher Magie ein und beweisen uns in Schwertkampf und Alchemie, um Missionen zu absolvieren und Gegner zu töten. Weil das Fortführen der bereits bestehenden Geschichte ein enormer Aufwand gewesen wäre, entschied sich das Studio dazu, Geralts Gedächtnis zu löschen und ihn auf die Suche nach seiner Identität zu schicken. Neben seinen Begegnungen mit einer ganzen Reihe bekannter Personen aus seiner Vergangenheit macht er auch neue Bekanntschaften. Die sorgen für eine ganze Menge Intrigen und Geralt muss letztendlich entscheiden, wer seiner Hilfe würdig ist und wem nur das eigene Interesse am Herzen liegt.

Hexern wird oft nachgesagt, keine Gefühle zu empfinden. Obwohl das nur ein Mythos ist, gibt Geralt wenig Anlass dazu, diese These zu entkräften. Sein Charakter in Verbindung mit der düsteren Geschichte hätten das Spiel zu einer ziemlich verstörenden Angelegenheit machen können. Zum Glück bilden aber die schönen Details und die farbenfrohen Begleiter Dandelion und Triss einen wunderbaren Gegensatz.

Um ein dynamisches und sich ständig veränderndes Wetter zu erzeugen, trieb CD Project Biowares Aurora-Engine an die Grenze. Bei strahlendem Sonnenschein beginnende Missionen beendeten wir deshalb teilweise im strömenden Regen. Die visuellen Effekte waren herausragend. Zu seiner Zeit war der cineastische Ansatz des Spiels wirklich faszinierend und die Leistung, die an den Charakteren erbracht wurde, absolut inspirierend. Nicht zuletzt führten diese Aspekte dazu, dass The Witcher vielfach für seine Zwischensequenzen ausgezeichnet wurde.

The Witcher 3: Wild Hunt
The Witcher 2: Assassins of Kings wird auch auf der Konsole zum einzigartigen Erlebnis.

Die Steuerung wurde mit nicht ganz so herzlicher Aufmerksamkeit bedacht. Das lag vor allem daran, dass sie anders ist als bei den meisten Rollenspielen. Und auch das Kampfsystem spaltete die Meinungen. Wir haben die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Kampfstilen und wechseln sie zudem während des Kampfes. Um herauszubekommen, welcher am besten funktioniert, müssen wir viele Fehlversuche hinnehmen, die meist mit unschönen Folgen auf dem Bildschirm enden. Mit dem richtigen Timing lassen sich aber tolle Kombos entfesseln, die selbst die schwierigsten Gegner in die Knie zwingen. Das ist für die einen frustrierend, doch für andere ist die Tatsache allein, es geschafft zu haben, die größte Genugtuung.

Auch die Alchemie spielt, wie in den Büchern, eine entscheidende Rolle. Wir erschaffen eine Vielzahl von Tränken, die unterschiedliche Effekte auslösen. Sie steigern die Gesundheit oder erlauben es Geralt, im Dunkeln zu sehen. Unsere Fertigkeiten beschränken sich aber nicht allein auf das Tränkebrauen. Mit eigenen Ölen erhöhen wir die Schadenskraft der Waffen, um uns im Kampf einen Vorteil zu verschaffen.

Das erste The Witcher scharrt eine treue Fan-Gemeinde um sich. Die war so eifrig dabei, den Titel zu verbreiten, dass CD Project Red bereits mit dem ersten eigenen Spiel einen Erfolg landete. Daran wollten die Entwickler natürlich anschließen und kündigten die Enhanced Edition für 2008 an. Die neue Edition kostete das Unternehmen eine schlappe Million, doch die Investition zahlte sich aus. Mit zwei Millionen verkauften Exemplaren ebnete diese schließlich den Weg für die Konsolen-Version.

The Witcher 3: Wild Hunt
Was wird uns wohl hinter dem Hügel erwarten?

CD Project Red bestätigte deshalb kurz darauf, The Witcher unter dem Namen The Witcher: Rise of the White Wolf auch für Playstation 3 und Xbox 360 zu veröffentlichen. Die Entwicklung der Konsolen-Versionen wurde Widescreen Games übertragen und es folgten Versprechungen über viele Veränderungen und Verbesserungen. Zum Leidwesen der Konsolenspieler wurde The Witcher: Rise of the White Wolf niemals veröffentlicht. Nach Streitigkeiten über ungezahlte Gehälter und der Tatsache, das Widescreen Fristen nicht einhielt, bestätigte CD Project Red den Abbruch der Entwicklung der Konsolen-Version. Das hielt aufkeimende Spekulationen über einen möglichen Neubeginn des Projektes natürlich nicht auf.

Der Nachfolger The Witcher 2: Assassins of Kings erschien für den PC im Mai 2011 - und zwar mit einer eigens für das Spiel entwickelten Engine. Durch die waren vor allem schnellere Bewegungen und Action-Sequenzen möglich. Die Option zum Fallenstellen und eine Vielzahl neuer Waffen gab es Dank des vergrößerten Arsenals. Das aufpolierte Upgrade-System verschaffte uns außerdem mehr Entscheidungsfreiheit in Geralts Entwicklung.

Die Fortsetzung setzt da an, wo der Vorgänger aufhörte. Gerald sucht den Ursprung der Attentate auf den König und natürlich weiter die Bruchstücke seiner Erinnerungen. Die Reise führt ihn an viele verschiedene Orte und er kreuzt den Weg unterschiedlichster Charaktere. Auch Triss und Dandelion feiern ihr Comeback und lassen die grimmige Welt dadurch erneut etwas freundlicher erscheinen. Alles ist etwas persönlicher und die Entscheidungen, die wir treffen müssen, sind schwerer. Eine übereilte Wahl im Eifer des Gefechtes kann den Verlauf des gesamten Spiels verändern.

The Witcher 3: Wild Hunt
Geralt kann sich auf die Unterstützung seiner Freunde stets verlassen.

The Witcher 2: Assassins of Kings wird durchweg positiv aufgenommen. In unserer Kritik lobten wir besonders die Optik und feiern The Witcher 2: Assassins of Kings als eines der schönsten Rollenspiele aller Zeiten. Auch das Entscheidungssystem ist großartig.

Für einen modernen Titel ist The Witcher 2: Assassins of Kings ein herausforderndes Spiel. Selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad erwartet uns regelmäßig ein brutales und blutiges Ende. Das zwingt uns aber auch dazu, aus Fehlern zu lernen und uns stetig zu verbessern. Ob gewollt oder nicht, knüpft man hier an die Bücher an. Geralt muss neben Stärke eben auch Köpfchen beweisen. Die erbarmungslose Schwierigkeit hindert den Titel dann aber auch daran, ein größeres Publikum zu erreichen

Nach der erfolgreichen Veröffentlichung schielt CD Project wieder auf den Konsolen-Markt. Doch statt die Verantwortung an ein anderes Studio zu übergeben, machen die Entwickler es diesmal lieber selbst - mit einer Enhanced Edition für die Xbox 360. Viele Konsolenspieler hatten so das erste Mal Gelegenheit, die Serie zu entdecken.

The Witcher 3: Wild Hunt
The Witcher 3: Wild Hunt ist schon jetzt dank neuer Grafikengine ein Augenschmaus.

Die Enhanced Edition erschien mit vielen neuen Inhalten und einer Optimierungen der Steuerung. In einer Geste, die in der heutigen Zeit bei großen Publishern selten zu finden ist, erlaubte CD Project Red außerdem den PC-Spielern von The Witcher 2: Assassins of Kings, kostenfrei die Enhanced Edition herunterzuladen.

Mit 50 Auszeichnungen im Gepäck platzt der Trophäenschrank der Entwickler schon aus allen Nähten und das unterstreicht wunderbar die Fortschritte, die sie gemacht haben. Auf allen Plattformen verkaufte sich The Witcher 2: Assassins of Kings bisher mehr als vier Millionen Mal und machte sich einen Namen als bestes Rollenspiel dieser Generation.

Mit der vor kurzem bestätigten Entwicklung des dritten Teils The Witcher 3: Wild Hunt, haben wir nun wieder Grund zur Vorfreude. Das Spiel erscheint voraussichtlich 2014 und nutzt die neue CDRED Engine 3. Es erübrigt sich wohl zu sagen, dass wir es kaum erwarten können, den Titel in unsere Hände zu bekommen.

HQ

Ähnliche Texte

0
The Witcher 3: Wild Hunt (Nintendo Switch)Score

The Witcher 3: Wild Hunt (Nintendo Switch)

KRITIK. Von Anne Zarnecke

Vier Jahre ist es her, seitdem The Witcher 3: Wild Hunt die Herzen der Rollenspiel-Fans eroberte. Wir haben uns angeschaut, was für einen Eindruck der Monsterschlächter auf Nintendos Hybridkonsole macht.



Lädt nächsten Inhalt