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Forza Motorsport 5

Forza Motorsport 5

Turn 10 liefern mit der Rennsimulationen den stärksten realen Kaufgrund für die Xbox One. Das Spiel zeigt tatsächlich die nächste Generation und lässt sie uns spüren.

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Forza Motorsport 5. Mann, habe ich mich darauf gefreut. Dann das: Das Spiel ist viel zu spät an angekommen, erst Montagmittag durfte ich das Gaspedal durchdrücken. Eigentlich viel zu wenig Zeit. Aber egal, denn theoretisch könnte man auch Wochen spielen, um jeden Wagen erlebt zu haben. Ich hab' in jedem Fall genug gespielt für ein abschließendes Urteil.

Der erste Blick, das erste Rennen, sie verraten gleich alles. Das hier ist die nächste Generation. So muss das aussehen. In Full-HD, superflüssig und ohne Ruckeln fliegen wir im McLaren durch Prag. Das Interior der Cockpitansicht sieht bombastisch aus. Die eigenen Hände spiegeln sich in der Windschutzscheibe, wenn die Sonne im richtigen Winkel draufknallt. Im Rückspiegel rasen die Gegner, auch sauscharf. Der Wagen ist viel zu schnell, ist kaum zu kontrollieren. Man verliebt sich aber sofort, nur um festzustellen, dass es danach im Karrieremodus erstmal in der Sport Compact-Klasse losgeht. Ist für die meisten wohl auch besser so.

Der erste Wagen ist kostenlos, die Auswahl begrenzt. Ich steige in ein BMW 1er M Coupe. Man kriegt zu jedem Wagen nach dem Kauf Design aus der Cloud vorgeschlagen. Oder wählt seine eigenen aus, die man weiterhin aus 3000 Layern zusammenbauen kann. Oder lackiert die Karre in allen Farben der Welt. Oder verchromt sie. Oder wählt mattierte Bronze. Oder Holzfolie. Oder Digitaltarnung. Das 1er M Coupe bin ich im echten Leben übrigens schon im Grenzbereich gefahren, in einem professionellen Fahrtraining. Passt also prima für einen intensiven Test.

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Forza Motorsport 5Forza Motorsport 5
Der erste Blick, das erste Rennen, sie verraten gleich alles. Das hier ist die nächste Generation.

Vor dem Rennen darf man sich das Spielerlebnis selbst einstellen. Eher Arcade oder mehr Simulation, kein Problem. Es läuft wie bei Forza Motorsport 4: manuelle Schaltung, voll simulierte Lenkung, kein ABS - geht alles. Je mehr man in Richtung Simulation neigt, umso stärker wird das mit Boni für die Erfahrungspunkte und dadurch die Credits für neue Autos und Tunigteile belohnt. Neu ist hier der Punkt Drivatar mit acht Einstellungen. Drivatar steht für das großartige Konzept, dass in jedem Karriererennen virtuell 15 echte Mitspieler unterwegs sind, wenn die Xbox One online ist und diese Daten aus der Cloud ziehen darf. Das Spiel nutzt dann deren reale Verhaltensweisen statt der Künstlichen Intelligenz. So viel zur Theorie. Die letzte Drivatar-Einstellung heißt "Unschlagbar" und schenkt einem im Erfolgsfall 65 Prozent Bonus. Ich wähle die Viertstärkste und lege los.

Schon die ersten Rennen untermauern eindrücklich, dass Forza 5 nicht nur irre gut aussieht. Das Fahrgefühl ist einfach fantastisch. Insbesondere in längeren Rennen machen sich die Profieinstellungen stark bemerkbar. Die Reifen nutzen sich ab, werden rutschiger und schwierig zu kontrollieren in den Grenzbereichen, die immer enger werden. Man hat immer wieder das absolut authentische Gefühl, die Reifen würden sich unter der Hitze verbiegen, das Gummi sich in den Asphalt quetschen, während der Motor gierig röhrt und die Hinterreifen nach Grip suchen. Der wirklich gelungene Sound trägt hier seinen großen Teil zu der Erfahrung bei. Man hört quasi genau, wie der Wagen wegdriftet und zwar momentgenau. Dafür muss man natürlich den pathetischen Soundtrack ausstellen. Für den haben sie bei Turn 10 einen unbegabten Pop-Klassik-Komponisten engagiert. Würgs, das geht maximal in den Menüs klar...

Aber zurück zu wichtigen Dingen. Das Schadensmodell ist herrlich umgesetzt. Die Autos zerbeulen sich wunderbar detailliert in hervorragender Abstimmung zur Härte des Einschlags. Ein Rempler ist ein Rempler, hört sich so an und hinterlässt nur optische Spuren. Ein Einschlag ist ein Einschlag. Er zerstört bei aktiviertem Schaden im Zweifel in Sekunden den gesamten Wagen. So wie im echten Leben. Selbst Fensterglas splittert, alles hört sich verdammt real an. Blech knirscht an Leitplanken. Es knallt laut und metallisch bei Kollisionen. Die Wagen heben fies surrend ab, wenn man falsch über die Curbs zieht. Wie sehr in Echtzeit das alles passiert, zeigt in einem Spaßrennen ein herumfliegendes Verkehrschild, dass mir sekundenlang voll die Sicht nimmt, weil es auf der Windschutzscheibe liegt und nicht wegflattern will. Schon sehr cool. Einzig das permanent gute Wetter nervt. Und mit ihm die teils harten Blendeneffekte, die einem gelegentlich einfach den letzten Sehnerv rauben. Bis man mit einem unversehrten Autos als Erster im Ziel ankommt, es wird dauern.

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Forza Motorsport 5
Das Fahrgefühl ist einfach fantastisch. Insbesondere in längeren Rennen machen sich die Profieinstellungen stark bemerkbar.

Das liegt vor allen Dingen auch an den Mitfahrern. Man startet in der Regel hinten im Feld und muss sich durchkämpfen. Das geht selten ohne Feindkontakt, der aber sehr dosiert eingesetzt werden sollte, wenn man mit voll aktiviertem Schadensmodell fährt. Hier kommt sehr wesentlich Drivatar ins Spiel. Fast unmerklich nämlich fährt man gegen die Leute aus seiner Freundesliste. Und deren virtuelle Alter Egos machen merkwürdige Sachen. Sie fahren ungerechte Ideallinien. Bremsen spät, hart und gut, je nach Fähigkeiten der Fahrer. Sie schneiden Kurven, rempeln und machen Fehler. Das ist extrem wertvoll, weil der eigentlich faktisch seelenlose Karrieremodus nun plötzlich total menschlich und lebendig wirkt. Drivatar vermischt Multiplayer und Solospiel auf eine Art, die unwirklich aber unglaublich toll ist.

Der Karrieremodus ist in acht Ligen von Sport Compact bis zu echten Rennwagen eingeteilt. Acht Kacheln hinter denen weitere Events mit zehn bis fünfzehn Rennen warten. Bei den Rennwagen zum Beispiel GT Racing, Prototypen, Indy, F1, 1970er F1 und V8-Supercars. All diese Events werden von den drei Top Gear-Moderatoren Jeremy Clarkson, Richard Hammond und James May angesagt. Was toll ist, Motorsport-Fans wie ich lieben das.

Die Aufgaben sind größenteils normale Rennen gegen 15 andere Fahrer und werden immer wieder durch Spezialevents unterbrochen. Dazu gehören Verfolgungsrennen ebenso wie Überholrennen. Ganz am Anfang muss man auf der Top Gear-Teststrecke einen mit bekloppten Gegenständen vollgestellten Kurs überleben. Später warten Duelle gegen den Toptestfahrer Stiq, Drift-Veranstaltungen oder Geschicklichkeitstests. Ein bisschen merkwürdig ist, dass man im Karrieremodus für Platz 1 bis 3 eine Goldmedaille und volle Erfahrungspunkte kriegt. Das nimmt ein bisschen den Druck, immer Erster werden zu müssen. Leider, finde ich.

Forza Motorsport 5
Das Schadensmodell ist herrlich umgesetzt. Die Autos zerbeulen sich wunderbar detailliert in hervorragender Abstimmung zur Härte des Einschlags.

Das Ligen-System in der Karriere ist einerseits nett, weil es einem erlaubt, sich langsam in den Klassen hochzuarbeiten und ein Gefühl für immer schnellere Wagen zu bekommen. Aber man hat eben auch das Gefühl, gerade anfangs lange in nur einem Wagen gefangen zu sein. Man muss erst ein gutes Dutzend Rennen gewinnen, um sich ein neues, sinnvolles Auto gönnen zu können. Geld verdienen ist weiterhin relativ mühselig.

Natürlich konnten die Anzugträger bei Microsoft nicht widerstehen, hier eine Bezahloption einzubauen. Man kann jederzeit Autos mit Echtgeld kaufen, per Tokens, die in Deutschland Gutscheine heißen. 100 Gutscheine kosten 99 Cent, 20.000 davon stehen für 99.99 Euro im Store. Wer in den F1-Lotus steigen will, muss sich 6 Millionen Credits erspielen oder kann 10.000 Gutscheine hergeben. Das sind 50 Euro. Für ein Auto! Natürlich macht Forza Motorsport 5 keinen Halt vor weiteren Mikrotransaktionen. Man kann Autos kaufen, einzeln oder im Paket, VIP-Zugang zum Multiplayer für 19,99 Euro oder eben die Gutscheine nutzen, um für eine gewisse Zeitspanne mehr Erfahrungspunkte aus den Rennen zu ziehen. Das macht das Spiel kaputt für so manchen Fan und hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Insbesondere dann, wenn im Spiel inklusive aller (noch nicht komplett veröffentlichten) DLC-Wagen nur 200 Autos am Start sind. Und vor allen Dingen nur 14 Strecken verfügbar sind.

Womit wir beim einzigen wirklichen Problem des Spiels sind: der mangelnden Variation. Die 14 integrierten Strecken, die es in diversen Varianten gibt, sind wirklich toll umgesetzt. Sicherlich haben sie dafür die Kurse wie bereits verkündet neu vermessen, jede Bodenwelle persönlich interviewt und jeden Grashalm abgeknickt fotografiert. Aber es schmerzt einfach, wenn der Nürburgring fehlt. Das lindern auch Spa und Abu Dhabi nicht, altbekannte Kandidaten wie Laguna Seca, Silverstone oder Indianapolis erst recht nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass die neuen Strecken nicht als kostenpflichtiger DLC nachgeliefert werden, sondern Turn 10 den Anstand besitzt, diese später kostenfrei einzuspielen.

Forza Motorsport 5
Das neue Drivatar-Konzept vermischt Multiplayer und Solospiel auf eine Art, die unwirklich aber unglaublich toll ist.

Durch die fehlenden Strecken bekommt man schnell das Gefühl, immer wieder die gleichen Kurse zu fahren. Mit langsam schneller werdenden Autos. Dass der Ring, Suzuka & Co. fehlen, weil man einfach noch nicht ausreichend Material für ein gutes Update gehabt habe, kann Producer Dan Greenawalt beteuern so lange er will. Ebenso wie die Tatsache, dass er eben Next-Gen-Qualität habe abliefern wollen und nicht möglichst viel Content. Es wird Fans geben, die dass nicht mitmachen. Es mindert nicht die unglaublich hohe Qualität dessen, was man in und mit Forza Motorsport 5 erlebt. Aber es hinterlässt ein blödes Gefühl. Wer sich angesprochen fühlt, der darf getrost bei der Wertung mental zwei Zähler nach unten gehen.

Wo wir bei blöden Gefühlen sind: Ein anderes Problem wäre da doch noch. Das teure Fanatec-Lenkrad aus Forza Motorsport 4 wird nicht unterstützt und ein Patch dafür scheint Turn 10 nicht machen zu wollen. Ein anständiges neues Lenkrad gibt es noch nicht, auch wenn Mitbewerber mit Hochdruck dran arbeiten. Ich hätte Forza 5 sooooooo gerne mit Lenkrad und Pedalerie inklusive Kupplung gespielt. Am besten mit einem, das die tollen Rumble-Funktionen des neuen Controllers überträgt, der durch die hinteren Trigger für Gas und Bremse erstaunliches Feedback in die Fingerspitzen schickt. Das ist ein völlig neues Spielgefühl, zumindest am Pad.

Nun, dann drehen wir im fetten Multiplayer halt erstmal alle mit dem Controller in der Hand unsere Runden. Dort kann man seinen eigenen Auto nutzen oder Autos leihen, wenn man keine hat für bestimmte Klassen. Leider verdient man dann aber keine Erfahrungspunkte oder Credits. Es ist ein komisches Konzept, aber wohl als Option besser, als gar nicht sofort die schnellen Wagen fahren zu können.

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Natürlich konnten die Anzugträger bei Microsoft nicht widerstehen, einige teils fragwürdige Bezahloptionen für Mikrotransaktionen einzubauen.

Es gibt natürlich normale Rennen, die man nach allen bekannten Parametern individuell einstellen kann. Dazu monatliche Spezialevents, alle Fahrzeugklassen als Ligen und Sonderverantaltungen etwa zum Training für Einsteiger. Der Look des Multiplayers unterscheidet sich nicht vom Solospiel. Alles ist genauso schnell, flüssig und schick. Bei meinen Sessions gab es nur einen komischen Rennabbruch. Offline gehen auch Rennen zu zweit im Splitscreen.

Der Rivalen-Modus ist als Konzept toll. Man fährt subtil immerzu gegen seine Freunde und deren Zeiten. Kann sie und ihre Zeiten jederzeit direkt herausfordern. Im eigenen Rivalen-Bereich sind zusätzlich diverse Herausforderungen gesammelt. Hier kann man in fest fixierten Bedingungen austesten, wer der beste auf einer bestimmten Strecke in einem bestimmten Auto ist. Kleiner Nachteil: Man muss das jeweils geforderte Auto tatsächlich besitzen. Dafür füttert genau den Rivalen-Modus mit all seinen Ranglisten die Fangemeinde und wird sie bei Laune halten. Viele Monate lang.

Im Forzavista-Modus kann man übrigens all jene Autos erkunden, in denen man noch nicht selbst gesessen hat. Alle Wagen im Spiel sind in gleicher Qualität integriert. Forza Motorsport 5 ist am Ende ein Fest für Motorsportfans. Dass man denen Geld aus der Tasche ziehen kann, wissen sie bei Turn 10. Ob sie es dieses Mal übertrieben haben, werden sie in ein paar Wochen wissen.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
unglaublich schicke und schnelle Grafik, großartiges Fahrgefühl, fetter Multiplayer
-
zu wenig Strecken und relativ wenig Autos im Vergleich zum Vorgänger, schlimme Mikrotransaktionen, gruseliger Soundtrack
overall score
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