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Dishonored: Die Maske des Zorns

Dishonored: Die Maske des Zorns

Corvo war der Leibwächter der Kaiserin. Nun sitzt er im Kerker, soll Jessamine Kaldwin umgebracht haben. Dann steht ein Fremder vor der Gittertür, der uns ein Geschenk in die Hand brennt, ein Zeichen. Fortan ist die Hand eine mächtige Waffen, mit der wir Fähigkeiten steuern wie Windstürme, Rattenplagen, das Einfrieren der Zeit oder das Übernehmen armer Seelen anderer Spieler. Unser Gesicht wird verdeckt durch eine Maske. Eine zornige Maske, die uns mächtige Fähigkeiten verleiht.

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Dishonored: Die Maske des Zorns spielt in Dunwall, einer fiktiven Stadt mit Anleihen aus London und US-Hafenstädten der 1850er Jahre. Der spannende Stil des Spiels ist sofort sichtbar. Art Director Sébastien Mitton und Visual Designer Viktor Antonov haben ihre ganz eigene Welt in einem Konkurrenzumfeld geschaffen, das von Fortsetzungen dominiert wird. Antonov sagt, dass genau das so schön sei: "Wir können eine Welt wie Fritz Langs Metropolis erschaffen in Videospielen. Man muss sie einfach nur erdenken und umsetzen." Jeder Zentimeter sei wichtig, weil es "nur" diese eine Stadt gebe.

Ein Beispiel dafür ist erstaunliches Designelement, das sich durch das Spiel zieht: altenglische Federungen. Die Bauweise britischer Kutschen diente als Vorbild für die teils absurden Schienenfahrzeuge, die durch Dunwall rollen. Mechanische Kutschen auf Schienen organisieren dort den individuellen Transport, eine irgendwie kuriose Idee. Noch absurder sind dann Wächter, die auf gefederten Stelzen patrouillieren. Dunwall wird von einer tödlichen Seuche heimgesucht und das Volk von einer tyrannischen Regierung mithilfe merkwürdiger neuartiger Technologien brutal unterdrückt.

Die Grafik ist wunderschön, weil sie so menschlich wirkt. Alles ist handgezeichnet und das französische Studio hat das Unperfekte wirklich perfektioniert. Der Stil für das Licht und die Ausleuchtung ist eigenständig. Kontrast sei ihnen wichtig, sagt Antonov, "harte Schatten, helles Weiß, dunkles Schwarz." Auch das hübsche Wasser ist wichtig im Spiel, es dient als Transportsystem innerhalb der Story. Selbst die Charaktere im Spiel haben sie in England mit dem Fotoapparat auf der Straße abgeschossen und dann mit uralten Illustrationen von Aristokraten gemixt. Aber das alles sei nicht Kunst um der Kunst willen, sondern es müsse im Gameplay funktionieren.

Dishonored: Die Maske des Zorns
Die Tallboys patrouillieren auf gefederten Stelzen, das macht sie zu mächtigen Gegnern.
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Davon will uns Entwickler Arkane überzeugen mit einer Demonstration. Wir sehen eine Mission, die nach etwa einem Drittel Spielzeit kommen würde. Das Spiel baut strikt auf Missionen auf. Dishonored bietet also keine offene Sandkastenwelt. 13 Missionen gibt es und einen Haufen Nebenmissionen dazu. Das erlaubt multilineare Pfade durch die Geschichte mit drei Enden, die man nur erleben kann, wenn man jeweils von Anfang an neu durchspielt. Jede Mission hat zudem ganz unterschiedliche Lösungswege. Selbst ihr Anfang ist durch die vorherigen Spielerlebnisse definiert. Vorhergehende Hilfsdienste können dazu führen, das wir hoch oben auf den Dächern starten dürfen. Konventionell geht's auf der Straße los. Man kann jederzeit seinen eigenen Spielstil finden, von gewalttätig bis leise schleichend.

Nach einem kurzen Sichten des imposanten Herrenhauses, wo das Golden Cat Badehaus seine Heimat hat, geht es im Körper einer Ratte durch einen kleinen Kanal hinein. Das ist der Anfang des leisen Durchgangs. Wer die Fähigkeit, sich zur Ratte zu machen, nicht besitzt, dem bleiben mehrere andere Optionen, in Haus zu kommen. Dass das Gameplay prima funktioniert, wird nach den ersten Minuten im Freundenhaus klar. Wir schleichen zwar, aber in hohem Tempo. Bewundern im Vorbeihuschen die schicken Lichteffekte im pompösen Flur. Registrieren beiläufig das breite Farbspektrum, das trotz des steampunkingen Ansatzes gerade im Inneren von Gebäuden dominiert.

Man kann Dishonored durchspielen, ohne jemanden zu töten. Im Nahkampf würgen wir Gegner bewusstlos, aus der Ferne entfalten Giftpfeile der Mini-Armbrust ihre einschläfernde Wirkung. Wenn wir uns in den Körper einer Wache oder eines zentralen Charakters morphen, können wir diesen zum Selbstmord zwingen. Etwa, indem wir mit ihm an eine Balkonbrüstung laufen und ihm dann einen Wirbelsturm hinterherschicken. Auch machbar: Eine Wache eine Kugel auf uns abfeuern lassen, die Zeit einfrieren, sich dann in die Wache morphen und zum Absch(l)uss mit ihr in die Flugbahn ihrer eigenen Kugel laufen. Rein technisch gesehen wohl kein Mord.

Alle Waffen, ihre spezielle Munition, Granaten und die diversen Fähigkeiten werden über ein Rad angewählt. Über ein Dutzend Menüpunkte sind dort sichtbar, eine endgültige Zahl wurde nicht genannt. Eigenschaften und Waffen lassen sich verbessern, mit Runen, die wir im Spiel finden oder bei den beiden Bastlern in unserem Hauptquartier und in der Stadt. In der Stadt allerdings nur gegen harte Währung. Corvo trägt zudem eine Maske, die eine Spyglass-Fähigkeit integriert hat, mit deren Hilfe man sich an Gespräche heranzoomen kann, um ein bisschen zu lauschen. Manchmal hört man so etwas von interessanten Nebenmissionen, manchmal einfach nur eine neue Strategie, um dem eigentlichen Ziel näher zu kommen.

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Mit der Teleport-Fähigkeit namens Blink können wir uns fast unsichtbar durchs Level schießen. So ziemlich jeder Punkt ist anvisierbar und wird durch eine kleine blaue Wolke angezeigt. Einen Knopfdruck später ist man da. Damit man immer weiß, wo jemand steckt, spiegelt das Sounddesign exakt die Positionen aller Protagonisten wider. Wer das Hörbare mit den Informationen der Dark Vision-Fähigkeit der Maske kombiniert, die es uns erlaubt, durch Wände zu schauen und Laufwege zu checken, wird zu einem mächtigen, lautlosen Rächer. Batman lässt grüßen.

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Gerade innerhalb von Gebäuden ist trotz des steampunkingen Ansatzes ein breites Farbspektrum sichtbar.

Teil der aktuellen Mission ist es, diverse Mitglieder der Aristokraten-Familie Pendelton aus dem Weg zu räumen. Lord Morgan Pendelton hockt in der Dampfsauna im Keller, mit einer Gespielin. Durchs Schlüsselloch analysieren wir die Situation. Nun führen viele Wege zum Erfolg. Wir klettern über Umwege in den Betriebsraum und dampfen den Lord einfach mit Hilfe eines absichtlich ausgelösten Defekts in der Sauna ein. Kein schöner Tod, war eben nur ein Unfall. Man könnte auch einfach die Saunatür sprengen. "Minute-to-Minute-Erzählweise ist ein wesentliches Gestaltungselement", nennt Designer Raphaël Colantonio das Grundkonzept.

Das Wörtchen könnte bringt uns zum zweiten Durchlauf, dem lauten und brutalen. Ist Corvo getarnt unterwegs, bleibt er trotzdem schnell und mobil, nutzt die Vertikalität der Level voll aus. Will er mit dem Kopf durch die Wand, sieht das ähnlich aus - nur darf man reichlich Blut, wegfliegende und zerplatzende Köpfe oder im Hals steckende Messer addieren. Corvo kann auch einen Rattensturm entfesseln, dann ergießen sich Dutzende Nager über einen Gegner, die ihn als fiese und autark agierende Angreifer einfach aufessen. Natürlich können wir uns auch in den Körper einer Ratte morphen, um dem Drama beizuwohnen oder mitzufressen. Aber Vorsicht: Ratten werden gerne zertreten - und dann ist auch unser Held tot. Das Morphen biete ohnehin spannende Möglichkeiten. Man kann sich aus dem achten Stock fallen lassen und kurz vor dem Aufschlagen einfach in eine andere Figur morphen. Oder gar in einen Fisch, der arglos im Kanal schwimmt.

Die Gegner sind im Regelfall mal mehr oder weniger stark bewaffnete Menschen, die scheinbar schlau agieren. Sie blocken unsere Messerattacken jedenfalls locker weg. Richtig schick wird es bei den Wächter-Soldaten, die auf mechanischen Stelzen durch Dunwall stapfen. Hier trifft 1984 auf Brave New World, Steampunk auf Moderne. Dazu das kontrastreiche Licht und man ist echt einfach hin und weg. Wirklich schön.

Negativ fiel bei der Session lediglich eines auf - das könnte aber ein größerer Nachteil werden. Um zwischen den Fähigkeiten und Waffen hin und her zu schalten, muss immer manuell das Auswahlmenürad aufgerufen werden. Also wird das Spiel jedes Mal angehalten. Bisweilen war das ganze dadurch ein ziemliches Stop-Motion-Erlebnis, was wiederum im Gegensatz zu einem eigentlich sehr packenden Einzelspielererlebnis in der Egoperspektive steht. Es nahm dem Spiel seinen Flow.

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