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Pro Evolution Soccer 2012

Pro Evolution Soccer 2012

"Ich denke, in Sachen Gameplay werden wir sie zerstören." Das waren die vollmundigen Worte von Jon Murphy, dem europäischen PES-Teamleiter. Doch hat da das neue PES bei den vielen Auszeichnungen, die FIFA 12 bereits im Vorfeld eingesackt hat, überhaupt eine Chance? Ich sage: Oh, ja!

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Die ersten paar Sekunden in Pro Evolution Soccer 2012 steuern sich nicht großartig anders, als beim Vorgänger. Als erster Unterschied fällt auf, dass die erhöhte Spielgeschwindigkeit nun zum Standard geworden ist. Die Dribblings sind immer noch sehr leicht zu handhaben, aber dem Vorjahr gegenüber doch etwas schwieriger. Im letzten Jahr war es doch manchmal etwas zu leicht mit einem guten Spieler einfach durch die Abwehr zu spazieren. Heute ist das anders.

Das Schießen, Passen und Flanken geht jetzt sogar noch besser von der Hand als beim Vorgänger. Dem Spiel ist ist die Feinarbeit an der Steuerung förmlich anzumerken. Mein persönlicher Favorit ist und bleibt der gelupfte Steilpass. Der fühlt sich einfach nur großartig an und erlaubt tödliche Zuspiele im besten Barcelona-Stil. Wer mit der totalen Kontrolle nicht ganz zurecht kommt, kann einstellen, in wie weit das Spiel ihm beim Passen unterstützt.

Dem Spielgefühl ist sehr zuträglich, dass die Spieler nicht lange brauchen um den Ball zu passen oder zu schießen. Das Aufladen der Schusskraft geht dazu unheimlich fix. Das sorgt in Kombination mit der Spielgeschwindigkeit dafür, dass hier sehr schneller Fußball gespielt wird. Ganz so wie es sein soll. Was eher negativ auffällt, sind die teils sehr dummen Torhüter. Zu oft tauchen sie unter unseren Bällen hindurch, um haltbare Bälle regelmäßig an sich vorbei zischen lassen.

Pro Evolution Soccer 2012
Das Schießen, Passen und Flanken geht jetzt sogar noch besser von der Hand als beim Vorgänger.
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Was die Entwickler in Pro Evolution Soccer 2012 außerdem immer noch nicht auf die Reihe bekommen, ist eine intelligente Spielerauswahl auf dem Feld. Beim Spiel allein funktioniert es noch, nicht aber bei einem zweiten, menschlichen Spieler in unserem Team. Sprintet unser Kamerad die Außenlinie entlang, um dann in den Strafraum zu flanken, so ist es oft unmöglich für uns den Stürmer im Sechzehner anzuwählen. Das ist einfach nur dumm, unlogisch und ärgerlich.

Eine der großen Neuerung in Pro Evolution Soccer 2012 sind die neuen Animationen. Nicht nur, dass die Bewegungen der Spieler nun besser aussehen als jemals zuvor, die Spieler beherrschen auch deutlich mehr davon. Wie die Spieler schießen, in den Zweikampf gehen, sich in Bälle werfen, all die neuen Animationen sehen unheimlich gut aus und bereichern das Spiel. Wo früher die Spieler nicht zu wissen schienen, wie sie Bälle annehmen oder abwehren sollten, packen sie jetzt ganz neue, gelegentlich auch sehr artistische Moves aus.

Beim drücken der Tackling-Taste passiert es recht oft, dass wir einfach in den Gegner reinrennen und damit Fouls verursachen. Um dem Gegner auf diese Weise gekonnt den Ball abzunehmen, ist eine ordentliche Portion Timing von Nöten. Manchmal ist man mit einer Grätsche einfach besser bedient. Geht es etwas hektischer zu, wird das Spiel durch diese kleinen Fouls sehr oft unterbrochen und der Spielfluss gestört. Das nervt ab und an.

Pro Evolution Soccer 2012
Wie die Spieler schießen, in den Zweikampf gehen, sich in Bälle werfen - die neuen Animationen sehen unheimlich gut aus.
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In der Preview Version gab es ein Problem, was mir einige Sorgen bereitete. Fouls im Strafraum, die mittels Tackling-Taste verursacht wurden, hat der Schiedsrichter einfach nicht gepfiffen - ein absolutes No-Go. Doch bereits nach wenigen gespielten Minuten, lösten sich meine Sorgen auf. Ich ziehe dribbelnd in den Strafraum, schlage einen Haken, mein Gegner fährt mir ungeschickt in die Beine und mein Spieler fällt. Elfmeter. Das ist zwar etwas hart, aber eine gute Lösung.

Eine Idee, die ihren Ursprung in der FIFA-Reihe hat, ist das Teammate Control. Im assistierten Modus animieren wir unsere computergesteuerten Mitspieler zu einem schlichten Sprint nach vorne. Dazu bewegen wir den rechten Analogstick in Richtung des gewünschten Spielern und drücken den Stick. Das ist an sich ganz hilfreich, aber aus vielerlei Hinsicht etwas unhandlich. Zum einen ist es bereits kompliziert einen geneigten Stick zu drücken, zum anderen benutzen wir dafür den Daumen, mit dem wir den sich freilaufenden Spieler anspielen müssen. Hier das richtige Timing hinzubekommmen ist ziemlich schwierig.

Ist Teammate Control auf manuell gestellt, erhalten wir die komplette Kontrolle über einen Mitspieler, statt ihn nur nach vorne zu schicken. Eigentlich ist das ja ein nettes Feature, doch es ist einfach unheimlich schwer, sich auf gleich zwei Spieler zu konzentrieren. Auch hier müssen wir unseren überlebenswichtigen rechten Daumen opfern, und das sogar dauerhaft. Aber wer weiß, vielleicht findet das ja bei den Fans Anklang. Ich frage mich allerdings ernsthaft, warum so ein Feature überhaupt nötig ist, wenn die Kameraden so intelligent sind, wie Konami immer wieder behauptet.

Pro Evolution Soccer 2012
Bei der Stadionatmosphäre hat die Serie gegenüber FIFA noch einen riesigen Nachholbedarf.

Die Active AI, so nannte Konami die Intelligenz-Spritze für die virtuellen Kicker, sollte nämlich dafür sorgen, dass unsere Mitspieler ein viel besseres Verständnis für Laufwege und sich öffnende Räumen haben. Das klappt zwar nicht immer, dafür aber an manchen Stellen umso beeindruckender. An einigen Stellen flitzten die Kollegen in Abwehrlücken, die selbst meinem geschulten Auge entgangen waren. Aber persönlich erstaunte mich am meisten, dass sich so manches Zusammenspiel anfühlte, als hätte ich einen zweiten Spieler an meiner Seite.

In der Defensive fällt das neue Spielverständnis der Spieler noch deutlicher auf. Versuchen wir uns für einen Pass freizulaufen, so kleben die Verteidiger förmlich an uns. Im Become a Legend-Modus, wo wir uns nicht zwingend auf den Ball konzentrieren müssen, fällt das natürlich ganz besonders auf. Wer hier einen Stürmer spielt, wird so seine Schwierigkeiten haben. Oftmals bedurfte es dutzender Richtungswechsel, bis wir anspielbar waren.

Ich wiederhole mich mit meiner Kritik hiermit zwar zum x-ten Mal, aber das Aufstellungsmenü bleibt für mich einfach schizophren. Einerseits geht das Aufstellen der Spieler und Bearbeiten der Positionen so leicht von der Hand wie nur irgend möglich, es bleibt aber zugleich denkbar unübersichtlich. Stärke, beste Postion, und Tagesform sind nie gleichzeitig sichtbar, sondern erst nach dem Umschalten mit der Schultertaste. Zusätzliche Informationen über die Spieler bleiben im Untermenü versteckt.

Pro Evolution Soccer 2012
Was eher negativ auffällt, sind die teils sehr dummen Torhüter, die haltbare Bälle durchlassen.

Der Become a Legend-Modus versteckt sich wie auch die Meister-Liga unter dem Menüpunkt "Welt des Fußballs" und hat sich nicht grundlegend verändert. In erster Linie hat man hier an der Präsentation des Ganzen gearbeitet. Vor jedem Spiel führen wir ein Gespräch mit unserem Agenten, der anfangs noch als Tutor für das Menü fungiert und uns später in erster Linie mit Informationen versorgt. Auch die Taktik-Besprechung in der Kabine erleben wir jedes Mal mit, allerdings können wir Agent und Trainer nie hören, sondern folgen ihren Worten nur per Untertitel. Das ist zwar alles ganz nett, aber nicht notwendig. Vielleicht traut sich Konami ja irgendwann, die Leute auch mal sprechen zu lassen.

Zu den Lizenzen: Auch wenn im spanischen Fußball mittlerweile nur noch zwei Vereine wirklich relevant sind, ist es doch schön La Liga wieder mit allen Vereinsnamen und -logos genießen zu können. Deutsche Fußballfans können sich immerhin über Bayer Leverkusen und den FC Bayern München freuen. Der deutsche Meister Borussia Dortmund hat sich für einen Exklusiv-Deal mit EA entschieden und ist leider nicht dabei. Fans des englischen Fußballs finden leider nur zwei lizenzierte Vereine. Manchester United und Tottenham Hotspur. Wieder mit dabei sind auch die Champions League und die Copa Libertadores, was eine wirklich großartige Sache ist. Nachteil daran ist nur, dass die meisten der darin enthaltenen Vereine nur in dem entsprechenden Modus spielbar sind.

Wenn PES in irgendeiner Hinsicht nie den Vergleich zur großen Konkurrenz scheuen musste, dann ist es die Grafik. Als ich vor kurzem einem großen FIFA-Fan das neue PES zeigte, kam dieser aus dem Staunen nicht mehr heraus. Pro Evolution Soccer 2012 sieht einfach nur großartig aus. Das kommt selbstverständlich erst in Wiederholungen und Zwischensequenzen zur Geltung. Den Spielern läuft der Schweiß über die Stirn, am Hals zeichnen sich Sehnen und Adern ab und ihre Gesichtsausdrücke sind in der Regel gelungen. Dazu kommt, dass sie ihren Vorbildern wie aus dem Gesicht geschnitten sind.

Pro Evolution Soccer 2012
Spielern läuft Schweiß über die Stirn, am Hals zeichnen sich Sehnen und Adern ab und Gesichtsausdrücke sind meist gelungen.

Bei der Stadionatmosphäre hat sich in akustischer Hinsicht leider nicht viel getan. Hier hat die Serie gegenüber FIFA noch einen riesigen Nachholbedarf. Der Kommentar ist zwar wiederum deutlich besser, allerdings ist auch hier noch viel Platz nach oben. Witzigerweise scheint es ein Ritual bei Fußballspielen zu sein, regelmäßig einen Kommentar einzubauen, der auf die Dauer nervt. Bei Pro Evolution Soccer 2012 beschwert sich Wolf Fuss etwas zu oft über Bälle, die mitten im Tor einschlagen und nicht gehalten wurden. Ganz gleich, wo der Torwart zu diesem Zeitpunkt war.

In Pro Evolution Soccer 2012 wird schneller Fußball zelebriert. Das schnelle Spiel und die schnelle Pässe sorgen für den Großteil des Spielspaßes. Schade, dass sich solch ärgerliche Mängel wie die dummen Torhüter eingeschlichen haben. Doch Konamis aktueller Ansatz, nicht immer das Rad neu erfinden zu wollen, sondern vor allem Mängel auszumerzen, macht Hoffnung - zumindest, wenn sie diesen Weg denn beibehalten. Trotz der Mängel komme ich nicht drum herum es zu sagen: Pro Evolution Soccer 2012 ist das beste PES der aktuellen Konsolengeneration.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Großartiges Spielgefühl, hohes Tempo, tolle Animationen, wunderschöne Optik, hoher Detailgrad
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Dumme Torhüter, schlechte Spielerauswahl, schizophrenes Aufstellungsmenü, schwache Stadionatmosphäre
overall score
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