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Rise of the Tomb Raider

Rise of the Tomb Raider

Lara und ich in London, wer könnte da nein sagen. Und der kurze Ausflug mit der Abenteuerin nach Syrien und Sibirien hat so viel Lust auf mehr gemacht.

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Es sind Pioniere, die die Zukunft definieren. Pioniere wie Richard Croft, wobei Genie und Wahnsinn ja bekanntermaßen nahe beieinander liegen. Croft hat viele Jahre am Schreibtisch in Croft Manor und auf seinen Expeditionen verbracht, um den Schlüssel zum Geheimnis des ewigen Lebens zu finden. Es ist ein steiler Gipfel gewesen, er hat ihn nie erklommen. Nun will das seine Tochter Lara vollenden. Unbedingt, koste es was es wolle. Aber sie ist nicht die einzige, die Wind von dem Schlüssel des ewigen Lebens bekommen hat. Wer den besitzt, erschließt sich damit unendliche Macht.

Und schon steht eine wundervoll ausschauende Lara gemeinsam mit ihrem Helfer Jonah am Fuß eines monumentalen Berggipfels. Es stürmt gewaltig hier oben. Dick eingepackt in Funktionskleidung frieren die beiden dennoch. Hinter dem von Schnee umwehten Gipfel vermutet Lara eine uralte, verlorene Stadt. Der Weg zum Gipfel ist extrem stark gescriptet, denn das gesamte ist als grafisch imposantes Tutorial konzipiert. Lara bläst der Schneesturm um die Ohren, bevor die ersten Sprungpassagen losgehen und wir uns mit zwei Kletteräxten im brüchigen Gletschereis festhaken. Das Eis sieht fantastisch aus, man sieht ziemlich genau, welche Passagen Ärger machen könnten - den sie dann natürlich laut krachend auch machen. Nur ein beherztes Pendeln am Sicherheitsseil zur nächsten Wand rettet Lara das Leben.

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35 bis 40 Stunden Spielzeit verspricht Game Director Brian Horton den Detailverliebten.
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Dann ein Flashback, zwei Wochen früher. Lara hockt in ihrer Hipster-Hütte und wir erfahren, dass sie etwas entdeckt hat, das die Arbeit ihres Vaters in neuem Licht hat erscheinen lassen. Der große Abenteuern hatte am Ende sich und seinen Ruf ruiniert, nun will Lara nach Syrien, um ihn zu rehabilitieren. Dort soll der Sarkophag eines legendären Propheten liegen - und darin das Artefakt des ewigen Lebens. Es ist alles Story und Hintergrund, spielen dürfen wir bis hierher kaum etwas. Es ist ein langes Intro, sehr statisch. Fast mutig sogar, dass Crystal Dynamics sich sowas traut. Aber es funktioniert und zieht einen in die Geschichte dieser ebenso authentischen wie hübschen Abenteurerin hinein, die vor uns liegt. 35 bis 40 Stunden Spielzeit verspricht Game Director Brian Horton den Detailverliebten, 12 bis 15 Stunden Substanz bietet die reine Hauptgeschichte selbst den Schnellsten.

In Syrien nimmt uns das Spiel auch nach über einer gefühlten halben Stunde überraschend fest an die Hand. Lara klettert in eine Höhle, zwängt sich durch enge Stellen, in denen patentierte Schockmomente gesetzt werden. Ein lautes "Huch" später wundert man sich dennoch, warum Lara sich immer noch vor Skeletten fürchtet. Und vor Skorpionen. Angst vor Schlangen, klar, aber das? Aber schnell hat einen der wunderbare Soundtrack wieder gefangen genommen. Dann drei Knöppe drücken, um durch eine Wand zu treten. Fallen ausweichen und deaktivieren. Immer noch Tutorial. Solche Quicktime-Events sind spärlich gesetzt und nerven nicht. Lara findet den Sarkophag, natürlich ist er leer. Plötzlich kracht eine Spezialeinheit durch die Tempeldecke, die sich schon vorher den Weg in die Höhle freigesprengt hat. Ein vernarbter, unangenehm dreinblickender Commander und sein Elite-Squad umrahmen nun den Sarkophag. Der Mann sagt noch, seine Leute sollen aufpassen - sie hätten auf ihn hören sollen...

Lara kehrt mit leeren Händen auf Croft Manor in Surrey zurück. Fast. Ein Symbol sah sie in Syrien, und das weist den Weg zum nächsten Ziel. Kitezh, eine uralte Stadt in Sibirien. Lara will weiter, sofort. Ihr Freund Jonah will keine Freunde mehr verlieren: "Wenn du nur fünf Minuten warten würdest, dann würdest du sehen", sagt er. Aber es ist natürlich hoffnungslos, denn Lara ist eine Croft.

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Völlig selbstverständlich und flüssig wechselt Lara in den Kämpfen zwischen Action und Defensive hin und her.

In Sibirien nun, nach einem langen Intro, öffnet sich das Spiel endlich. Nachdem Lara ihr erstes Lagerfeuer entzündet hat, atmen Fans des Vorgängers einmal lange auf und durch. Denn nun dürfen sie sich endlich frei bewegen. Eine in Regionen eingeteilte Spielwelt liegt vor Lara. Die kann sie erkunden, um Ressourcen zu sammeln, kleine Herausforderungen zu suchen oder der Story zu folgen. Vieles geht Hand in Hand, aber Ablenkung wartet an jeder Ecke. Lara darf ihre Waffen verbessern, neue Munitionsvarianten craften und dazu allerlei Equipment wie Munitionshalter und Taschen aus Bärenhaut und Feder herstellen. Für viele Handlungen gibt es Erfahrungspunkte, die das bekannte Skill-Punktesystem speisen. Es gibt drei Ausprägungen, denen wir mit Lara folgen können: Brawler, Hunter oder Survivor. Die lassen sich natürlich auch mixen. Folgt man allerdings einer Richtung, wird das Spiel eben deutlich actionlastiger oder unterstreicht den Stealth-Aspekt. Beides hat seinen Reiz, und genau darum will Brian Horton auch allen Spielstilen den Raum einräumen, den sie verdient haben.

Ich selbst bin wie schon beim Vorgänger unschlüssig. Ich mag die raue Art, mit der Lara Stealth-Kills per Hand und Kletteraxt ausführt ebenso wie ihre leisen Fähigkeiten am Bogen oder das laute Knallen von Gewehr und Pistole. Es ist alles auf seine Art verführerisch. Ganz egal, welche Art des Spielens man bevorzugt, die Steuerung funktioniert tadellos. Völlig selbstverständlich und flüssig wechselt Lara zwischen Action und Defensive hin und her. Nimmt sich Öllampen als Molotovcocktail oder wirft Benzinkanister in die Luft und lässt sie dann mit einem Schuss explodieren. Genauso kann sie sich in einem Gebüsch verschanzen und aus dem Hinterhalt heraus einen Gegner ganz leise erdrosseln. Die junge Dame ist ziemlich versiert und kennt im Zweifel keine Gnade.

Das passt manchmal so gar nicht und trotzdem eigentlich doch immer. Lara sieht wirklich sehr hübsch aus, und diese Einschätzung dürfte ein ziemlicher Konsens sein. Sie strahlt am Ende durch die Details. Wie sie sich so ihren Zopf trockenquetscht, nachdem sie tropfend aus einer Grotte gekrochen ist. Wie sie in ihrer Jacke zittert und willensstark durch den Tiefschnee stapft. Sie ist eine glaubwürdige, moderne Actionheldin geworden, die ihre Anziehungskraft daraus generiert, dass sie schlau, athletisch, hübsch und ein bisschen durchgeknallt ist. Mehr denn je muss sie einstecken während des Spiels. Sie sieht schnell fertig und abgekämpft aus, wird dadurch aber überzeugender denn je. Die Evolution dieser Ikone der Videospielgeschichte zur besten weiblichen Videospielfigur 2015 ist jedenfalls vollends geglückt.

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Die offenen Spielwelten von Crystal Dynamics sind interessant und abwechslungsreich gestaltet, werden von zahlreichen Tieren bevölkert, die Lara jagen kann und manchmal jagen muss.

Die offenen Spielwelten von Crystal Dynamics sind interessant und abwechslungsreich gestaltet, werden von zahlreichen Tieren bevölkert, die Lara jagen kann und manchmal jagen muss. Ob nun syrische Wüste oder dichter sibirischer Wald, alles wirkt sehr authentisch und liefert den passenden Rahmen für die Geschichte. Mein Highlight aber waren die optionalen Challenge-Tombs. Die erste Extra-Herausforderung findet sich in einer Eishölle. Dort muss Lara, wenn sie den mag, ein byzantinischen Schiff besteigen, das absurd eingefroren in einem Gletscher hängt. Nach nur kurzer Zeit habe ich mir eine wertvolle Fähigkeit erspielt, die in einer großen Schatzkiste ruhte. Nun kann Lara zwei Pfeile in kurzer Folge abschießen, ohne einen neuen Pfeil aus dem Köcher ziehen zu müssen. Außerdem ist Schnellfeuer mit Pfeilen möglich. Ein netter Preis für das Lösen eines kleinen Logikrätsels, das mit ein bisschen Timing und Skill beim Klettern verknüpft ist.

Die zweite Tomb-Challenge war eine Offenbarung für den Fan in mir. In dem sibirischen Camp öffnete mir ein herunterfallender Baumstamm den Weg in ein Höhlensystem, das tief in die Erde reichte. Lara muss hier klettern und tauchen, Mechanismen bedienen und den Wasserstand ändern. Es ist eine riesige Rätselhöhle zum Erforschen und Erobern. Hier wird Lara vollkommen zu jener Entdeckerin, die man von früher kennt. Solche Tombs, von denen es in jeder Region mehrere geben wird, repräsentieren deutlich spürbar und sichtbar den Geist des originalen Tomb Raider. Nur epischer und grafisch krass poliert. Es lassen sich sogar Camps in den Höhlen finden, um per Schnellreise dorthin zurückkommen zu können. Vermutlich nicht ganz ohne Grund. Brian Horton sagt dazu, dass die Challenge Tombs ihre eigenen kleinen Geschichten erzählen und zudem den Hintergrund des ganzen Lara-Universums weiter ausleuchten.

Ob wir auch in den Tombs Verbündete finden, ist unklar. Im Rahmen der Story jedenfalls kreuzen sie unsere Wege und helfen dabei, Gegner auszuschalten. Allerdings war da auch ein Mädchen namens Sofia (die wie die Schwester von Aloy aus Horizon: Zero Dawn aussieht). Sie hielt Lara wenig freundlich ihren Bogen ins Gesicht und verschwand so plötzlich wie sie aufgetaucht war. Später treffen wir einen bärtigen Jäger, der uns bittet, einige Funkanlage zu sabotieren. Als Belohnung winkt ein Dietrich - da macht man gerne mit. Der potenzielle Gewinn öffnet nämlich jene Türen, hinter denen vermutlich eines der 59 Relikte und einer der anderen Herausforderungen und Sammelsachen wartet, die einen die zwanzig Stunden nach oder neben der Story beschäftigen sollen.

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Einen Multiplayer haben sie übrigens nicht angekündigt, allerdings auf konkrete Nachfrage auch nicht verneint. Brian Horton hat uns im Interview nur gesagt: "Wir haben dazu keine Aussage momentan." Auch zur Funktion von zusätzlichen Kartenpaketen, die man im Spiel freischalten aber offenbar auch im Xbox Marketplace erwerben kann, wollte der Chefentwickler nichts sagen, außer dass man erst in ein paar Wochen darüber reden wolle. Und auch über einen Nachfolger wollte Horton nichts sagen außer: "Anything can happen."

Rise of the Tomb Raider ist bereits in der angespielten Fassung ein beeindruckendes und sehr fertig wirkendes Spiel. Wer mag, kann sich diesen Gameplay-Clip anschauen, den ich am Stück in meiner Session aufgenommen habe. Allein das sie uns das machen lassen, zeugt von Vertrauen ins eigene Produkt. Es war ein schlauer, wenn auch sicherlich kostspieliger Schachzug von Microsoft, sich dieses wunderbare Action-Adventure exklusiv zu sichern. PC- und PS4-Spieler müssen eine ganze Weile länger warten, letztere bis weit ins kommende Jahr hinein. Und dann tritt Lara auch der PS4 gegen Nathan Drake an. Mal schauen, vielleicht ist sie dort dann sogar besser als ihr männliches Pendant. So ganz persönlich ist sie mir lieber...

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