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Max Payne 3

Max Payne 3

Die Kugeln der Schrotflinte fliegen in Zeitlupe auf den Mann in der blauen Weste zu. Gerade haben sie den Lauf verlassen, teilen sich langsam auf und erweitern die Trefferfläche. Die per Druck auf den Analogstick aktivierte Bullet Time ist ein verlässlicher Partner in Max Payne 3. Sie verlangsamt das Leben und erlaubt es uns, gezielte Treffer zu setzen, was im Gegenzug wieder die Bullet Time-Leiste auffüllt. Leider nützt das alles jetzt nichts mehr in diesem Moment.

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Denn die Kugeln fliegen auf unseren Partner Raul Passos zu. Versehentlich! Er hatte einfach Pech, in unserer Anspiel-Session mit dem Soloabenteuer von Max Payne 3 zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Gerade noch hatten wir gemeinsam mit ihm im Fitnessraum des Fußballstadions der São Paulo Galatians fünf Angreifer souverän ausgeschaltet. Nur wurde Max da noch vom freundlichen Rockstar-Angestellten gesteuert, der mir kurz danach den Xbox-Controller in die Hand drückt. Ein kurzes Gespräch, dann geht es eine Empore hoch, ich kassiere die herumliegende Schrotflinte ein und biege um die nächste Ecke. Da steht ein Typ.

In all der Aufregung habe ich vergesse, dass da noch wer war. Ich ziele kurz. Elegant legt Max an. Ich drücke ab. Mit einem lauten Knall entlädt sich die Pumpgun. Drei Sekunden später schlägt der Projektilschauer in Passos Brust ein. Er ist sofort tot. Und das Spiel ist sofort vorbei. Beruhigend und nur folgerichtig, dass das so ist. Denn Max Payne 3 ist um Authentizität bemüht. Und dazu gehört, dass auch die Freunde sterben, wenn man sie erschießt. Und sei es aus Versehen.

Passos und Max haben ohnehin kein leichtes Leben in ihrem Abenteuer ohne Ladezeiten und spürbare Pausen. Aber für uns ist alles im Fluss, quasi federleicht, vom Anfang bis zum Ende. Wer das Soloabenteuer in einem Rutsch durchspielt (über die Länge schweigt sich Rockstar noch aus), wird nicht das Gefühl haben, Level nach Level zu spielen, obwohl Max Payne 3 in Kapitel unterteilt ist.

Max Payne 3
Die Animationen im Spiel sind wahrhaftig eine Klasse für sich. Für jede Szene haben sie bei Rockstar spezielle Animation zusätzlich zu dem regulären und nicht minder aufwändigen Standardrepertoire von Max & Co. gedreht.
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Immer wieder sind grandios inszenierte Zwischensequenzen in In-Game-Grafik eingestreut. Zusätzlich werden Übergänge im Comic-Stil genutzt, in denen sich der Bildschirm in mehrere Fenster teilt, um geschickte Perspektivwechsel zu ermöglichen. Die Abschüsse aus der Killcam runden den cineastischen Anspruch ab. Aus immer wieder unterschiedlichen Perspektiven folgen wir der Kugel in ihr Ziel, nun unabhängig von der Waffe aber immer bei jedem letzten Gegner einer bestimmten Szene. Es ist wirklich so, dass wir hier unseren eigenen Actionfilm spielen. Nie vorher hat man es mehr gehasst, die Pausentaste drücken zu müssen.

Vieles im Spiel ist in Echtzeit inszeniert und animiert. In einer Szene ist Max als Scharfschütze unterwegs, um Passos den Rücken freizuhalten. Ich erledige aus sicherer Deckung einer Ansagerkabine hoch oben im Stadion Angreifer um Angreifer, die Passos die Tribüne hinunter verfolgen. Immer schön leicht daneben zielen, um präzise Kopf- oder Körpertreffer zu setzen, die hier mit Killcam-Sequenzen belohnt werden. Als die letzte Kugel einschlägt, setzt eine kleine Zwischensequenz ein. In der der rollt der letzte erledigte Typ Treppenstufe um Treppenstufe an dem nach oben hetzenden Passos hinunter. Man spürt fast die Trägheit des leblosen Körpers.

Die in Red Dead Redemption schon überzeugende Euphoria-Engine ist sichtbar weiter verbessert worden. Es ist kaum zu unterscheiden, was automatisiert und was in Echtzeit animiert passiert. So nahtlos gab's ein Actionspiel noch nicht zu sehen. Klar, dass alle im Körper des Gegners einschlagenden Geschosse eine unterschiedliche Wirkung haben. Das gilt auch für die zu guten Teilen zerstörbare Umgebung.

Max Payne 3
Immer wieder sind grandios inszenierte Zwischensequenzen in In-Game-Grafik eingestreut.
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Die Animationen im Spiel sind wahrhaftig eine Klasse für sich. Für jede Szene haben sie bei Rockstar spezielle Animation zusätzlich zu dem regulären und nicht minder aufwändigen Standardrepertoire von Max & Co. gedreht. Das sind Kleinigkeiten wie ein beiläufiges Festhalten am Treppengeländer oder das spezielle, leicht geschwächte Abrollen an einer Wand, wenn Max stark verwundet ist. Aber solche Details machen den Unterschied. Verletzungen werden in allen Zwischensequenzen fortlaufend korrekt angezeigt - und natürlich auch die Waffen, die Max aktuell bei sich trägt. Das können zwei Handfeuerwaffen sein und zusätzlich ein schweres Automatikgewehr oder eben eine Shotgun.

Die Waffen sehen schick aus, klingen fett und sind im Gameplay überzeugende Begleiter. Das Ballern - und darum geht es hier schließlich - ist sehr dynamisch und schnell, ähnelt trotz der Third-Person-Perspektive eher einem klassischen Egoshooter. Die Steuerung ist absolut problemlos. Präzises Zielen über den linken Trigger, schießen, nachladen, Bullet Time aktivieren und optional Deckung suchen - alles ist an seinem Platz. Per Ausweichsprung lässt sich Zeitlupe auch aktivieren, so wie früher. Max segelt dann langsam ballernd durch die Luft, was wirklich jedes Mal cool aussieht. In der Deckung hocken sollte man übrigens nicht zu lange warten, was ich auf die harte Tour lerne.

In den Katakomben des Fußballstadions fliegen nämlich schnell die Kugeln tief. Der Grund dafür: Max und Passos haben eine Geldübergabe vermasselt. Eigentlich wollten sie drei Millionen Dollar gegen Fabiana Branco eintauschen. Das ist die überaus hübsche Frau ihrer Auftraggeber, der Familie Branco: drei Brüder, drei Charaktere, alle steinreich. Die Familien ist scheinbar im Visier irgendeiner Gruppierung. Welcher, das durchblicken weder Max noch Passos. In Gesprächen werden wir als Spieler auch nicht wesentlich klüger, denn um uns herum sprechen alle portugiesisch. Die Sprache versteht Max nicht und wir somit auch nicht. Lediglich die übersetzten Fetzen von Passos geben uns Hinweise.

Max Payne 3
Was wirklich überrascht, ist die extreme Action und freie Dynamik im Spiel.

Max als Charakter sieht herrlich verlebt und fertig aus. Tiefe Furchen durchziehen sein vom Alkohol und der Tablettensucht gezeichnetes Gesicht. Letztere setzt sich im Spiel fort, denn nur Tabletten heilen Max und verhindern, dass er dauerhaft durchs Level wankt, in trotzdem hübsch verwackelten Bildern. Man sollte also jede Tablettendose einsammeln. Mindestens eine will man sowieso immer dabei haben, für den Last Man Standing-Effekt. Durch den kriegt ein tödlich getroffener Max eine sepiafarbene Minichance: Er muss vor dem Fallen den Gegner erledigen, der ihn tödlich getroffen hat. Klappt das, haut sich Max kurz vor dem Exitus seine Tabletten rein und überlebt. Automatisches Heilen wie es mittlerweile fast der Standard in Actionshootern geworden ist, gibt es nicht. Aber Tabletten darf man immer schlucken.

Was wirklich überrascht, ist die extreme Action und freie Dynamik im Spiel. Viele Strategien sind möglich, um eine Passage zu absolvieren. Das alles ist sehr hektisch bisweilen, aber immer hochspannend. Die Gegner flankieren einen dreist, nutzen keine wirklich erkennbaren Bewegungsmuster. Sie kämpfen schnell, hart und ebenbürtig. Kommt uns jemand zu nahe, geht's im Nahkampf zur Sache. Dann haut Max gnadenlos zu, verteilt Kopfnüsse und klaut dem Gegenüber sogar die Waffe, wenn seine eigene leer geschossen ist. Die anschließende Exekution ist nur noch Formsache, aber den Abzug müssen wir aktiv selbst drücken.

Kleinere Teile der Umgebung sind nutzbar, was wir in der nächsten Passage in den Docks sehen. Max kann auf Holzkisten und Container klettern, ebenso wie seine Gegner. Er kann kleine Gasflaschen explodieren lassen oder den Tank eines Gabelstaplers entzünden. Am Anfang dieser Passage ist Max übrigens mit einer schallgedämpften Pistole unterwegs und soll seine Tarnung behalten. Gelingt ihm das, sind weniger Gegner auf einmal unterwegs.

Die Optik ist einfach berauschend schön. Tolle Licht- und Schatteneffekte paaren sich mit der überzeugenden Grafik und Rockstar-typischer Liebe zum Detail. Man sieht die Vor-Ort-Recherchen überall und spürt, dass nichts fehlt. Es ist optisch alles aus einem Guss, das nahtlose Erlebnis setzt sich hier perfekt fort.

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