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Remember Me

Remember Me

Eine großartige, technoid-esoterische Action-Ballade, die trotz ihrer Schwächen unbedingt zu empfehlen ist.

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Wir schreiben das Jahr 2084. In der gigantischen Metropole Neo-Paris wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer. Die Mega-Corporation Memorize hat ein Gehirn-Implantat mit dem Namen Sensation-Engine, kurz Sensen, entwickelt und damit große Teile der Bevölkerung unter ihre Kontrolle gebracht. Das Sensen-Implantat ermöglicht es, seine eigenen und auch die Erinnerungen anderer immer wieder zu erleben oder zu verändern. In Neo-Paris sind Erinnerungen längst die neue Währung.

Der übermäßige Genuss der süchtig machenden Erfahrung hat allerdings fatale Folgen: Das Gehirn degeneriert und in den Katakomben unter Neo-Paris wimmelt es nur so von den so genannten Leapern, den ehemaligen Sensen-Junkies. Aber eine kleine Gruppe von Widerstandskämpfern, die den schönen Namen Errorists tragen, hat dem Überwachungssystem den Kampf angesagt.

In der Cyberpunk-Story von Remember Me schlüpfen wir in die Rolle der Memory-Hunterin Nilin. Die ehemalige Agentin der Memorize-Corporation ist Nahkampf-Expertin und darauf spezialisiert, Erinnerungen zu stehlen oder zu remixen. Als sie bei einem Auftrag eine Amnesie erleidet, will Memorize ihr Gehirn einem fatalem Reboot unterziehen. Die Erroristen verhelfen ihr zur Flucht und Nilin wird mit ihren Fähigkeiten und ihrem Insider-Wissen zum Messiahs der Widerstandsbewegung.

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Wir steuern Nilin aus der Third-Person-Perspektive und die wichtigsten Gameplay-Elemente sind der Nahkampf und die Parkour-artigen Kletterpassagen.

Wir steuern Nilin aus der Third-Person-Perspektive und die wichtigsten Gameplay-Elemente von Remember Me sind der Nahkampf und die Parkour-artigen Kletterpassagen. Das Kampfsystem ist stark von Rocksteadys Batman inspiriert. Mit zwei Tasten werden die unterschiedlichen Attacken ausgeführt und eine kleine Anzeige signalisiert bevorstehende Angriffe der Gegner. Die Kämpfe sind ein Ballett aus flüssigen Moves, während wir von Angreifer zu Angreifer springen und mit akrobatischen Bewegungen den Attacken ausweichen. Mit dem richtigen Timing lassen sich die einzelnen Schläge zu den klassischen Combos ausbauen, die mit jedem weiteren Angriff immer verheerender werden. Durch ihre Amnesie erinnert sich Nilin nur langsam wieder an ihre Fähigkeiten und mit der Rückkehr ihres Gedächtnisses kommen auch die Erinnerungen an komplexere Techniken wieder.

Diese Techniken heißen in Remember Me Pressens und sind in vier Kategorien eingeteilt. Power für Schaden, Regen zur Heilung, Chain verstärkt die Wirkung vorangegangener Attacken und Cooldown verkürzt die Zeit, bis die S-Pressens wieder zur Verfügung stehen. Das sind besonders mächtige Attacken wie eine Logik-Bombe, die mehreren Feinden gleichzeitig Schaden zufügt oder uns für kurze Zeit tarnt, um Gegner mit einem einzigen Schlag ausschalten zu können.

Die Pressens dürfen wir im Kombo-Labor selbst zuordnen. Nach und nach schalten wir vier Combos frei, die von drei bis acht Schlägen reichen. Die Tastenbelegung ist vorgegeben, aber die Pressens dürfen wir selbst bestimmen, was ungeahnte taktische Möglichkeiten eröffnet. Die Achter-Kombo ist schwer auszuführen, ohne zwischendurch selbst einen Treffer einzukassieren. Aber wenn dort die Chain-Pressens im letzten Slot verankert werden, wird der erfolgreiche Abschluss der Reihe auch stärkste Gegner in die Knie zwingen. Dazu vielleicht Regen-Pressens in die kurze Kombo, um sich in Bedrängnis schnell regenerieren zu können. Die variantenreichen Feinde zwingen uns auch zu Experimenten im Labor. Es gibt Gegner, die sich im Kampf teleportieren und nur mit einem S-Pressens oder einer Lichtquelle daran gehindert werden können. Also ist der Cooldown wichtig. Andere haben ein Schutzschild, das dafür sorgt, dass wir bei jedem Schlag selbst Schaden nehmen. Ohne Regen-Pressen haut man sich so schnell selbst bewusstlos.

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Remember Me
Die Kletterpassagen sind hübsch anzusehen, aber leider keine Herausforderung.

Roboter sind gänzlich immun gegen unsere Schläge und Tritte. Hier helfen nur die S-Pressens oder der Spammer. Das ist eine Art Handschuh, mit dem wir Energie verschießen können, der im Laufe des Spiels noch um zwei weitere Stufen ausgebaut wird und es ermöglicht, Schlösser zu knacken oder elektronische Geräte aus der Ferne zu manipulieren. Später im Spiel kommt der Spammer auch bei einigen Rätselpassagen mit verschlossenen Türen zum Einsatz, die gerne noch etwas komplexer und häufiger hätten ausfallen dürfen.

Die Kletterpassagen sind hübsch anzusehen, aber leider keine Herausforderung. Ständig wird einem der nächste Vorsprung mit einem prominent platziertem gelben Pfeil angezeigt und so müssen diese Passagen förmlich nur abgearbeitet werden und dienen hauptsächlich dazu, uns mit cineastischer Kamera die volle Pracht von Neo-Paris zu zeigen. Und die ist tatsächlich beeindruckend. Jede Menge kleinste Details machen die Blade Runner-Version von Paris zu einem aufregenden Ort. Einkaufstütentragende Bots in den Vierteln der Reichen. Graffitis und Unmengen von Müll in den Niederungen von Slum 404. Und über allem blinken die obligatorischen Neon-Tafeln. Es juckt einen ständig in den Fingern, auf Entdeckungsreise zu gehen, doch genau das ist in Remember Me unmöglich. Noch linearer als hier könnten die Level kaum strukturiert sein. Es muss bestimmt nicht jedes Spiel ein Open-World Konzept verfolgen, aber bei Remember Me ist es eine verpasste Chance, die einem ständig neu bewusst wird, gerade weil es so schön ist und die richtigen Elemente schon integriert wären, um den Spieler trotzdem zu leiten.

Die Szenen, in denen wir Schlüsselfiguren ihre Erinnerung stehlen, lassen uns quasi einer Art Geist folgen, den wir beeinflussen können. In den linearen Umgebungen ist das aber eigentlich völlig unnötig. Remember Me hat generell zu wenig Vertrauen in den Spieler. Zu viele Hinweise bei den Kletterpassagen, Zusatzinfos bei den Bosskämpfen und selbst ein Großteil der vielen Extras, die es zu sammeln gilt, wird uns häufig auf einem Holodisplay als Foto des kaum geheimen Verstecks in unmittelbarer Nähe gezeigt. Dazu kommt noch, dass keinerlei Backtracking möglich ist. Einmal durch die falsche Tür gezwängt, bleibt der Rückweg für immer verschlossen und man kann nie vorher wissen, ob man gerade in die obligatorische Sackgasse mit dem Power-Up läuft oder die nächste Szenerie betritt. Das ist wirklich extrem ärgerlich.

Remember Me
Eine großartige, technoid-esoterische Action-Ballade, die trotz der Schwächen unbedingt zu empfehlen ist.

Die vielen verschiedenen Gameplay-Elemente sind eigentlich toll und gerade deshalb fällt einem an so vielen Stellen das verschenkte Potenzial auf. Das andere große Feature von Remember Me sind die Memory-Remixe. Auf den ersten Blick lahme interaktive Videos, aber dank des sparsamen Einsatzes tatsächlich ziemlich cool. An vier Stellen im Spiel müssen wir die Erinnerung von Schlüsselfiguren zu unseren Gunsten ändern. Wir hacken uns in ihr Gehirn und sehen uns zunächst die tatsächlichen Ereignisse an. Danach können wir das Segment nach belieben vor- oder zurück spulen und uns auf die Suche nach Memory-Glitches machen - eine guten Handvoll Gegenstände, die wir manipulieren können und die dann die folgenden Ereignisse verändern.

Dabei ist erstmal nicht offensichtlich, welche Kombination von aktivierten Glitches zum Erfolg führt. Die Experimente mit dem unterschiedlichen Ausgang sind interessant und sehen extrem cool aus - besonders bei einem Szenario, in dem wir während einer nächtlichen Autofahrt kurz vor einem tragischen Unfall die Inneneinrichtung des Autos manipulieren und die Kamera um das Fahrzeug und die Insassen kreist und spektakuläre Lichteffekte zaubert. Eine wirklich schöne Idee, die in der richtigen Dosierung interessant bleibt und die Geschichte vorantreibt.

Remember Me ist selbst der große Remix - und das ist hier absolut als Kompliment gemeint. Man merkt dem Spiel an, dass die Entwickler viel Liebe zum Cyberpunk-Genre und zu Videospielen im Allgemeinen einfließen lassen haben. Kaum ein Film, der nicht mit liebevollen Details zitiert wird. Ob Blade Runner, Inception, A.I., I Robot oder Videospiele wie Rocksteadys Batman, Assassin's Creed und Mirror's Edge, alles ist sichtbar, aber Remember Me wirkt trotzdem nie wie ein Plagiat. Alles versteht sich eher als große Verbeugung und Remember Me hat dazu noch viele kleine eigene Ideen. Insgesamt ist es leider ein wenig kurz geraten und verschenkt an vielen Stellen sein Potenzial. Trotzdem ist Remember Me eine großartige, technoid-esoterische Action-Ballade, die trotz der Schwächen unbedingt zu empfehlen ist und das Zeug zu einem ähnlich erfolgreichen Franchise wie beispielsweise Assassin's Creed haben könnte.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
tolle Atmosphäre, sehr schönes Kampfsystem mit dem Kombo-Labor, interessanter Mix verschiedener Gameplay-Elemente
-
Zu linear, zu wenig Vertrauen in die Fähigkeiten der Spieler, in dieser Form lahme Kletterpassagen, ein wenig zu kurz, lustlose deutsche Synchronisation
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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