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Gran Turismo 5

Gran Turismo 5

Es ist die Killer-Applikation für 3D - vielleicht. Kazunori Yamauchi, Boss von Polyphony Digital und Macher von Gran Turismo 5, hat auf der Gamescom in Köln einigen Journalisten eine Audienz gewährt und neue Features der Rennsimulation vorgestellt. Wieder einmal. Noch mehr Details. Zum Glück ist das Releasedatum auf den 3. November 2010 fixiert.

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Vor dem Gespräch mit seiner Exzellenz hab' ich am Abend der Sony-Pressekonferenz die Chance genutzt und Gran Turismo 5 selbst gespielt. So wie man es als echter Nerd spielen sollte, im Jahr 2010: im Playseat mit Recaro-Sitz, Logitech-Lenkrad und 3D-Brille auf der Nase. Willkommen im vorerst endgültigen Nerdiversum - mit der Brille als ultimativem Erkennungszeichen.

Ich wähle zuerst - wie Yamauchi später in seiner Präsentation auch - den Ferrari 458 Italia 09 in rot. Warum er den geliebten Nissan GTR verschmäht? Keine Ahnung. Ich schalte so schnell es geht in die Cockpitansicht und bereits die ersten Meter auf dem Top Gear Testtrack (für Unwissende: Top Gear ist die beste TV-Sendung über Autos auf der Welt) sind extrem beeindruckend. Der 3D-Effekt vermittelt einem tatsächlich erstaunlich realistisch das Gefühl, direkt im Cockpit zu sitzen. Die Instrumente sind greifbar, wenn auch die Grafik tatsächlich etwas leidet. Die sonst sehr scharf gezeichneten Cockpits wirken etwas matschig und verwischt.

Aber durch die hohe Geschwindigkeit relativiert sich das schnell. Ich spule meine Runden ab. "Put a Videojournalist in an unreasonably priced car." Danke Kazunori Yamauchi, danke Jeremy Clarkson, dass die Top Gear-Strecke drin ist. Ich bin jetzt schon verliebt. Leider bleibt es bei ein paar Runden in England und ein bisschen (nicht ganz so überzeugendem) Rallye-Spaß in der Toskana. Der Druck der wartenden Kollegen ist enorm. Und warum sollte ich den nach mir spielenden Journalisten aus Italien daran hindern, sich im Kart zu blamieren?

Gran Turismo 5
Weggewischt: Der Ferrari 330 P4 67 - das absolute Lieblingsauto Kazunori Yamauchi, dem Mastermind hinter Gran Turismo 5.
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Genau. Es gibt nun Karts in Gran Turismo 5. Eigentlich waren die erst für Gran Turismo 6 gedacht, aber nun dürfen wir die kleinen Rennbiester doch schon um die Kurven driften. Das Fahrverhalten der Rennkarts ist akkurat brutal. Direkter Lenken geht nicht mehr, und wer nicht sauber mit dem Gasfuß reguliert, dreht sich sofort aus der Kurve. Ich hab's selbst gespielt und das ganze Desaster dann erlebt und gesehen beim hilflosen Kollegen aus Italien.

Der 3D-Effekt ist übrigens in der Außenansicht auf die Fahrzeuge auch sehr beeindruckend, aber die Wagen wirken manchmal seltsam klein. Ich könnte mir vorstellen, dass Gran Turismo 5 für so einige Frühfolger ein Argument ist, sich einen 3D-Fernseher zu kaufen. Es ist bei Spielen wie diesem jedenfalls um ein Vielfaches sinnvoller als bei Filmen.

Mit im Gepäck für Köln hatte Yamauchi eine große Überraschung, die hoffentlich den Releasetermin nicht ein weiteres Mal beeinflussen wird: Gran Turismo 5 wird auf eine besondere Art endlich zum Rennspiel-RPG. Es gibt nämlich zwei wesentliche Modi: den roten namens A-spec und den blauen namens B-spec.

Der B-spec-Modus macht Gran Turismo 5 zum Racing-Simulation-RPG, wie Yamauchi selbst es beschreibt. Als Team-Director steuert man den Fahrer indirekt, gibt ihm Kommandos. Jeder Fahrer hat dabei seine eigene Persönlichkeit, man kann bis zu sechs Fahrer in einem Team kontrollieren und aufleveln. Für ein 24-Stunden-Rennen braucht man immerhin vier Fahrer gleichzeitig. "Das ist ein neuer Lifestyle für Gran Turismo 5", sagt Yamauchi.

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Das Ford Mark IV Race Car 67 auf der Eins, dahinter das Jaguar XJ13 Race Car 67 und der Yamauchi-Ferrari.

Der neue Style startet im Command-View, der Simulation eines Teamchef-Arbeitsplatzes. Ein großer Monitor in der Mitte, oben drüber eine Leiste mit Miniautos, die die Position im Rennen anzeigen. Rechts an der Seite ein Leaderboard, links die Streckenübersicht und ein Miniauto mit Schadensanzeigen und Informationen zur Reifenabnutzung. Unter dem Monitor ist der Status des Fahrers visualisiert, sind seine physische und mentale Stärke als Balken dargestellt. Dazu gibt es einen Balken, der die Aggressivität des Fahrers anzeigt. Wenn er etwa sehr aufgewühlt ist, überhört er leicht die Kommentare und Aufforderungen seines Teamchefs. Die Kommandos sind Gas geben, Bremsen, Überholen, Pit-Stop, No-Pit-Stop.

Im Full-View-Modus sind die Menüs weitgehend ausgeblendet und B-spec ist, kurz gefasst, die verlängerte Wiederholung eines Rennes zum Selbststeuern, weil es ja keine Wiederholung ist. Zahlennerds werden mit dem Live-Time-View glücklich gemacht, der in Echtzeit einen Zwischenzeitensalat für alle Sektoren auf den Bildschirm zaubert.

Im B-Spec-Modus sind die Rennen etwas länger als normal und es scheint keine Funktion zu geben, die Zeit schneller laufen zu lassen. Das Rennspiel-RPG sollte bereits für Gran Turismo 3 realisiert werden, damals kamen sie bei Polyphony Digital über eine A-spec-Version nicht hinaus.

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Im Pagani Zonda R 09 auf den Straßen von Madrid, gejagt von einem Lambo...

A-spec repräsentiert damals wie heute die klassische Rennsimulation zum Selberfahren. Gran Turismo wie man es kennt. Es gibt Lizenztests, Rennen, Autohändler - das alles mit einer "Evolution der Fahrphysik", wie es Yamauchi formuliert. Die Autos sollen sich besser und realistischer anfühlen, weil das Verhalten der Reifen und die Geometrie der Federung bzw. Aufhängung für jeden Wagen präzisiert wurde. Die Physik-Engine unterscheidet nun korrekt zwischen sehr vielen, schlichten Serienfahrzeugen und den Highend-Karren, die vom Anpressdruck auf den Asphalt geklebt werden. Und Yamauchi betont, dass Gran Turismo 5 trotzdem "auch Anfängern Spaß macht, auch wenn das Spiel in Wirklichkeit natürlich für Rennsportprofis gemacht ist."

Als langjähriger Gran Turismo-Fan bestätige ich, dass Yamauchi damit Recht hat. Die Wagen, in denen ich unterwegs war, fühlten sich tatsächlich mehr denn je wie ein echtes Auto an. Wobei das natürlich gerade bei den hochgezüchteten Rennwagen kaum einer von uns wirklich einzuschätzen vermag. Der Fiat 500 jedenfalls, der fühlt sich an wie ein echter Fiat 500. Und die Karts, die fahren sich wie Karts.

Die Liebe zum Automobil ist bei Kazunori Yamauchi in vielen Details des Spiels sichtbar. Richtig deutlich wird sie, wenn er anfängt, über diese Details zu reden. Eine neue Strecke (Monza) stellt er mit einem Nebensatz vor - und redet dann sofort wieder über wichtigeres: über Autos. Über Beispiele für Neuzugänge im Spiel, und zu jedem hat er eine Geschichte, einen Grund, warum sie im Spiel sein dürfen oder sein müssen. Der Pagani Zonda R 09 etwa ("hat gerade den Streckenrekord für Serienfahrzeuge auf dem Nürburgring gebrochen"), der Lexus IS F Racing Concept 08 ("war für den Einsatz in der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft geplant") oder der Ferrari 330 P4 67 ("mein Lieblingsauto überhaupt, der hat beim Daytona 24-Stundenrennen 1967 das Podium dominiert mit einem ersten, zweiten und dritten Platz").

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Die kleinsten Rücklichter der Welt? Nochmal Zonda, nochmal Madrid - aber von hinten.

Es ist klar, dass da das Ford Mark IV Race Car 67 nicht fehlen darf ("die haben nämlich im selben Jahr die Ferraris in Le Mans vernichtend geschlagen"), ebenso wenig wie das Jaguar XJ13 Race Car 67 ("das Projekt wurde kurz vor dem Rennen gekippt, Jaguar besitzt einen einzigen Wagen, und den haben wir uns in England angeschaut und nun nachgebaut").

Mit einem bescheidenen Lächeln auf den Lippen sagt er dann diesen bemerkenswert schlichten Satz: "Man kann nun ein Rennen simulieren, dass es nie gab." Verdammt, es ist wieder einmal klar, dass hier jemand nicht nur einfach ein Rennspiel macht, sondern auch Automobilgeschichte erfassbar macht. Warum sonst sollte man extra in die USA zu einem Sammler reisen, um sich dessen Lamborghini Miura P400 Bertone Prototype 67 anzuschauen ("einer von zweien, die gebaut wurden, der liegt ein Inch tiefer als das Produktionsauto").

Dann noch schnell zwei Gadgets. Erstens: der Course Maker, ein reduzierter Streckeneditor. Man nimmt ein Thema für die Strecke (Belgien, Toskana oder Nürburgring zum Beispiel) und darf dann diverse Parameter justieren und die Strecke wird am Ende als Überraschung automatisch generiert. Die Strecken dürfen online mit anderen geteilt werden. Yamauchi sagt: "Das Ergebnis ist keine präzise Abbildung eines realen Kurses, sondern eine Überraschung gemixt aus den Parametern, die man eingibt."

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Karts. In Gran Turismo 5. Yeah. Kleine Biester sind das, schwer zu steuern und mit lustiger Cockpitperspektive.

Die Anzahl der Sektionen einer Strecke ist wählbar und jede davon einzeln modifizierbar. Dann noch Kreisstrecke oder Rallye-mäßig vom Start ins Ziel, das Wetter und die Tageszeit (in Stunden geteilt). Nun darf im Detail die Sektion eingestellt werden: die Frequenz ihrer Kurven, die Breite der Strecke, die Schärfe der Kurven, die Neigung der Strecke und die Art und Weise, wie sie sich an der Topografie des Themas orientiert. Bis zu zehn Kilometern lang dürfen die Überraschungskurse werden.

Als zweites Gadget haben sie einen 3D-Foto-Modus eingebaut - "die derzeit beste Art, 3D zu nutzen", findet Yamauchi. Die Autos werden wie mit einer normalen Kamera fotografiert: Betrachtungswinkel, Belichtungszeit, alles ist einstellbar. Sogar der Winkel der Vorderräder und vermutlich auch der Reflexionswinkel des Lichts im Außenspiegel. Das ist jedenfalls Autoporno für die ganz Harten. Die können ihre 3D-Bilder im MPO-File-Format speichern und exportieren, natürlich.

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KRITIK. Von Petter Hegevall

Was für eine lange Wartezeit war das eigentlich? Fünf Jahre und acht Monate sind vergangen, seit der Rennsport-verrückte Kazunori Yamauchi, Boss von Polyphony Digital, im Mittelpunkt der Sony-Pressekonferenz in Los Angeles stand und über das ehrgeizigste Projekt der Gran Turismo-Serie aller Zeiten sprach. Aber das Leben ging weiter.



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