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Wolfenstein: The New Order

Wolfenstein: The New Order

Eine alternative Nazi-Realität mit Weltherrschaft, Atombomben und Kampfrobotern liefert die Neuinterpretation des Run'n'Gun-Klassikers. Wir haben eine Runde Hohlbirnen gekillt.

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Castle Wolfenstein war mein erster Egoshooter. Am 386er-PC Nazis abknallen, die man seltsamerweise stets aus exakt der gleichen Perspektive von vorne sah, während die Spielfigur wie auf Kufen durch die grauen Katakomben von Schloss Wolfenstein glitt. Ein echtes Urgestein des klassischen Run'n'Gun-Spielprinzips, dessen Beliebtheit bis heute ungebrochen ist. Ich habe mir damals die Promo-Version in einem Shareware-Cafe für den Preis einer überteuerten Diskette gezogen. Die zehn Level haben mich für Tage in den Gängen von Wolfenstein verschwinden lassen.

Ich habe keinen der Nachfolger aus dem letzten Jahrzehnt gespielt und bin vor meiner Session dementsprechend gespannt, wie sich die Serie entwickelt hat. Bethesda hat uns eingeladen, in aller Ruhe die ersten drei Kapitel von Wolfenstein: The New Order anzuspielen. Es geht gleich mit einem der actionlastigsten Tutorials los, die ich je gespielt habe. Der alte Haudegen William B.J. Blazkowicz muss bereits binnen der ersten Minuten ein fliegendes Flugzeug reparieren, feindliche Abfangjäger aus der Geschützkanzel abwehren, noch in der Luft in einen anderen Flieger springen, um dann nach der Bruchlandung an der polnischen Ostseeküste gegen einen riesigen Roboterhund zu kämpfen. All dies passiert, bevor wir überhaupt eine geladene Waffe in die Hand gedrückt bekommen.

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Wolfenstein: The New OrderWolfenstein: The New Order
Im Akimbo-Modus mäht Blazkowicz mit zwei Knarren gleichzeitig Dutzende von Gegnern nieder, aber Wolfenstein: The New Order lässt tatsächlich auch andere Spielweisen zu.
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Hier geht einiges nicht mit rechten Dingen zu. Stealth-Abfangjäger, Roboterhunde, riesige dreibeinige Kampfmaschinen, merkwürdige elektrische Nazis und wieso sind die überhaupt 1946 noch in Polen? Blazkowicz ist in einem Parallel-Universum gelandet, in dem der Zweite Weltkrieg nicht 1945 beendet wurde. Die Nazis arbeiten an einer Superwaffe und die letzte Chance für Europa sind natürlich - wir. An genau jener Küste befindet sich nämlich die Festung des gefürchteten General Totenkopf. Sie bietet die einzige Möglichkeit, das Blatt zu wenden. In dem schwer bewachten Schloss wimmelt es nur so von diesen seltsamen Wehrmachts-Cyborgs, die von einer sonderbaren blauen Energie angetrieben werden.

Wir sind also zurück in alten Gemäuern, um Nazis den Arsch aufzureißen. Klingt gut. Auch B.J. ist noch immer ganz der Alte. Wir stocken im Vorbeilaufen die Munitionsvorräte auf, unsere Lebensenergie regeneriert sich und kann sogar mit Hundefutterdosen kurzfristig über das Maximum gebracht werden. Im Akimbo-Modus mäht Blazkowicz mit zwei Knarren gleichzeitig Dutzende von Gegnern nieder, aber Wolfenstein: The New Order lässt tatsächlich auch andere Spielweisen zu. Überall lassen sich versteckte Schleichwege finden, um die Feinde zu überraschen oder zu umgehen. Bestimmte Spielweisen werden mit Vorteilen belohnt: Stealthkills machen uns leiser, während der dauerhafte Einsatz des Akimbo-Modus die Nachladezeit verbessert.

Auf leisen Sohlen durch das Schloss zu schleichen mag etwas merkwürdig klingen (vermutlich macht allein B.J.s Unterkiefer schon zu viel Lärm), aber für Durchgänge in den höheren Schwierigkeitsgraden könnte das Schleichen schnell überlebenswichtig werden. Im klassischen "Lasst sie kommen"-Modus ist man jedenfalls bestimmt nicht unterfordert. Außerdem tauchen immer wieder Offiziere auf, die sich beim ersten Anzeichen von Ärger zurückziehen und einen Timer für Verstärkung auslösen. Das kann bei planlosem Vorgehen für einige Hektik sorgen. Die ganz brachiale Tour wird dadurch zumindest ein bisschen erschwert, außerdem wird Munition nur auf Knopfdruck eingesammelt. Wer vergisst, nach dem Massaker die Nazi-Leichen zu fleddern, steht im nächsten Kampf schnell mit leerer Waffe da.

Wolfenstein: The New Order
Es dürfte eine epische Action-Ballade der alten Schule werden - stark gescriptet zwar, aber das sorgt auch für die schaurig-düstere Atmosphäre jenseits der ausgelatschten Weltkriegs-Shooter-Pfade.
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Das alte Wolfenstein-Gefühl stellt sich jedenfalls schnell ein. Als ich schon aus der Ferne ein riesiges Gemälde von General Totenkopf ausmache, fühle ich mich wie um zwanzig Jahre zurückversetzt. Natürlich ist es nicht mit einem simplen Knopfdruck vor dem Gemälde getan, um die typischen Geheimgänge zu finden. Aber kurz an der Ritterrüstung daneben gedreht und die versteckte Tür öffnet sich. Gold und Hundefutter - was will man mehr. Hunderte tote Nazis später treffen ich dann endlich auf den sadistischen General Totenkopf. Ein fieser Typ, der zwar nicht mit Christoph Waltz als Hans Landa mithält, aber ganz sicher ein interessanter Gegenspieler ist und uns schnell vor Entscheidungen stellt, die wir nicht treffen wollen.

Letztlich entkommt der General und wir werden schwer verletzt - nach einer Stunde Spielzeit erst startet der eigentliche Vorspann von Wolfenstein: The New Order. B.J. siecht vierzehn lange Jahre in einer polnischen Nervenheilanstalt dahin und kommt erst wieder zu Sinnen, als die Nazis die Anstalt schließen und alle Insassen exekutieren wollen. Darauf hat B.J. natürlich keine Lust und drum haut er ab. Er landet direkt im Jahr 1960. Die Nazis haben die Atombombe entwickelt und so die Herrschaft über die gesamte Welt an sich gerissen. Von Polen aus startet der Held, um sich mit den letzten Widerstandsgruppen zu treffen.

Wolfenstein: The New Order dürfte eine epische Action-Ballade der alten Schule werden - stark gescriptet zwar, aber das sorgt auch für die schaurig-düstere Atmosphäre jenseits der ausgelatschten Weltkriegs-Shooter-Pfade. Das "Was-wäre-wenn"-Szenario wie in Philip K. Dicks Orakel vom Berge fühlt sich jedenfalls erstaunlich frisch an, selbst wenn totalitäre, faschistoide Regime auch in anderen Shootern den Hintergrund bilden. Die doch eher brachiale Action-Achterbahnfahrt bleibt ihren Wurzeln treu und wurde vorsichtig mit neuen Elementen bereichert. Der einzige wirkliche Schwachpunkt ist die unübersichtliche Karte in Verbindung mit oft schwer auszumachenden interaktiven Objekten, die in der Anspielsession immer wieder für Orientierungsschwierigkeiten gesorgt haben. Da könnte gerne noch ein bisschen nachgebessert werden.

Nachdem B.J. einen kompletten Kontrollpunkt der Nazis, inklusive zweier gigantischer Kampfroboter erledigt hat, merkt dieser nur lakonisch an: "So ... ihr seid alle tot und ich fahre nach Berlin." Es dürfte also klar sein, wohin die Reise mit Wolfenstein: The New Order geht.

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