Dirt Rally

Die britische Firma Codemasters hat 1998 mit Colin McRae Rally den Grundstein für realistische Spiele-Adaptionen des Rallysports gelegt. Zum ersten Mal fuhren wir wirklich nur gegen die Uhr, eben wie im richtigen Leben. Genau dieser Ansatz galt bis dahin als viel zu langweilig. Die für damalige Verhältnisse grandiose Grafik auf Playstation 1 und PC strafte die Kritiker jedoch lügen, das realistische Fahrerlebnis führte zu regelrechten Adrenalinschüben und der Titel wurde ein Hit, dem viele Umsetzungen und Sequels folgten. Leider starb 2007 der Namenspatron Colin McRae, der schottische Rally-Weltmeister, bei einem tragischen Helikopterabsturz.

Die Serie wurde daher sanft in den heutigen Titel Dirt überführt. Bei den ersten beiden Teilen stand McRae noch im Untertitel. Die Dirt-Spiele kamen jedoch bei den alten Fans nicht ganz so gut an, da sie doch eher in den Casual-Bereich tendierten und Hardcore-Rally-Freaks mit poppiger Aufmachung und Yo-Bro-Gequatsche verschreckten. Jetzt hat Codemasters endlich bei dieser Entwicklung die für den Sport so höchst wichtige Notbremse gezogen und kehrt mit Dirt Rally zu den Wurzeln zurück. Und das mit absoluter Macht!

Das Spiel ist momentan noch allein für PC-Gamer als Early-Access-Version via Steam käuflich am Start. Es kostet also Geld, befindet sich aber noch im Entwicklungsstadium. Wer jetzt schon zugreift, unterstützt die Entwickler bei ihrer Arbeit. Und man kann jetzt schon sagen: Die Unterstützung haben sie sich wirklich verdient, denn selbst in diesem frühen Stadium kann man schon fast von der besten Rally-Simulation aller Zeiten sprechen.

Man fragt sich fast, ob die Macher sich von der Tiefe von Project CARS haben inspirieren lassen. Denn auch bei Dirt Rally kann man schon das losfahren vermasseln, wenn man auf der hohen Schwierigkeitsstufe beim Start das Zusammenspiel von Handbremse, Gas und Kupplung nicht koordiniert bekommt. Anschließend beginnt die wilde Fahrt über Schotter, Matsch und Eis. Oft sind klaffende Abgründe neben den schmalen Pisten der stetige Begleiter. Unfälle werden gnadenlos mit Schäden am Fahrzeug geahndet.

Abgesehen davon, dass diese einen an der Weiterfahrt hindern können, schmerzen sie auch im Portemonnaie. Denn wir müssen für alles zahlen. Mit dem zur Verfügung gestellten Startkapital muss erst einmal ein Auto gekauft werden, im Moment gibt es zwei bis drei Fahrzeuge aus jeder Dekade des Rallysports, am Anfang reicht das Budget gerade mal für ein 1960er Modell wie einen Mini Cooper oder einen Lancia Fulvia. Doch damit nicht genug der Ausgaben, auch die Techniker müssen erst mal angeheuert und bezahlt werden!

Denn die Reparaturen laufen fast wie eine Mini-Wirtschaftssimulation mit Rollenspieleinschlag. Nach jeder zweiten Etappe stehen nach Reglement gerade einmal 30 Minuten für Notreparaturen zur Verfügung, die weise eingeteilt werden wollen. Dabei macht das Team Vorschläge und verbessert sich immer mehr im Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug. Für die Wagen werden so mit der Zeit Upgrades möglich, die Techniker selber erhalten Perks, durch die sie das Team noch stärker unterstützen können. Dieser gesamte Teil ist momentan noch relativ kryptisch und steril, lässt sich aber auf Wunsch auch mehr oder weniger ignorieren.

Denn die richtige Action findet auf der Straße statt - oder abseits davon!
Genau wie beim Ur-Colin McRae hilft hier die Grafik erst mal ganz weit nach vorne. Nur, dass wir im Jahr 2015 wirklich fast beim Fotorealismus angekommen sind. Die Landschaften sind wunderschön und detailliert ausgestaltet und die Beleuchtungseffekte setzen das Ganze fantastisch in Szene. In verschiedenen Witterungsbedingungen wirken einzelne Etappen ganz anders. Faktoren wie Nebel oder nächtliche Dunkelheit schrauben noch einmal die Schwierigkeit hoch - in letzterem Fall vor allem, wenn man durch eine Kollision seine Scheinwerfer demoliert hat!

Ja, fluchen wird man bei diesem Spiel oft, denn es schenkt einem einfach nichts. Aber gerade das macht den Reiz aus. Allein die Soundeffekte von spritzendem Kies, zerkratzendem Metall und platschenden Pfützen treiben den Schweiß auf die Stirn, während auf der einen Straßenseite der Sturz in eine Schlucht und auf der anderen ein Überschlag durch unbefestigten Pistenrand droht. Der Co-Pilot bleibt dabei in der jetzigen Fassung in jeder Situation völlig cool und sagt höchst detailliert die kommenden Kurven und Streckenbesonderheiten an. Entweder, der Typ ist Chuck Norris, oder die Entwickler bauen später doch noch ein paar Flüche und Stoßgebete ein.

Aber wo wir schon von markigen Typen reden: Als Vorbereitung für das Spiel sollte man sich auf jeden Fall mal die besten Zitate der Rally-Legende Walther Röhrl durchlesen. Der Typ ist einfach ein absolutes Urgestein und wenn man Dirt Rally spielt, lernt man den Mut und die Coolness von Fahrern wie ihm noch einmal auf eine ganz andere Art kennen. Denn Rallysport ist einfach Wahnsinn mit Ansage, dagegen wirken DTM und F1 wie Ringelpiez mit Anfassen. Und dieses Feeling bringt Dirt Rally eben durch seine fantastische audiovisuelle Qualität und die sehr realistisch nachvollziehbare Physik hammerhart rüber.

Das bereits stehende Grundgerüst deutet auf einen absoluten Hit hin, jetzt muss nur noch der Content mit Strecken und Fahrzeugen ausgebaut werden. Auch zeigt die jetzige Version mit ihrer Online-Komponente, wie viel Spaß in dem vorhandenen Material steckt. Tägliche, wöchentliche und monatliche Rallys zeigen ein ähnliches Spaßpotenzial wie die entsprechenden Challenges bei Rayman Legends oder OlliOlli 2. Mit vorgegebenen Autos oder auch mal Vehikeln aus der eigenen Garage geht es auf die Piste, und entsprechend dem Härte-Anspruch des Spiels gilt da oft die One-Shot-Regel. Hier ist nix mit auswendig lernen, es gibt nur einen Versuch. Und wer einen Fehler macht, der verliert. Doch in der nächsten Herausforderung werden die Karten dann neu gemischt. Supergut.