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Hitman

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Wir haben in London den Prolog und das erste Paris-Level angespielt - und sind überwältigt von den Möglichkeiten.

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Normalerweise bin ich nicht der Meinung, dass Videospiele Menschen aggressiv machen. Aber als ich eine schmale Seitenstraße in London in Richtung Themse entlang gehe, frage ich mich, ob das wirklich stimmt. Ich gehe am Hintereingang eines Theaters vorbei, an dem Waren entladen und Müllbeutel nach draußen gezogen werden. Was, wenn ich hier reinschleichen müsste, um einen Gangsterboss zu ermorden, der die abendliche Aufführung genießt? Wäre es einfacher, einen Müllmann zu erledigen und in dessen Uniform zu schlüpfen, um unerkannt rein zu kommen? Sollte ich zur Küchenhilfe werden, mir eine Kiste Obst greifen und unbemerkt in die Küche schleichen, um von dort aus zuzuschlagen? Ganz real beschäftigen mich diese Art von Fragen - denn ich habe gerade erst das neue Hitman-Game angespielt.

Hitman geht 2016 einen neuen, etwas unkonventionellen Weg. Der erste Intro-Teil des Spiels wird am 11. März veröffentlicht, sozusagen als Basis. Weitere bereits geplante Orte und Szenarien wie Thailand, Italien und Japan werden danach in einem monatlichen Turnus veröffentlicht bis zum Ende des Jahres. Erst dann wird eine vollständige Version des Spiels auch auf Disc veröffentlicht. Man kann nun zunächst das Intro-Paket kaufen, aber auch gleich die Vollversion bezahlen. Das Intro-Paket jedenfalls beinhaltet einen Prolog und die Stadt Paris - und diese Level habe ich in London ausprobiert.

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Die Weltreise als mörderischer Tourist war einer der beliebtesten Aspekte der vorherigen Spiele - im neuen Hitman mündet dies nun in "World of Assasination".
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Das Modell mag ein wenig seltsam anmuten, aber Hannes Seifert, Boss von Entwickler IO Interactive, hat gute Gründe: "Hitman gibt es seit rund 15 Jahren, und in dieser Zeit haben wir nur fünf Spiele veröffentlicht. Nach Blood Money haben wir sechs Jahren an Absolution gearbeitet." Diese lange Entwicklungszeit habe dem Studio leider nur wenig Gelegenheit gegeben, um auf die Wünsche der Spieler zu reagieren und mit ihnen zu interagieren, um das Spiel nach der Veröffentlichung zu erweitern. Hitman: Absolution war der erste Versuch, das Spiel direkt auf das Feedback von Spielern einzustellen. Auch der Contracts-Multiplayer war konzeptionell neu und Seifert zufolge weit populärer als erwartet. Dies inspirierte das Studio, auch anderweitig neue Wege zu finden - und nun wird Hitman eben episodisch veröffentlicht. So sollen explizit die Möglichkeiten genutzt werden, die eine mittlerweile durchaus übliche, ständige Internetverbindung mit sich bringt - auch wenn man nicht online sein muss, um Hitman zu spielen.

Die Weltreise als mörderischer Tourist war einer der beliebtesten Aspekte der vorherigen Spiele - im neuen Hitman mündet dies nun in "World of Assasination". Das ist eine Art offene Welt, die wir durchstreifen können. Aber nicht Open-World wie etwa die Onlinelobby von Grand Theft Auto V. Es gibt vielmehr eine Weltkarte mit einer Reihe von Orten, die unterschiedliche potenzielle Ziele zur Auswahl stellt. Die Entwickler werden wöchentlich neue Missionen hinzufügen. Zum Beispiel wird es so genannte schwer fassbare Ziele geben, die Elusive Targets, die nur 48 Stunden lang zur Verfügung stehen und dann für immer verschwinden. Es wird also eine Prestigesache werden für einige, gewissen Ziele zu erwischen. Da die Entwickler in diesem Kontext von Serien-Staffeln reden, die sie vollenden wollen, wird nur ein ernsthafter Auftragskiller alles erledigen können.

Aber auch Optionen für weniger dem Hardcore-Modus zugeneigte Spieler werden kontinuierlich eingebunden. Der Contracts-Modus ist zudem in einer erweiterten und verbesserten Version am Start. Es wird zum Beispiel von den Entwicklern und der Community erstellte Escalation-Contracts geben. Wie der Name schon sagt, werden sie als einfache Aufgaben beginnen, aber im Verlauf der Session im Schwierigkeitsgrad schrittweise "eskalieren". Extrapunkte gibt es dann etwa für schnelle und kreative Umsetzung der Aufgaben. Die Punkte werden neue Gadgets freischalten, so dass wir danach noch besser in der Lage sind, sorgfältig und kreativ die eigene Herangehensweise an Missionen zu entwerfen.

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Das neue Hitman wird eine übergreifende Story bieten, aber die wirklichen Geschichten werden in die Level selbst integriert.

Alle diese Funktionen und die Möglichkeit für die Entwickler, den Spielern ständig zu folgen und Anpassungen vorzunehmen, sollen dafür sorgen, dass sie die Welt lebendig anfühlt, verspricht Seifert. Dieser Ansatz mit der Spielwelt als Fokus hat die Erzählung ein wenig in den Hintergrund geschoben, zumindest im direkten Vergleich mit Hitman: Absolution, das weitgehend durch die Story angetrieben war. Das neue Hitman wird eine übergreifende Story bieten, aber die wirklichen Geschichten werden in die Level selbst integriert. Dort können wir zentrale Personen treffen und heimlich Gespräche belauschen, die einen Einblick geben, was vor sich geht. Derzeit ist dieser Ansatz der Live-Elemente nur ein Versprechen der Entwickler. Jedenfalls war es nicht in vollem Umfang während der Anspielsession sichtbar. Aber es klingt interessant und dürfte das Spiel wirklich bereichern.

Das Intro zeigt den Prolog, der uns 20 Jahre in die Vergangenheit schickt, als Agent 47 bei der Agency einstieg. Er trifft Diane zum ersten Mal, wir erleben die Basisausbildung des Agenten, die auch als Tutorial dient. Die ist übrigens amüsant als Filmkulisse eingerichtet, in der wir berühmte (fiktive) Mordanschläge nachstellen müssen. Das Spielprinzip ist und bleibt klassisch Hitman, aber es wird schnell offensichtlich, wie viel Fokus auf die Fähigkeit gelegt wurde, dass wir als Spieler mit einem Level experimentieren können. Es gibt eine Menge von offensichtlichen und weniger offensichtlichen Methoden - und es macht Spaß, all das auszuprobieren und herauszufinden.

Natürlich nehmen ich zuerst den klassischen Weg. Ich verkleide mich als Kellner und versuche, so nah ans Ziel zu kommen wie möglich. Aber es gibt nun auch ein neues Feature namens "Opportunities", das einem Möglichkeiten aufzeigt, kreative Wege zu finden, um das Ziel zu erledigen. Es gibt zahlreiche dieser Gelegenheiten in jedem Level an unterschiedlichsten Stellen. Im Tutorial muss ich etwa einen Typen namens Jasper Ritter abservieren. Ich belausche beiläufig einige Mechaniker dabei, wie sie über einen Kampfflugzeug-Testflug reden, den Ritter absolvieren muss. Und schon ploppt die Nachricht auf, dass nun eine dieser Gelegenheit offenbart wurde.

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Hitman kitzelt mit seinen Herausforderungen den kreativen Attentäter in einem heraus.

Ich überwältige also einen der Mechaniker, schlüpfe in seine Klamotten und kann so unbehelligt in die Halle schleichen. Hier findet sich schnell eine Checkliste und ich entferne diskret den Sicherheitsmechanismus des Schleudersitz im Flugzeug. Ich rufe Ritter an, der widerwillig kommt, um das Flugzeug zu überprüfen. Ich versichere ihm, dass der Schleudersitz deaktiviert ist, aber er will die Taste unbedingt überprüfen. Die anschließende Suche nach seinen sterblichen Überreste muss in einem ziemlich großen Radius erfolgen. Das System mit den Gelegenheiten funktioniert großartig, gerade für Gelegenheitsspieler. Man kann die Hinweise natürlich auch ausschalten und versuchen, selbst drauf zu kommen. Gut, wenn man eine größere Herausforderung sucht.

Nach Abschluss des Prologs reise ich für einen Tag nach Paris. Hier ist Viktor Novikov mein Ziel, ein hohes Tier in der Modeszene, der eine fette Show plant. Zufälligerweise ist er auch Mitglied des IAGO, eines internationalen Spionagenetzwerks, das wichtige NOC-Dokumente gestohlen hat. Deshalb soll Agent 47 seiner Zeit ein Ende bereiten. Was der Prolog an verschiedenen Optionen zu bieten hatte ist nichts im Vergleich zu dem, was sich hier zeigt, wenn das Spiel wirklich gestartet wird.

Der Auftrag startet an einer großen Villa, die in der Regel als Museum dient. Sie ist von einem großen Garten umgeben, der mit Magermodels, Journalisten und Sicherheitsleute gefüllt ist. Man muss nicht weit schleichen, um verschiedenste Ansätze zu erkennen. Das extrovertierte Männermodel Helmut Krüger verursacht gerade ein paar Probleme für Viktor. Ich folge ihm und frage mich, ob ich ihn aus dem Weg schaffen sollte, um selbst eine Karriere als Schönling zu starten. Aber auf dem Weg durchs Herrenhaus höre ich von Viktors Lieblingscocktail. Ich stehle das Rezept hinter der Bar und finde einen einsamen Kellner, der seine Kleidung bald nicht mehr trägt. Mit gesenktem Kopf gehe ich nach unten in die Küche und würze den Cocktail mit Rattengift.

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Nach Abschluss des Prologs reise ich für einen Tag nach Paris. Hier suchen wir Viktor Novikov, ein hohes Tier in der Modeszene, der eine fette Show plant.

Leider werde ich ein wenig übermütig, während ich die Überwachungskameras zu manipulieren versuche. Plötzlich bin ich enttarnt und das Sicherheitspersonal hat kein Problem damit, einen verdächtigen Kellner sofort und direkt vor der teuren Ausrüstung hinzurichten. Nun, es scheint jedenfalls echt eine Menge von Möglichkeiten und Wegen zu geben. Hannes Seifert weist mich nochmal darauf hin, dass sie einen Schweizer-Käse-Weg beim Leveldesign gewählt haben. Das Spiel ist quasi löchrig. Es gibt immer einen Weg in oder aus einem Gebiet - und stets noch eine dritte Option oder eine Verkleidung zum Reinschlüpfen. Leider war die von mir gespielte Version doch sehr instabil und es gelang mir nie, eine begonnene Variante auch zu Ende zu bringen. Das Level in Paris zeigte trotzdem, wie gut und richtig der gewählte Weg für die Hitman-Reihe ist. Wenn der Rest des Inhalts diesen Standard hält oder verbessert, wird Hitman ein wirklich gutes Spiel.

Meine anfängliche Spekulationen über Gewalt in Games war natürlich als Witz gemeint. Aber dennoch kitzelt Hitman mit seinen Herausforderungen den kreativen Attentäter in einem heraus. Die unzähligen Möglichkeiten fordern viele Fähigkeiten als Videospieler. Am Ende freue ich mich sehr auf das Spiel und hoffe nur, dass das neue Konzept der Veröffentlichung keine Entschuldigung wird, ein unfertiges Spiel zu veröffentlichen. Aber: So instabil die Anspielversion auch war, mein Eindruck aus der gesamten Präsentation ist, dass die Entwickler sich sehr viele Gedanken über das Modell gemacht haben und fest entschlossen sind, es zum Vorteil der Spielers zu nutzen.

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