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Red Dead Redemption

Red Dead Redemption

Das Western-Genre gilt irgendwie als schwierig. Wenn es einer anpacken darf, dann bitte sehr Rockstar. Mit Red Dead Redemption wollen sie nun zeigen, dass Sandbox-Spiele auch dort funktionieren, wo viel Sand liegt: in der Prärie des Wilden Westen. Und nicht nur als Action-Adventure, wie unsere Multiplayer-Vorschau aus London beweist.

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Die Sonne steht hoch am wolkenlosen Himmel und brät mit voller Intensität auf die ausgedörrte Prärie. Unter dem abgewetzten Lederhut badet die Stirn in Schweiß, der langsam am Gesicht herabfließt und tiefe Gräben im verstaubten, von Narben gezeichneten Gesicht des Scharfschützen hinterlässt. Die Augen sind jedoch erbarmungslos und verströmen eine Eiseskälte, die auf die unerschütterliche Coolness des Cowboys schließen lassen. Doch zittert die über dem Colt lauernde Hand, ist es ein Zeichen von aufkommender Nervosität oder doch nur ein durch den unbarmherzigen Glutball am Firmament erzeugtes Flimmern? Fehlt nur noch die antike Kirchturmuhr, um das Wildwest-Ambiente á la 12 Uhr mittags zu vervollkommnen.

Wer auf Western-Settings wie dieses steht, ist bei Red Dead Redemption genau richtig. Denn das neue Sandbox-Spiel der Grand Theft Auto-Entwickler ist quasi eine Ode an all die tollen Cowboy-und-Indianer-Geschichten. Wer Stunden vor der Glotze verbracht hat, um Bonanza, Rauchende Colts, Erbarmungslos oder Eine Hand voll Dollar anzubeten, wird um das Wildwest-GTA nicht herumkommen - so jedenfalls der einstimmige Tenor aller bisherigen Vorberichte. Diese basierten allerdings auf Eindrücken des Solomodus. Erstmals war nun in London auch der Multiplayer spielbar.

Und da rückt wieder die Eingangssequenz in den Mittelpunkt, denn jeder Multiplayer-Modus von Red Dead Redemption, wo gegeneinander gespielt wird, beginnt mit einem Shootout. Die Duelle sind jedoch alles andere als eine todernst gemeinte Angelegenheiten, sondern eher als spaßiger Auftakt zum erfrischend lockeren Ballerspaß gedacht. Die Choreografie dieser Schießereien ist davon abhängig, ob wir uns in Free for All-Modi im Kampf jeder gegen jeden stürzen oder in Teamgefechten loslegen.

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Gangs of the Wild West: Gemeinsam mit den Jungs geht es in den Multiplayer-Shootout.
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Bei ersterem stehen alle Teilnehmer zunächst in einem Kreis zusammen und warten darauf, dass es losgeht. Hier steht nicht das klassische Mann gegen Mann-Duell im Mittelpunkt, sondern ein herrlich amüsantes Tohuwabohu, in dem jeder Jäger und Gejagte zugleich ist. Wer am Ende als Sieger stehen bleibt, hat allerdings nur einen kleinen Vorteil, bevor die eigentliche Spielrunde beginnt. In Teamgefechten stehen sich beide Gangs in traditioneller Art direkt gegenüber und ermitteln, wer schneller ziehen kann.

Was den Multiplayer von Red Dead Redemption von herkömmlichen Shootern á la Call of Duty: Modern Warfare 2 unterscheidet, ist jedoch nicht das Western-Setting allein. Vielmehr sind es die gewitzten und abwechslungsreichen Modi. Goldrush zum Beispiel, wo es nicht nur schlicht darum geht, so viele Feinde wie möglich tot auf den ausgetrockneten Wüstenboden des mexikanischen Kaffs Chuparosa zu befördern. Bei der Jagd nach mit Gold gefüllten Satteltaschen gehört das Ballern natürlich auch dazu. Aber es dient vor allem dazu, sich die Widersacher vom Leib zu halten und gleichzeitig die schweren Beutel lebend ins Ziel zu befördern. Es schadet selbstverständlich nicht, einen Gegner, der bis zu zwei der Satteltaschen bei sich tragen kann, Zentimeter vor der rettenden Depotkiste von hinten umzumähen und dessen wertvolles Gut selber abzuliefern und die Punkte einzuheimsen.

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Aus der Deckung heraus schießt es sich in Red Dead Redemption am besten - auch auf fahrende Ziele.

Höchst amüsant ist auch das Gang-Match, bei dem zwei Banden mit jeweils bis zu acht Mitgliedern versuchen, sich gegenseitig Satteltaschen abzujagen. Statt der Häuserkampfbedingungen des Goldrush, wo enge Straßenzüge und ein weitläufiger Marktplatz die Szenerie dominieren, liegen die beiden Camps ein gutes Stück voneinander entfernt. Die Distanz ist so groß, dass man sich am besten einen Gaul herbei pfeifft, der nach wenigen Sekunden erscheint.

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Einfach drauf los zu stürmen, dass führt jedoch in diesem Modus meist ins Verderben, denn das offene Terrain bietet zum einen sehr gute Bedingungen für Scharfschützen, zum anderen befindet sich genau in der Mitte der vorzüglich designten Karte eine Maschinengewehr-Stellung, die forsches Vorpreschen mit bleihaltigen Argumenten verhindert. Obendrein befindet sich auf einer Anhöhe eine antike Kanone, mit der Feinde genüsslich unter Beschuss genommen werden können, was wiederum die taktische Tiefe vergrößert.

Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zum Free Roam-Modus, der weniger an einen Multiplayer-Modus gewöhnlicher Bauart erinnert, sondern eher an ein MMOG. Hier bekommen wir die freie Auswahl aller möglichen Freizeitbeschäftigungen eines Cowboys im Wilden Westen: Die Jagd auf wilde Tiere und Outlaws, die Suche nach seltenen Kräutern, also Überlebenskunde, Scharfschützenherausforderungen, Flucht vor den Gesetzeshütern und noch einiges mehr.

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Kabooom! Dynamit war im Wilden Westen ein beliebtes Hilfsmittel bei der Goldsuche, entfaltet aber auch zweckentfremdet im Multiplayer seine Wirkung.

Doch auch in diesem freien Modus, in dem wir den eigenen Helden durch die verschiedenen Aktionen bis auf Stufe 50 hochleveln können, muss niemand den Lonesome Rider spielen. Auf Wunsch schließt man sich einer Gang an, terrorisiert die friedliche Bevölkerung in Jesse James-Manier oder geht etwa gegen marodierende Bösewichte vor. In meiner Session haben wir eine Bande in einem gottverlassenen Nest ausgeräuchert, ihre Verstecke mit Dynamit hochgejagt und schließlich den Anführer erledigt. Je höher man aufsteigt, desto mehr solcher Events werden nach und nach freigeschaltet.

Der Multiplayer präsentierte einen sehr stabilen und vor allem sehr spaßigen Eindruck, der nur von einigen wenigen Fehlern etwas getrübt wurde. Einzig der für einen Shooter zu lahmarschige Waffenwechsel, der über ein Radmenü vollzogen wird und dadurch im Eifer des Gefechts wertvolle Sekunden kostet, hat nicht überzeugt. Verbesserungswürdig ist zudem die Waffenbalance mit der einen oder anderen zu mächtigen Knarre sowie das Verhalten der KI-Feinde, die in dieser Version noch deutlich zu passiv auf unsere Attacken reagierten. Es könnte zudem nicht schaden, wenn die Trefferortung noch präziser gelänge. Bisweilen ärgerte man sich über Bildschirmtode, ohne die Position des Schützen gekannt zu haben.

Doch das soll jetzt niemand falsch verstehen: Es handelt sich hier eindeutig um Meckern auf sehr hohem Niveau. Der Red Dead Redemption-Multiplayermodus hinterließ einen wirklich sehr guten Eindruck und überzeugt mit witzigen, spannenden und abwechslungsreichen Gefechten. Obwohl bereits die Versus-Modi mit dem typischen Rockstar-Touch daherkommen und jede Menge Esprit verströmen, setzt der Free Roam-Modus im MMOG-Stil dem Ganzen die Krone auf.

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