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Call of Juarez: The Cartel

Call of Juarez: The Cartel

Das erste Call of Juarez war mittelmäßig. Erst mit Call of Juarez: Bound in Blood kamen die Dinge in Gang und der polnische Entwickler Techland schaffte es, eine anständige Western-Erfahrung mit abwechslungsreichem Gameplay, schöner Grafik und einigen epische Schießereien abzuliefern. Keine allzu große Überraschung also, dass wir Call of Juarez: The Cartel durchaus mit vorsichtigem Optimismus beäugt haben.

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Vorsichtig vor allem deshalb, weil die Epoche des neuen Spiels verlagert wurde. Vorbei ist der Wilde Westen, her mit der Gegenwart, wo die McCall-Brüder nichts anderes als eine ferne Erinnerung sind. Dieses Mal spielen wir mit maximal drei Leuten als Trio von Gesetzeshütern, um einen Drogen-Krieg in Kalifornien aufzuklären.

Das Spiel beginnt ziemlich gut. Die Eröffnungsszene ist stark und die folgenden Zwischensequenz deutet auf eine fesselnde Geschichte hin, der Umgang mit Zeit und Chronologie erinnert mich an die früheren Games und die Hoffnung wird bestärkt. Vielleicht wird es ein gutes Spiel, nach all den Startschwierigkeiten, die man in den Vorschau-Versionen bewundern durfte. Dann tritt Ben McCall, Nachkomme der Gebrüder McCall, aus dem Schatten.

Es ist nicht so, dass Ben Sprachunterricht bei Christian Bale genommen oder Frisur-Tipps von WWE Wrestler Triple H bekommen hätte. Anders gesagt: Man könnte mit ein bisschen fehlender Glaubwürdigkeit leben, aber es ist dann am Ende eher so, dass die vielversprechenden Anfänge einer ernsten Erzählung von einem dümmlichen John Rambo-McCall zerballert werden. In seinem Krieg gegen die Drogen verbraucht er vor allem von zwei Dingen zu viel: nämlich Kugeln und kitschigen Dialogzeilen.

Call of Juarez: The Cartel
Das Spiel fühlt sich an wie ein Egoshooter aus den Anfangsjahren der aktuellen Konsolengeneration.
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Die Vorgänger der Serie spielten wie gesagt im Wilden Westen. Aus diesem Grund war es nicht wirklich so wichtig, dass die Steuerung damals ein bisschen träge und gelegentlich unhandlich war. Immerhin entsprach das inhaltlich den Waffen, denn wir schossen Colts und alte Gewehre - und wer ein Maschinengewehr fand, musste das per Handkurbel auf Touren bringen. Kaum die elegantesten Waffen also, und irgendwie gab genau das dem Setting sogar einen besonderen Touch.

Aber wenn man mit modernen Waffen schießt, dann funktioniert diese "Ausrede" nicht mehr. Automatische Pistolen und moderne Maschinengewehre sind etwas komplett anderes. Call of Juarez: The Cartel fühlt sich auch in der fertigen Version an wie ein Egoshooter aus den Anfangsjahren der aktuellen Konsolengeneration. Es ist im Vergleich zu aktuellen Hits inflexibel, starr und zudem fehlt jede Form von Raffinesse.

Als Ergebnis davon sind die Schießereien nicht sehr aufregend und werden bald zu einem Problem, weil da wirklich nichts mehr ist. Die Abwechslung der Vorgänger ist weg. Und wenn das Ballern nur mittelmäßig ist, dann wird das ganze Spiel mittelmäßig. In Call of Juarez: Bound in Blood freute man sich auf die nächste Schießerei. Jetzt muss man sie eher fürchten.

Call of Juarez: The Cartel
Die Erfahrung fühlt sich leider an allen Stellen vor allen Dingen ungeschliffen an.
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Hinzu kommt, dass der Nahkampf furchtbar ist. Es ist mehr oder weniger unmöglich zu beurteilen, ob die eigenen Schläge Treffer oder Luftnummern sind. Meistens rennt man in diesen Situationen wild hin und her und winkt hilflos mit den Armen in der Luft. Umso schlimmer, wo doch das Gameplay in Call of Juarez: Bound in Blood wirklich ziemlich anständig war...

Wenn etwas wirklich schwierig gut hinzukriegen ist in Actionspielen, dann sind es die Passagen mit Fahrzeugen. Das sind meist die schlechteren oder gar schlimmsten Teile dieser Spiele, egal ob sie Call of Duty, Killzone oder Gears of War heißen. Das Techland-Game macht hier keine Ausnahme, leider hat es die Entwickler nicht davon abgehalten, sehr viele Fahrzeugsequenzen in jedem Level einzubauen. Und jede kleinen Kurve wird hier zur großen Herausforderung.

Call of Juarez: The Cartel fühlt sich leider an allen Stellen vor allen Dingen ungeschliffen an. Da sind hereinpoppende Texturen, die Kollisionsabfrage arbeitet nicht wie sie sollte, es gibt kaum Checkpoints und die Gegner agieren nervtötend dumm. Und dann der Soundtrack, der alte Western-Gitarren in die kriminelle Unterwelt von Los Angeles transportieren will, der funktioniert genau aus diesem Grund einfach gar nicht.

Call of Juarez: The Cartel
Wir dürfen das Spiel zu dritt im Online-Koop genießen, was die Abschnitte im Fahrzeug erträglicher macht

Es ist nicht alles schlecht. Nett ist etwa die Tatsache, dass man drei verschiedene Charaktere spielen darf, auch wenn sie all übel stereotyp sind. Die Geschichte ändert sich je nachdem, wen man wählt und bindet alle zusammen in einer ziemlich raffinierte Art und Weise in das Ende ein. Der schwer bewaffnete Ben ist der Favorit, aber auch Eddie mit seinen leichteren Maschinengewehren und die Hally Berry-Kopie Kim werden ihre Fans haben.

Wir dürfen das Spiel zu dritt im Online-Koop genießen, was die Abschnitte im Fahrzeug erträglicher macht, weil nur einer fahren muss und zwei sich aus dem Fenster lehnen und ballern dürfen. Die Level sind abwechslungsreich genug und sogar ein bisschen gepflegte Nostalgie kam auf, als Juarez in den späteren Levels des Spiels wieder ein bisschen zum Vorschein kam.

Ohne Zweifel hätten wir es lieber gesehen, wenn Techland komplett beim Western-Thema geblieben wäre. Und vor allen Dingen, wenn sie etwas mehr Zeit gehabt hätten, das Spiel zu polieren. Das ist Potenzial, aber es darf nie an die Oberfläche kommen, weil es von so vielen Themen unterdrückt wird. Nie war es garantiert, dass wir die McCall-Brüder je wieder sehen würden. Nun fühlt es sich so an, als ob die Chancen mehr oder weniger komplett verschwunden sind. Es gibt noch Spielraum für eine große, vom Western inspirierte Serie da draußen, aber Call of Juarez: The Cartel ist es nicht. Die Serie hat ihren Biss endgültig verloren.

05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
Guter Koop, variables Level-Design
-
Wirkt unfertig, schlechtes Voice-Acting, mieser Nahkampf, steifes Ballern
overall score
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