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Super Mario 3D World

Super Mario 3D World

Mario ist einer der größten Videospielstars und übertrumpft an Wichtigkeit sogar Pac-Man und Lara Croft. Nun soll der Klempner den Verkauf der Wii U ankurbeln.

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Mario hat fast im Alleingang mit Super Mario Bros. die völlig zerstörte Videospielindustrie wieder aufgebaut und mit Super Mario 64 die 3D-Revolution in den heimischen Wohnzimmern eingeläutet. Dennoch musste seine Fangemeinde lange auf den ersten vollwertigen HD-Auftritt des bärtigen Italieners warten. Durch den riesigen Erfolg der Wii blieb Nintendo viel länger als die anderen Hersteller der Standardauflösung treu. Im Startaufgebot der Wii U suchte man vergebens nach ihm. Nun ist es also endlich soweit, mit Super Mario 3D World grinst uns die Miezekatze endlich mit hoch aufgelöstem Fell entgegen. Moment, die Katze?

Die größte Neuerung des Spiels, das ansonsten stark auf Traditionen setzt, zeigt sich schon im Titeldesign. Das "O" im Wort "World" hat nämlich Tatzenform und sieht dadurch fast wie ein luxuriöses Ö aus. Und nach dem Druck auf die Start-Taste schallt dem Spieler ein „Miau!" entgegen. Hintergrund dieser felinen Anspielungen ist das neue Katzenkostüm. Das erweitert die übliche Palette aus Power-Pilzen, Schießlatzhosen und dem Waschbär-Outfit um die Möglichkeit, Kratz-Attacken auszuführen und ein Stück weit Wände hochzugehen.

Wer bis hierher nur Bahnhof verstanden hat, wird es auch im Spiel nicht ganz leicht haben. Nintendo schwänzt nämlich weitestgehend den sonst üblichen Tutorial-Overkill und vertraut einfach darauf, dass den meisten Spielern die Grundmechaniken vertraut sind. An denen hat sich schließlich die letzten knapp 30 Jahre nichts geändert. Das Meiste ist auch wirklich selbsterklärend oder intuitiv begreifbar. Für Neueinsteiger sei daher nur Kurz auf die wichtige Stampf-Attacke hingewiesen, die man im Sprung mit der ZL-Taste einleitet.

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Wir erfreuen uns an der gestochen scharfen Grafik - die Qualität in all ihrer Vielfalt sorgt immer wieder für Staunen.

Ist das Game erstmal gestartet, saugt es uns förmlich ein. Alles geht locker-flockig von der Hand und daran ändert sich die nächsten Stunden auch nichts mehr. Aus der frei begehbaren Weltkarte springt man in die einzelnen Level und erfreut sich an der gestochen scharfen Grafik. Klar, bei Mario geht es eher um einen naiven Cartoon-Look als um Fotorealismus. Und doch ist man immer wieder beeindruckt. Die Texturen und vor allem Materialen sind einfach nahezu perfekt, auch wenn die Kamera mal ganz nah heran kommt. Fairerweise muss man zugeben, dass dies nicht allzu oft passiert. Standardmäßig läuft das Spiel nämlich in einer Art isometrischen Perspektive, also einer Kamerasicht von schräg oben. Kein Garant für spektakuläre Momente. Aber wie gesagt, die Qualität in all ihrer Vielfalt sorgt immer wieder für Staunen. Dass das Ganze in butterweichen 60 Bildern pro Sekunde dargestellt wird, trägt zum hochwertigen Gesamteindruck bei.

Für das Gameplay gelten ebenso hohe Standards. Die Story ist dabei eher beiläufig. Wie immer muss Mario diverse Schlösser stürmen, um hilflose weibliche Wesen zu retten. Dabei handelt es sich diesmal nicht um Prinzessin Peach, weil die ja als spielbare Figur am Start ist. Stattdessen stehen kleine Feen auf der Liste der bedrohten Spezies. In jeder der sieben Welten wartet eine davon auf ihre Befreier und schaltet dann zum Dank den Weg in eine neue Welt frei.

Jede Welt hat ein eigenes Thema wie Eis, Wüste oder Wolken und bietet verschiedene Stationen. Überwiegend sind das die normalen Hüpf-Level, in denen Mario und seine Freunde Luigi, Peach und Toad grüne Sterne sammeln. In der Regel sind es drei pro Level, deren Erreichen bisweilen haarsträubende Sprung-Skills erfordert. Doch auch, wenn man mal ohne Stern am Ziel ankommt, macht man gute Fortschritte auf der Weltkarte. Hin und wieder ist zum Freischalten eines Levels oder Events aber eine bestimmte Anzahl von Sternen nötig. Unter anderem gibt es hier zusätzliche Bosskämpfe, weitere zu sammelnde Stempel, mit denen man dann im Miiversum angeben kann, Spielautomaten für Extraleben sowie die Abenteurer-Toad-Level. Das sind kleine Puzzleaufgaben, bei denen man nicht hopsen kann, sondern volle Kontrolle über die ansonsten ziemlich starre Kamera bekommt. In diesen Abschnitten kann man, genau wie in den Herausforderungen, mal eben fünf bis acht Sterne abstauben und so dem Entriegeln des nächsten gesperrten Levels schnell näher kommen. Vor allem der Zutritt zum letzten Schloss erfordert nämlich doch eine recht stattliche Anzahl von Sternen.

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Super Mario 3D World
Vieles kennt man schon aus den früheren Mario-Spielen, trotzdem wird hier alles ziemlich genial zusammen geführt.

Spätestens dann ist es also Zeit, nochmals bereits besuchte Level abzugrasen. Was in anderen Spielen schnell ermüdend ist, macht man hier sehr gerne. Denn der Wahnsinn ist, dass wirklich jede einzelne Stage ein individuelles Spielelement bietet. Seien es bestimmte Gegner, Fallen, besondere Blöcke oder nur witzige Gadgets, die beispielsweise massenhaft Münzen erzeugen. Vieles kennt man schon aus den früheren Mario-Spielen, trotzdem wird hier alles ziemlich genial zusammen geführt. Nicht zuletzt haben die vier Spielfiguren auch individuelle Stärken. Durch unterschiedliche Sprunghöhen, Lauftempi oder auch Peachs Schwebesprung lassen sich verschiede Techniken anwenden, um an die begehrten grünen Sterne zu kommen.

Dass man eine Spezialfähigkeit auf Vorrat halten kann, um dann zum Beispiel zwischen Feuerschuss und Katzenkostüm zu wechseln, erlaubt weitere taktische Raffinesse. Abwechslung wird jedenfalls wirklich groß geschrieben, was durch Abschnitte in ausgefallenen Kameraperspektiven oder Rutsch-Fahrten auf dem Wasserdrachen Nessi unterstrichen wird. Dazu kommen kleine Gamepad-Einlagen. Mal lassen sich Blöcke durch Antippen verschieben oder Propellerplattformen durch Pusten in den Controller antreiben.

Offensichtlich haben auch andere Spiele wie Rayman Legends als Inspirationsquelle für diese Vielfalt gedient. Aber das ist ja auch nur legitim, wenn man bedenkt, dass Mario ja quasi der Taufpate aller heutigen Hüpfspiele ist. Deutlich wird diese Parallele zu Ubisofts Nintendo-Hit vor allem auch im Vier-Spieler-Modus, der quasi über die gesamte Spieldauer für Mitstreiter offen ist. Dazu lassen sich so ziemlich alle aktuellen Nintendo-Controller anschließen. Statt im Splitscreen zu spielen, teilen wir uns gemeinsam den großen Bildschirm. Das erfordert vor allem in späteren Levels sehr diszipliniertes und vor allem koordiniertes Vorgehen.

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Einer der größten Kritikpunkte des Spiels ist, dass der Multiplayer eher chaotisch konzipiert ist.

Hier liegt allerdings auch einer der größten Kritikpunkte des Spiels. Der Multiplayer ist eher chaotisch konzipiert. Es gibt zwar Koop-Moves wie das Werfen eines Spielgenossen, in der Praxis artet das jedoch oft eher in hektisches Rumgewusel aus. Auf eine Art macht das Vorhandensein von Mitspielern das Erreichen des Ziels einfacher. Denn "gestorbene" werden einfach in Seifenblasen wieder herbeigetragen und solange einer am Leben bleibt, wird man nicht zum letzten Checkpoint zurückgeworfen. Das sind nämlich bisweilen Distanzen, die einen schon mal zum Fluchen bringen können. Natürlich passiert das Gleiche, wenn die Mitspieler sich mal arg dusselig anstellen, denn es schöpfen alle Figuren aus dem gleichen Pool von Leben. Sind die alle, heißt es Game Over - auch wenn das abgesehen vom gekränkten Stolz nicht wirklich Konsequenzen hat. Denn Continue drücken kann man immer.

Generell ist das Spiel aber im Alleingang recht leicht. Nach einigen Fehlversuchen kriegt man serientypisch einen "Super-Tanooki-Anzug" angeboten, mit dem man fast unverwundbar Richtung Ziel schweben kann. Die meisten Gegner, sogar die Bosse, lassen sich darüber hinaus recht einfach erledigen. Und wenn man das passende Extra für ein Level am Start hat, wird es teilweise sogar lächerlich einfach. Da stellen übermotivierte Mitspieler, die einen mal in Abgründe werfen oder mit tragbaren fleischfressenden Pflanzen traktieren, schon die größere Gefahr dar.

Wie gesagt, es ist das offene Multiplayer-Konzept, dass dem Spiel die Bestnoten verhagelt. Denn auch der Singleplayer ist durchgängig stark vom allseits möglichen Einstieg von Mitspielern geprägt. Plattformen und Schalter sind beispielsweise oft ganz offensichtlich von der Größe her für vier Figuren ausgelegt. Nutzbare Objekte liegen meist in Vierergruppen herum, egal wie viele Bärenfallen und "Bitte nicht stören!"-Schilder man vor der Wohnzimmertür aufbaut.

Super Mario 3D World
Das Gefühl, eine neue, fantastische Welt zu entdecken, fehlt ohne eine echte Handlung wie bei Super Mario 64 leider komplett.

Noch gravierender sind allerdings die Einschnitte, die sich dadurch im Gameplay ergeben. Auf Story-Komponenten und Aufgaben, wie sie beispielsweise Super Mario 64 bot, wurde einfach verzichtet, um den Spielfluss nicht zu bremsen. Von der Komplexität eines Paper Mario brauchen wir erst recht nicht zu träumen. Das führt dazu, dass dem Spiel einfach die epische Komponente fehlt. Alles ist schön, aber das Gefühl, eine neue, fantastische Welt zu entdecken, es fehlt leider komplett. Muss bei einem Jump'n'Run aber auch nicht sein.

Natürlich schwebt über allem die Frage, was man von dem Spiel erwartet. Als 3D-Variante von New Super Mario Bros. U sowie als Tribut an die Hüpf-Vergangenheit ist es einfach top. Das wird abgesehen von dem reinen Best-Of der bekannten Spielelemente immer wieder durch nette kleine Retro-Sounds und Sprites unterstrichen. Und natürlich durch die versteckte Mario Bros.-Emulation mit dem Titel Luigi Bros., die wirklich nett ist.

Trotzdem wartet man als Fan der Wii U schon lange auf den ultimativen System-Seller, das Must-Have, mit dem Nintendo mal wieder der Konkurrenz zeigt, wo der Hammer hängt. Super Mario 3D World ist das vermutlich nicht. Die Tatsache, dass das Gamepad neben dem üblichen Off-TV-Feature fast gar nicht genutzt wird, ist dabei besonders enttäuschend. Das unterstreicht mal wieder die leichte Orientierungslosigkeit von Nintendo bei der Wii U. Unsere knappe 9er-Wertung soll darum bitte unbedingt als Ansporn verstanden werden. Da geht noch was!

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
tolle Mario-Elemente, blitzsaubere Grafik, unkomplizierter Spielspaß
-
hektischer Multiplayer, wenig Gamepad-Features, nicht der erhoffte Überhammer
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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