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Assassin's Creed IV: Black Flag

Assassin's Creed IV: Black Flag

Mit einem Piratenabenteuer, das fast zur Hälfte auf dem Wasser spielt, will Ubisoft die etablierte Serie neu erfinden. Das gelingt nur bedingt, trotz schicker PS4-Optik.

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Es ist schon etwas ungerecht. Gerade noch auf der Xbox 360 Grand Theft Auto V gespielt, dann auf der PS4 Assassin's Creed IV: Black Flag. Warum ungerecht, fragt ihr euch? Nun ja, man sieht den Unterschied kaum. Wie gesagt: Es ist ungerecht. Man kann die Spiele eigentlich nicht direkt vergleichen, aber irgendwie muss und macht man es dann eben doch.

Im neuen Ubisoft-Abenteuer spielen wir den Piraten Edward Kenway, der gemeinsam mit einer Reihe anderer Freibeuter die Karibik von den Spaniern befreien soll. Er segelt offiziell für die britische Krone und damit die Royal Navy. So jedenfalls sieht es aus. Natürlich ist der blonde Brad Pitt-Verschnitt nicht nur einfach ein Pirat, sondern ein Assassine. Als Auftragsmörder liegen ihm die Belange seines Geheimbundes am Herzen, ebenso wie der ganz persönliche Forscherdrang. Er steht zwischen Benjamin Hornigold, Edward Thatch, James Kidd, John Cockram und den anderen Piraten, die alle ihre eigenen Interessen haben, aber eben auch eine Piraten-Demokratie aufbauen wollen. "Die schwarze Flagge steht für die Liebe zur Freiheit der Menschen. Sei stolz darauf", sagt einer von ihnen zu Edward. Der Held mit Pferdeschwanz und Narbengesicht hört aufmerksam zu.

Wenn man in seine Haut schlüpft und auf dem neuen Dualshock-Controller der PS4 den kleinen Touchscreen drückt, erscheint eine Weltkarte. Eine sehr große Weltkarte, die viel Wasser und zahllose Insel zeigt. Es ist eine klassische Assassin's Creed-Karte - eine, die schnell überfordert. Wer alle Elemente der Legende anklickt, sieht sich mit der wie üblich überbordenden Menge an Möglichkeiten konfrontiert. Notenblätter sammeln, Schatzkarten finden und danach die auf ihnen lose aufgemalten Schätze. Dazu Auftragsmorde, zu erobernde Festungen, Schatztruhen ... ein Trip in die Karibik stellt man sich eigentlich entspannter vor.

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Assassin's Creed IV: Black FlagAssassin's Creed IV: Black Flag
Mit dem Fernrohr loten wir die Angriffschancen aus, in den anschließenden und bisweilen ausdauernden Seeschlachten bekriegen wir uns mit spanischen Schonern und später auch amtlichen Galeonen.

Entspannung, nun, die gibt es aber auch. An Bord nämlich, hinter dem mannshohen Steuerrad der Jackdaw. Die Brigg ist das erste amtliche Schiff, dass Edward Kenway über die Ozeane steuern darf, nachdem er in Nassau genügend Piraten befreit hat, um eine Crew zustande zu bekommen. Ein nicht unwesentlicher Teil des Spiels wird sich übrigens mit der Seefahrt beschäftigen. Rund 40 Prozent der Spielzeit werden wir segeln, navigieren und andere Schiffe angreifen, versenken oder entern.

Es ist die große Stärke des Spiels, seine Neuheit, wenn man so will. Ubisoft hat damit ausgebaut, was viele Fans in Assassin's Creed III gut fanden. Und das Leben als Pirat bringt sofort richtig Spaß. Mit dem Fernrohr loten wir die Angriffschancen aus, in den anschließenden und bisweilen ausdauernden Seeschlachten bekriegen wir uns mit spanischen Schonern und später auch amtlichen Galeonen. Wer schlau taktiert, hat immer die Chance, auch eine vermeintlich aussichtslose Schlacht für sich zu entscheiden. Allerdings arbeitet die Künstliche Intelligenz gut. Die gegnerischen Kapitäne verringern schlau das Tempo, stellen ihr Schiff hart in den Wind oder rammen uns sofort, wenn wir dafür eine offenen Flanke lassen. Nur die Kombination aus guter Navigation und schlauem Einsatz der Kanonen, Deckbrassen und Kettengeschütze sowie der Frontramme bringt ein Schiff soweit in Bedrängnis, dass wir es entern können.

Das Entern wird durch längeres Drücken der Kreistaste eingeleitet. Danach dürfen wir das Oberdeck mit den kleinen Bordkanonen unter Feuer nehmen und müssen am Schluss aktiv entern. Dazu springt die Crew auf das andere Schiff, wir können ihr folgen oder aus etwas sicherer Entfernung vom eigene Deck unsere Schießpulver-Pistolen abfeuern. Das ist meist der schlauere Weg, zumindest während meiner Session mit dem Spiel. Allerdings muss man jeden Schuss sauber zielen und setzen, denn das Nachladen dauert ewig. Keine Wunder, immerhin spielt das alles hier im Jahr 1715.

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Assassin's Creed IV: Black Flag
Das Wasser ist einfach fantastisch, ob beim Tauchen oder beim Segeln. Hier spielt die PS4 auch am deutlichsten sichtbar die nächste Generation aus.

Wer in Nassau, Kingston oder anderswo ankert, darf in der Kapitänskabine verschwinden und feststellen, dass sich sowohl das Schiff als auch der Held umfangreich verbessern lassen. Für das Schiff können wir nach und nach - freigeschaltet durch den Fortschritt in der Hauptgeschichte - Rumpf und Rammsporn verstärken, bessere Kanonen kaufen oder die Rundkugeln massiver machen für mehr Wirkung beim Einschlag. Das nötige Geld dafür räubern wir uns in den Missionen zusammen, klauen es aus Schatzkisten oder gehen unterwegs auf die Jagd. Doch nicht nur an Land warten exotische Wildtiere wie Leguane oder Schildkröten, auch auf hoher See dürfen wir fischen. Mit der Harpune nach Haien und Walen, in einem hübschen Minigame. Die dort erspielten Naturalien lassen sich in Städten teuer verkaufen oder im Crafting-Minispiel in neue Items umwandeln. Der Ärger mit den Tierschützern der PETA ist quasi schon vorprogrammiert.

Aber natürlich findet nicht das gesamte Spiel auf hoher See statt. Immer wieder steuern wir Siedlungen, einsame Inseln oder kleine und große Städte an, in denen sofort das bekannte Assassin's Creed-Gefühl erwacht - im guten wie im schlechten. Optisch tut die hellere, farbigere Umgebung dem Spiel sehr gut. Nassau etwa empfängt uns mit Palmen und interessanter Architektur. Das Klettern auf Bäume und Häuser funktioniert weitgehend reibungslos, immer wieder aber mal merkt man aber, dass sie bei Ubisoft die offene Spielwelt immer nicht so ganz unter Kontrolle kriegen. Kenway steuert sich nicht so überlegen, wie man es nach den vielen Jahren Entwicklungszeit an der Serie erwarten würde.

Und es gibt noch andere Probleme: In einer Missionen etwa müssen wir einen Typen verfolgen. Laufen wir 20 Zentimeter hinter ihm her, entdeckt er uns nicht und hört uns nicht. Dreht er sich um, gehen sofort die Alarmglocken an. Verstecken wir uns im Gebüsch, sieht er uns aber sofort wieder nicht. Es wirkt so, als ob die unsichtbaren Marker für die Missionen irgendwie komisch gesetzt wären. Auch das Verhalten in den Siedlungen wird komisch gehandhabt. Wenn wir jemanden wahllos erschießen, kommt nur eine komische Warnung, dass wir als Vorfahr eigentlich niemanden erschießen dürften. Die anderen Dorfbewohner tangiert das Ballern manchmal gar nicht, manchmal rennen sie kreischend weg.

Assassin's Creed IV: Black Flag
Optisch tut die hellere, farbigere Umgebung dem Spiel sehr gut. Nassau etwa empfängt uns mit Palmen und interessanter Architektur.

Die in den Städten quasi unvermeidlichen Kämpfe sind flüssig. Edward Kenway beherrscht den Umgang mit dem Säbel ebenso perfekt wie seine Assassinen-Doppelklingen. Er klettert durch Bäumen und stürzt sich leise und tödlich auf Gegner herab. In direkten Konfrontationen kontert er Angriffe und durchbricht Deckungen. Das ist alles wie gehabt sehr gut und überzeugend inszeniert. Trotzdem will man eigentlich viel lieber schnell weg vom Land, zurück aufs Meer.

Hier spielt die PS4 auch am deutlichsten sichtbar die nächste Generation aus. Das Wasser ist einfach fantastisch. Es gibt unterschiedliche Windstärken von 0 bis 12 Beaufort. Ich bin nur einmal in einen Sturm geraten, aber das Manövrieren des Schiffes über Wellenkämme und durch die Täler hindurch war sehr beeindruckend. Das Wasser lässt uns durch seine Farbe die unterschiedliche Wassertiefe erahnen, was beim Umschiffen von Riffs und Untiefen bei Vorfolgungsjagden sehr hilfreich ist. Wenn sich dazu dicke Regenschauer und dichter Nebel gesellen, die uns die Sicht nehmen, dann wird sie fast perfekt, die Illusion des ruchlosen Freibeuters auf dem Weg zum nächsten Beutezug.

Assassin's Creed IV: Black Flag
Auch wenn alles gut aussieht: Ubisoft muss sich die Kritik gefallen lassen, dass Innovation derzeit anderswo im Unternehmen passiert, denn sie Serie klettert quasi auf der Stelle.

Die Zwischensequenzen sind wie gehabt schön inszeniert, aber kein Vergleich zur Meisterschaft eines GTA V. Was auffällt: Die deutsche Synchronisation ist top, auch wenn das Gesprochene nicht immer zu den Lippenbewegungen passt. Hier sieht man auch am eindrücklichsten die Liebe zum Detail und zur historischen Verbindlichkeit, etwa bei den wirklich toll gestalteten Uniformen der Piraten. Auch das halb verrottete Zahnfleisch eines Piratenkollegen offenbart, dass im 16. Jahrhundert die Mundhygiene einfach kein großes Thema war. Zum Glück ist dieser Einblick schnell vorbei - und wir dürfen abtauchen.

Nachdem Edward sich mit Blackbeard kurzgeschlossen und eine Taucherglocke für die Jackdaw erstanden hat, dürfen wir richtig tauchen gehen. Und stellen fest: Auch unter Wasser sieht die Welt wunderschön aus. Das Tauchen funktioniert prima und fügt dem Gameplay eine neue Wendung hinzu. Und die Sequenz lehrt uns, das Edward Vorsicht walten lassen muss bei den Haien, die sind nämlich bissig.

Am Ende steht fest: Die alte Geheimbundgeschichte läuft sich scheinbar nie komplett tot. Trotzdem muss sich Ubisoft die Kritik gefallen lassen, dass Innovation derzeit anderswo im Unternehmen passiert, denn Assassin's Creed klettert quasi auf der Stelle, auch wenn wir immer wieder eine neue Facetten des Universum präsentiert bekommen. Das Spiel wirkt mittlerweile leider ein bisschen wie die ARD-Lindenstraße. Der Rahmen ist seit Jahren weitgehend gleich, es ändern sich nur die Protagonisten und ihre Geschichten.

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