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Dead Island

Dead Island

Wer geglaubt hat, dass Mücken, aufdringliche Straßenverkäufer und kaltes Wasser das Schlimmste sind, was uns im Urlaub passieren könnte, der sollte diese Einstellung noch einmal überdenken. Dead Island verspricht eine viel schreckliche Pauschalreise mit etwas fragwürdigen Reisebegleitern...

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Überall liegen Taschen verstreut. Ich laufe herum und hoffe, irgendwo dazwischen etwas Nützliches zu finden - wie so oft seit gestern. Die Leute haben Espadrilles, ihre Badesachen und Sonnenschutzcreme mit Lichtschutzfaktor 12 dabei. Genau die Sachen eben, von denen sie glaubten, dass sie diese für ihren Bungalow am Strand von Banoi im Südpazifik brauchen könnten. Aber wie falsch sie damit doch lagen. Schlagringe, eine Axt oder ein Schlauchboot wären die bessere Wahl gewesen. Banoi ist die Hölle auf Erden. Hier nippen nicht Touristen ihre Drinks am Strand, sondern es gibt jede Menge Zombies, die nichts weiter wollen, als Gehirn zu schlemmen.

Plötzlich höre ich schweres Atmen und erst jetzt verstehe ich, warum sich Gordon Freeman seinerzeit so verzweifelt an seine Brechstange klammerte. Um mich herum sind fünf halb verweste Untote und ich schwinge das Eisen um mein Leben. Immer mehr von diesen Typen kommen und ich glaube, das Beste ist es sich auf und davon zu machen. Ich habe versprochen, einem schwerkranken Diabetiker Insulin zu beschaffen und Autoteile für einen Mechaniker zu sammeln. Auf der ganzen Insel gibt es Menschen, die den Zombies entkommen sind und sie alle haben gemeinsam, dass sie Aufträge und Arbeit für mich haben. Damit kann ich leben, weil es dafür Geld und Erfahrungspunkte gibt, das mich beides zu größeren, schwerer zu beschaffenden Waffen bringt.

Dieser Teil von Dead Island gibt mir fast das Gefühl, in einem Rollenspiel zu sein. Denken wir zum Beispiel an die ersten kleinen Schritte, wenn wir in The Elder Scrolls IV: Oblivion aus der Höhle stolpern. Ich baue meinen Charakter auf, sammele wie ein Besessener Beute, kaufe Waffen, bessere meine Ausrüstung auf und mache mich wider jeder Vernunft an Trivialitäten auf der von Zombies besetzten Insel. Dazu gehört genauso Wasser für alte Damen zu besorgen wie auch erwachsene Menschen zu eskortieren, die auch gut auf sich allein aufpassen können.

Dead Island
Es gibt wenige echte Waffen auf Banoi, meist müssen wir improvisieren und uns selbst etwa zusammenbauen.
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Die Menge an Missionen in Dead Island ist am Anfang nicht zu überblicken und die Freiheit auf der großen Insel ist wirklich enorm. Ein bisschen hängt es auch davon ab, für welchen der vier Charaktere wir uns entscheiden. Jeder hat andere Stärken und Fähigkeiten und wir entscheiden, wie sich das Spiel entwickeln soll. Allerdings sich die Unterschiede marginal und wir sind schnell in Gruppen eingebunden, denen es nach dem Ausbruch gelungen ist, eine Art Überlebensplan aufzustellen.

Der bequemste Weg, um auf Banoi seine Probleme aus der Welt zu schaffen, ist es mit bis zu drei Freunden zu spielen. Die machen den Zombie-Wahnsinn ein wenig erträglich und es fühlt sich deutlich logischer an, die volle Unterstützung auf der Insel bei sich zu wissen. Man kann sich leicht in andere Onlinespiele ein- und wieder ausklinken und der schicke Multiplayer weiß auch, auf welchem Level sich andere Mitspieler gerade befinden und wie weit sie sich im Abenteuer vorgearbeitet haben - darauf weißt uns das Spiel dann auch explizit hin. Ein cleveres Feature, dass auch andere immer übernehmen sollten.

Trotz viele Qualitäten ist im Spiel nicht alles rosig. Das was beispielsweise nur selten wirklich gut klappt, ist der Nahkampf aus der Egoperspektive - und auch Dead Island hat damit echte Probleme. Nicht, dass es wirklich eine Rolle gespielt hat, aber eine hundertprozentige Kontrolle hatte ich über meine mit Nägeln bestückten Paddel, Keulen und andere Dinge nie. Das ist wirklich das Wichtigste, an dem Techland für einen Nachfolger arbeiten sollte - auf den ich doch schwer hoffe. Denken wir nur an Borderlands mit all seinen Problemen, aber es hat trotzdem Spaß gemacht und man hatte einfach ein gutes Gefühl dafür, wie es funktioniert. Das Potenzial hinter all diesen grundsätzlichen guten Ideen in Dead Island ist jedenfalls enorm.

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Leute in Not zu retten bringt Belohnungen, neue Missionen, mehr Waffen und manchmal ist es auch nötig, um die Handlung voranzutreiben.
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Glücklicherweise sind die Kämpfe in Dead Island aber nie ein großes Problem. Das Spiel konzentriert sich stattdessen auf das Erkunden. In den meisten Fällen können wir wählen, ob wir in die Konfrontation gehen oder uns lieber vorbeischleichen. Sich ein wenig Gedanken über die Aufgaben zu machen, könnte aber auch nicht schaden. Es ist einfach komisch, wenn wir, wie bereits erwähnt, einer alten Dame Wasser bringen sollen, obwohl ihr Apartment voller Energy-Drinks ist. Oder dass eine massive Eisenstange bereits nach drei bis vier Zombies einfach so verschlissen ist.

Es dauert etwa eine Stunde, bevor Dead Island wirklich zündet. Problematisch, weil man es eigentlich schon nach dem ersten merkwürdigen Patzer beiseite legen mag. Langsam aber sicher steigen wir dann aber dahinter, erkennen das freie Leveldesign, das wir mit unseren besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten nutzen können. Es ist auch möglich, sich eigene Waffen zu basteln und diese zu verbessern. Der Teil wird dann zum Spiel im Spiel und wir sehen uns schon silbernes Klebeband, Nägel und so weiter sammeln, um daraus wie MacGyver eine tödliche Waffe zu basteln.

Zufriedenheit stellt sich ein, wenn wir aus dem Versteck wagen, um eine neue Erfindung auszuprobieren. Es macht Spaß, all die Zombies mit gezielten Angriffen in ihre Einzelteile zu zerlegen und es ist ein großer Spaß, wenn wir gelernt haben, richtig zu werfen und ins Schwarze zu treffen. Überall warten die Viecher auf uns, es gibt etliche Schockmomente. Dead Island ist so ein Spiel, bei dem wir einfach nur irgendwo in ein Badezimmer gehen und es gut sein kann, dass dort eines dieser Monster wartet, nur um uns Sekunden später lauthals ins Ohr zu brüllen.

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Sogar Zombies können offenbar ein erfrischendes Bad genießen und ehrlich gesagt sind uns die sogar lieber, als ein paar kreischende Gören, die in den Pool pinkeln.

Generell ist es nie ganz leicht zu wissen, ob ein Untoter nun wirklich tot ist. Es kann beispielsweise sein, dass dort etwas ziemlich hinüber auf einer Bank liegt, aber sobald wir vorbeizogen sind, hängt es uns am Hals. Andere wiederum sind tatsächlich genauso tot, wie wir es gern hätten. Schön, dass wir eine Menge Waffen in verschiedenen Größen und Formen mit uns herumtragen, um es im Zweifel einfach darauf ankommen zu lassen.

Techland ist übrigens ein erstaunlich gutes Abbild von einem Südsee-Paradies geglückt. In den Momenten, in denen wir keine verfallenen Körper herumliegen sehen oder Blutspritzer und Zombies das Panorama versauen, ist Banoi unglaublich schön. Man läuft gern ein wenig herum und bewundert die schöne Landschaft. Blumen anschauen, Strandspaziergänge machen oder dem durstigen Blick hinter leere Bars huldigen, die zwischen den vielen Hütten errichtet wurden - weniger Meter ins Wasser hinein und nur durch eine malerische Holzbrücke zu erreichen.

Richtig, das was es so bedrückend macht, sind wilde Zombies, die wir bei unseren Streifzügen sehen und die versuchen - in Hütten, Häuser oder auch Autos einzudringen. Das sind ziemlich gute Anzeichen dafür, dass es dort noch echte Menschen gibt. Menschen, die garantiert auch etwas zu verkaufen oder einen Auftrag für uns haben. Aber manchmal, ohne das es irgendwie stört, passiert genau das Gegenteil. Zombies sind damit beschäftigt, sich gegenseitig zu fressen, sie sind tot oder atmen einfach nur grässlich, wie sie es für gewöhnlich tun. Und genau das macht Banoi zu einem so glaubwürdigen Ort, mit herrlichem Sonnenschein bei 37 Grad und trotzdem so einschüchternd.

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Banoi, im Auto erkundet - leider macht das nie Spaß, weil die Physik doch so einiges zu wünschen übrig lässt.

Weniger gelungen ist dagegen, dass die Feinde immer dann im Level steigen werden, wenn wir das auch tun. Sicher, ich habe mich mit Level Fünf viel stärker gefühlt, als noch mit dem mickrigen ersten Level, aber das hilft wenig, wenn Techland mir stattdessen größere und stärkere Zombies vorsetzt. Ich habe auch keine wirklich gute Idee, wie man das Ganze stattdessen lösen sollte und natürlich macht es Spaß, dass ich nebenbei auch Zugriff auf mehr und mehr Waffen habe, die mich stärker machen. Aber das Aufleveln verliert doch ein wenig seinen Sinn und ich wünschte, dass es einen anderen Weg gibt, die Herausforderungen im Verlauf zu erhalten.

Obwohl die Variabilität des Spiels etwas geopfert wird, die Aufgaben gibt es weiterhin - meist weil wir Dinge herunterladen müssen oder gelegentlich jemanden eskortieren. Insbesondere die Eskorten sind unglaublich schwer, weil wir offenbar einen komplett Hirntoten beschützen müssen. Es scheint so, als hätte Techland diesen Personen dieselbe Künstliche Intelligenz spendiert wie ihren Zombies - was sicher nicht die Intention gewesen ist. Es gibt gelegentlich auch Aufträge, in denen wir ein Auto fahren. Die Physik ist nicht besonders gut und die Bezeichnung "Schrottkarre fahren" wäre treffender. Eigentlich macht es ehrlich gesagt überhaupt keinen Spaß. Und das ist eigentlich schon wieder eine Leistung, denn wie viel Freude würde es machen, mit Jeep durch eine Horde Zombies zu feuern.

Und um noch einmal auf das Design zurück zu kommen, mit dem Techland wirklich gute Arbeit abgeliefert hat. Gerade die PC-Versin liefert eine Menge Wow-Momente, in denen wir Design und Technik der Chrome Engine genießen. Andere Teile indes wie etwa die Untoten selbst sehen langweilig aus - als wären sie aus Karamellsauce und Hundefutter gebaut. Wirklich sehen müssen wir das aber glücklicherweise nur, wenn sie uns sehr nahe kommen. Dann zum Beispiel, wenn uns einer anspringt und am Hals zu knabbern beginnt.

Am Ende hatte ich viel Spaß mit Dead Island - einem Haufen Bugs zum Trotz. Einen dunklen und blutverschmierten Bungalow mit Strohdach zu betreten, der nur vom Flackern eines Fernsehers beleuchtet wird, während das Meer im Hintergrund rauscht und ein leises Röcheln zu hören ist - das ist schön großartig. Techland hat bei der Grafik einen guten Job gemacht und man kann fast den Geruch der Zombies spüren wie er durch den Bildschirm dringt. Kurz gesagt, Zombies sind wie üblich die perfekte Reisebegleitung für einen echten Hardcore-Spieler.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
viel Freiheit, wunderschöne Orte, vollgepackt mit Zombies, großartige Waffenauswahl, viele Aufgaben
-
schlechter Nahkampf, wenig Abwechslung bei Aufgaben, miese Physik beim Autofahren
overall score
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Wer glaubte, dass Mücken und aufdringliche Straßenverkäufer das Schlimmste im Urlaub sind, war noch nicht auf Banoi.



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