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Until Dawn

Until Dawn

Exklusiv für die PS4 erscheint das Horror-Adventure von Supermassive Games. Wir haben die ersten drei Stunden angespielt und wurden vortrefflich unterhalten.

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Der Kollege neben mir zuckt schon wieder zusammen. Ein einigermaßen erwachsener Mann, der sicher schon einige haarsträubende Games erlebt hat. Und nun hüpft er auf dem Ledersofapolster herum wie ein nervöser Teenie vor seinem ersten Katie-Perry-Konzert. Er gibt offen zu, dass er ein Problem mit Schreckmomenten hat. Until Dawn hat kein Problem mit Schreckmomenten. Das Spiel stellt genau diese in seinen absoluten Fokus.

Das Werk von Supermassive Games wird für Diskussionen sorgen. Es sind Diskussionen, auf die Sony garantiert keine Lust hat, aber sie werden kommen. Es wird die Hardcoregamer geben, die Until Dawn als interaktiven Film verspotten, als düsteres Wimmelbildvideospiel. Wem schon Beyond: Two Souls oder Heavy Rain zu statisch waren, der sollte wohl besser gleich die Finger von dem Titel lassen. Anderseits sollte jeder Spieler mit ein bisschen Liebe für Horror und Splatter sowie deren Historie mal reinschauen. Denn die Entwickler zitieren so viele Filme, Videospiele und Comics aus diesem tollen Genre. Und das allein macht schon richtig Spaß.

Until Dawn erzählt von einem Abend von zehn US-Teenagern, die sich im Wochenendhaus von Joshs Familie am Mount Madahee in Blackwood Pines treffen, um dort die Winterversion des Spring Breaks abzufeiern. Alle handelnden Figuren sind sehr gesunde, sehr amerikanische Charaktere. Afro-Amerikaner, Chinese-Americans, amerikanische Amerikaner - gertenschlank, trainiert und hübsch. Ihre Gespräche rangieren zwischen bedeutungslos und niveaufrei, passen aber zum Setting der trashigen Teenie-Horror-Komödie und sind überzeugend inszeniert. Gleich zu Beginn geht einiges schief, was das perfekte Intro für die folgende Nacht bis zur Dämmerung liefert.

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Man baut sich das Spiel mit der Angst also auch ein bisschen selbst. In den Dialogen kann man die Beziehungen der spielbaren Charaktere untereinander anfeuern oder regulativ wirken.

Until Dawn spielt ab der ersten Minute mit dem "Was-wäre-gewesen-wenn-Gefühl". Fast jede Entscheidung hat einen Einfluss auf den Fortgang der Geschichte und das Schicksal der Protagonisten. Wer stirbt und wer nicht, es hängt von unseren Entscheidungen ab - und manchmal auch den Fähigkeiten, erfolgreich Quicktime-Events zu meistern. Bei meiner Session gemeinsam mit dem Kollegen Dominik Schott starb erst in der dritten Episode der erste Protagonist. Woran das gelegen hat, ist schwierig zu ergründen.

Zwischen der Episoden müssen wir einem ekeligen Psychotherapeuten Rede und Antwort stehen. Der spricht uns immer wieder direkt an, kommt dem Inneren des Bildschirms so nahe, dass tatsächlich manchmal die Grenzen zwischen Spiel, Therapiezimmer und eigener Couch verschwimmen. Until Dawn will offenkundig, dass wir unsere Ängste erkunden. Und was auch immer wir dem Psychodoc als Antworten in seinen Block diktieren, es wird garantiert an der einen oder anderen Stelle im Spiel aus dem Schrank springen oder in der Soundkulisse auftauchen. Man baut sich das Spiel mit der Angst also auch ein bisschen selbst. In den Dialogen kann man die Beziehungen der spielbaren Charaktere untereinander anfeuern oder regulativ wirken. Die Schockeffekte sind gut und nicht zu häufig gesetzt. Wie die Dialoge passen sie immer wieder auf eigentümliche Art zu den eigenen Erwartungen.

Das Spiel selbst ist sehr statisch und steuert sich langsam. Ein bisschen fühlt sich alles wie im alten Resident Evil an, während man durch wunderbar düstere Szenerien läuft. Die fest fixierte Kamera gehört dabei zu dem, was es zu ertragen gilt. Aber nur so lassen sich die fiesen Schockmomente gezielt umsetzen, das wusste schon Alfred Hitchcock. Die Interaktionsmöglichkeiten sind zudem meist eingeschränkt. Wir können die Spielwelt nach Hinweisen erkunden und stolpern immer wieder über spielbare Szenen. Es gibt nette Details, etwa die Möglichkeit, dass Touchpad des PS4-Controllers zu nutzen, um per Swipe das Smartphone zu entsperren. Oder ein Slowtime-Event, das uns dazu zwingt, den Controller eine Weile ganz ruhig zu halten. Ballern darf man auch.

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Unser Blick wird bewusst irgendwo hingeleitet, der Schreck kommt dann aber garantiert aus der anderen Richtung. Oder eben genau nicht.

Wir beschreiten lineare Pfade bis zur nächsten Entscheidung, die dann wieder viele neue Wege und Möglichkeiten eröffnen. Im Spiel sind Totems versteckt, die uns, so wir sie denn finden und anschauen, kurze Ausblicke in die mögliche Zukunft geben. Wenig Licht, eingeschränkte Kamera, da fragt man sich häufig, was gewesen wäre. Das ist echt gut gemacht. Perspektivspielereien, sich steigernde Geräuschkulissen und immer wieder sehr dezent gesetzte Angsttrigger. Unser Blick wird bewusst irgendwo hingeleitet, der Schreck kommt dann aber garantiert aus der anderen Richtung. Oder eben genau nicht. Ein bisschen kindisch das alles, aber sehr überzeugend. Es ist erstaunlich, dass es einem trotz der vergleichsweise geringen Eingriffsmöglichkeiten ins Spiel nicht langweilig wird.

Fein ist, dass es vor dem Start jedes Kapitels eine Cliffhangerzusammenfassung gibt. Eine Episode dauert je nach Spielgeschwindigkeit 30 bis 60 Minuten - bietet also das perfekte Häppchen-Couchunterhaltungsprogramm für den Abend. Erzählstränge werden über einzelne Episoden hinweg fortgeführt, was die Spannung zusätzlich aufrechterhält. Until Dawn gemeinsam auf der Couch zu spielen ist tatsächlich viel lustiger, als man zunächst denkt. Wohl auch, weil jeder eigene, andere Ängste hat. Und das Spiel befeuert sie immer wieder, die Phobien vor Spinnen, Ratten, Menschenmengen, Dunkelheit, Isolation, Geräuschen. Zusätzlich ist es verdammt schwierig zu verfolgen, wo man gerade ist. Keine Karte, kein Radar, keine Hinweise. Nichts.

Die Grafik ist gerade in den Gesichtern mittlerweile auf hohem Niveau, die Mimik streckenweise erstaunlich. Lediglich die Zähne sind manchmal merkwürdig. Die englischen Dialoge sind deutlich besser als die deutschen, die irgendwie ein bisschen zu Teeniekomödienmäßig rüberkommen. Die Spannung durch die Dialoge wird in der Originalfassung einfach überzeugender transportiert. Überzeugend ist - zumindest für mich - ohnehin das Schlagwort für Until Dawn. Es ist eine Videospiel mit wenig Interaktionsmöglichkeiten und Passagen, die einen immer wieder zur faktischen Untätigkeit zwingen. Aber es ist in den Anfangsstunden gut gemachte und überzeugende Unterhaltung gewesen. Und zum Glück ist die Move-Steuerung nur noch eine Option im Untermenü. Bei der Anspielsession war die konventionelle Controllersteuerung voreingestellt...

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KRITIK. Von Kalle Max Hofmann

Dem Horror-Adventure für die Playstation 4 gelingt es, eine eigene Unterhaltungsform mit zu definieren, von der wir in Zukunft auf jeden Fall mehr sehen möchten.



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