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Gears of War: Judgment

Gears of War: Judgment

People Can Fly und Epic Games bauen ein Gears of War, das kein echter Nachfolger ist. Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass es ein Gears of War-Spiel geworden ist.

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Ich sehe die Spitze des Scharfschützengewehrs hinter einem Betonblock. Mein erster Gedanke: Wie schleiche ich schnell und leise hinter die feindliche Deckung und schneide ihn in Stücke, bevor er sich in einen rasenden roten Teufel verwandelt? Der Plan deckt sich nahezu mit meinen Bewegungen, aber muss abrupt geändert werden. Ein anderes Mitglied vom Team Kilo Squad hat ganz diskret eine Kugel mitten im Schädel des Scharfschützen platziert. Die Zusammenarbeit zwischen den vier Teammitgliedern ist eher chaotischer Natur, aber wenn Gegner von alle Seiten angreifen, dann ist eben keine Zeit für große Reden und lang ausdiskutierte Strategien. Gears of War: Judgment ist höchste Konzentration im Chaos.

Wir befinden uns in Halvo Bay, 30 Tage nach dem Emergency Day, an dem Horden von Locust plötzlich aus dem Boden geschossen sind. Gears of War: Judgment ist eine Vorgeschichte zur Gears-Trilogie. Das Spiel unterscheidet sich von den anderen dreien der Serie dadurch, dass der mit Testosteron vollgepumpte Marcus Fenix als Hauptcharakter fehlt. Im Rampenlicht steht stattdessen Damon Baird, eine frühere Nebenfigur und jetzt Kopf von Team Kilo Squad. Wie auch Marcus ist Baird ein Alptraum für jeden Kommandanten. Und tatsächlich fängt das Spiel bereits damit an, dass das gesamte Kilo Squad sich vor einem behelfsmäßigen Kriegsgericht für schwere Verbrechen verantworten muss.

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Gears of War: JudgmentGears of War: Judgment
Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass dies ein Gears of War-Spiel ist.
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Bairds Karriereleiter wird schnell zu Kleinholz verarbeitet und innerhalb von nur einer Woche wird aus dem Kommandanten ein potenzieller Kriegsverbrechen. Jedes Mitglied vom Kilo Squad wird vor dem Kriegsgericht angehört und ihre individuellen Aussagen dienen als Erzählung der Hintergrundgeschichte und Grundlage für die Action im Spiel. Das funktioniert ziemlich gut und heißt außerdem, dass wir der Geschichte ohne jegliche Serien-Vorkenntnisse folgen können.

Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass dies ein Gears of War-Spiel ist. Da ist die bekannte Third-Person-Perspektive und die klassische Steuerung. Diese gehört immerhin zum besten, was das Genre zu bieten hat - das wegweisende Cover-System oder die Aktivierung der Kettensäge, montiert auf dem vertrauten Lancer Rifle. Diese grundlegenden Dinge bleiben erhalten.

Munter also die Einführung in die Steuerung übersprungen und rein in die Action. Schon nach kurzer Zeit aber reißt es mich fast in Stücke, weil ich eine Granate falsch eingesetzt habe. Oh, haben sie die Steuerung an dieser Stelle wohl doch etwas verändert. Das fühlt sich ein bisschen so an, als würde man plötzlich bemerken, dass Mama das Rezept für die traditionellen Familien-Klopse geändert hat. Das kann sie doch nicht einfach tun, ohne uns vorher zu fragen!

Gears of War: Judgment
Gewohnheiten sind tief in uns verankert und nur schwer zu ändern, darunter leidet die Steuerung gelegentlich.
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Gewohnheiten sind tief in uns verankert und nur schwer zu ändern. Während wir in Gears of War 3 durch das Drücken auf den linken Bumper schnell erfahren, wo sich unsere Jungs befinden, wird nun eben eine Granate abgefeuert. Eine andere Änderungen bezieht sich auf die Wahl der Waffen, die zuletzt mit dem Steuerkreuz erfolgte. Nun wird auf den besten Call of Duty-Style gesetzt, in dem dies über die gelbe Y-Taste erledigt wird. Wir dürfen übrigens nur zwei Waffen mit uns führen. Es ist wohl nur eine Frage der Gewöhnung, aber auch gegen Ende der Kampagne von Gears of War: Judgment habe ich in der größten Hektik noch immer dieselben Fehler auf dem Schlachtfeld gemacht - sehr zum Leid meines Splitscreen-Kumpels beim Koop.

Neben den guten alten Waffen gibt es auch ein paar neue. Es sind ganz typische Waffen mit ordentlicher Schlagkraft. Ich mag besonders das Karzka-Gewehr, eine abgespeckte Version vom Scharfschützengewehr. Damit lassen sich einige Schüsse abfeuern, bevor ein Nachladen erforderlich ist - zu Lasten von Kraft und Reichweite. Mit diesem Gewehr in der Hand kann man rennen und auf Gegner in großer Distanz feuern - ein kranker Spaß der besseren Sorte. Eine weitere Modifikation ist die Fähigkeit, ein Schild mit einer Hand zu tragen und in der anderen etwa noch den Lancer zu führen. Das steht ganz im Gegensatz zu den Vorgängern, wo wir dann lediglich eine Pistole tragen konnten.

Die Level bieten Herausforderungen, die wir über die großen, rotglühenden Gears-Schädel an verschiedenen Stellen aktivieren können. Wir können die Missionsbeschreibung lesen und dann entscheiden, ob wir Energie in diese Aufgabe stecken oder nicht. Als Belohnung für das Absolvieren winken Extra-Sterne, die übrigens das Fundament des Prequels legen. Sterne schalten neue Skins oder Waffen für unseren Charakter frei. Heißt die Herausforderung etwa "Befreite Mission" bedeutet dies, dass wir mit starken Winden zu kämpfen haben und die Steuerung unseres Charakters sehr schwer ist. Diese optionalen Missionen ändern das typische Spiel deutlich. Keine Frage, dass die Langlebigkeit der Kampagne dadurch erhöht wird.

Gears of War: Judgment
Die Gears of War-Trilogie überzeugte durch hübsche Grafik. Gleiches gilt auch für Judgment.

Wenn wir 40 Sterne gesammelt haben, schaltet sich das "Endspiel" frei. Dieses Kapitel findet am Ende von Gears of War 3 statt. Marcus, Cole, Baird und Carmine suchen nach Verstärkung und Halvo Bay ist wieder Schauplatz für eineinhalb bis zwei Stunden Zusatzmaterial. Der Inhalt verknüpft ganz hervorragend die Handlung von Gears of War: Judgment mit Gears of War 3. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrand ist man in sieben bis acht Stunden mit der Kampagne fertig - was durchaus als Schwäche des Spiels gesehen werden darf. Allerdings wird konzentrierte Action geboten und ein zweiter Durchgang fast Pflichtprogramm.

Einige Passagen des Spiels sind für den zweiten Durchgang offensichtlich etwas verändert worden. Oft werden wir in den Kämpfen von Gears of War: Judgment an den Horde-Modus von Gears of War 3 erinnert, in dem einfach immer mehr und mehr Gegner auf uns gestürzt sind. Wenn ich an dieser Stelle gestorben bin, habe ich es mehrmals erlebt, dass bei der gleichen Gegnerwelle plötzlich mehr schwere Gegner gezeigt haben. Das macht das Erlebnis frisch.

Die Gears of War-Trilogie überzeugte durch hübsche Grafik. Gleiches gilt auch für Judgment. Es ist schön und durch und durch abwechslungsreich. Wir finden alles von hellen Orten bis zu dunklen Gassen. In der Tat spielt Licht oder das Fehlen desselbigen eine große Rolle für die Atmosphäre. Und obwohl die Grafik als solche sich nicht unbedingt von anderen Toptiteln abhebt, sorgen die Lichteffekte dafür, dass wir uns auch ein zweites Mal umschauen. Sehr hübsch.

Gears of War: Judgment
Gerade die Zusammenarbeit sorgt für Spielspaß und es geht eher darum, für das Team in die Bresche zu springen.

Für viele spielt die Kampagne aber ohnehin eine eher untergeordnete Rolle. Ich habe sicher hunderte von Stunden damit verbracht, Horden von Gegner im Mehrspielermodus von Gears of War 3 zu töten. Gerade deshalb waren meine Erwartungen an Gears of War: Judgment riesig. In neuen Modi wie Survival und den bekannten Versus-Gefechten geht es in acht verschiedenen Welten mit schnittigen Namen wie Gondola, Library, Streets, Island, Skyline, Junkyard und Estate zur Sache.

Als großer Fan des Horde-Modus habe ich mich natürlich besonders auf den Survival-Part gefreut. Der gleicht in seinen Grundzügen nämlich dem Horde-Modus: Welle nach Welle müssen wir die Angriffe immer stärker werdender Gegner überleben. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon wieder auf. Zu Beginn entscheiden wir uns für eine von vier möglichen Klassen: Soldat, Scout, Techniker oder Sanitäter. Natürlich birgt jede Wahl ihre Vor- und Nachteile und wenn wir als Team überleben wollen, müssen wir die Stärken möglichst geschickt kombinieren. Andernfalls werden wir überrannt und immer weiter mit dem Rücken an die Wand getrieben. Als Unterstützung bringt jede Klasse Besonderheiten mit sich, die dabei helfen, Barrikaden aufrecht zu erhalten, für ausreichend Munition zu sorgen, Verbündete zu heilen oder Gegner schneller zu identifizieren. Gerade die Zusammenarbeit sorgt für Spielspaß und es geht eher darum, für das Team in die Bresche zu springen, anstatt als Einzelgänger Erfahrungspunkten nachzujagen.

Während der Sessions war die Teilnehmerzahl für das Mehrspielergemetzel leider stark begrenzt. In den meisten Fällen wurde unser Team mit computergesteuerten Teamkollegen aufgefüllt, die sich aber oft klug verhalten. Es gab aber auch Momente, in denen ein Bot gezielt in die Wand feuerte, nachlud und dann einige Kugeln aus der Schrottflinte hinterschickte. Mit vertrauenswürdigen echten Spielern an der Seite ist der Spaß einfach größer.

Gears of War: Judgment
Mit vertrauenswürdigen echten Spielern an der Seite ist der Spaß einfach größer.

Hinter Overrun verbirgt sich eine Version des Suvival-Modus, aber es gibt Overrun auch bei den Versus-Spielen. Dort ist er eine Kombination aus Horde- und Beast-Modus mit einigen Neuerungen. Als Gears oder Locusts treten zwei Teams gegeneinander an. Wer gewinnen will, braucht vor allem gutes Timing, um verschiedene Areale zu beschützen oder zu erobern. Wie beim Beast-Modus verdienen wir Punkte und schalten so stärkere Monster frei.

Wieder mit dabei sind aber auch die klassischen Modi wie Domination und Team Deathmatch, die wie schon in vorherigen Gears-Teilen solide sind. Neu sind die Free for all-Gefechte, die man als eine wahre Orgie des Chaos bezeichnen muss und in denen sich einfach jeder auf jeden stürzt. Für die drei Versus-Modi stehen allerdings nur vier Karten zur Verfügung, während es bei Survival und Overrun alle acht sind.

Obwohl das Limit der Karten enttäuschend ist, sind sie alle groß und gut aufgebaut. Es wird also eine ganze Weile dauern, bis man sich in jedem Winkel auskennt. Noch dazu ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass uns in Form von Erweiterungspaketen bald neue Karten erwarten. Doch auch jetzt ist schon klar, dass der Mehrspielermodus das gesamte Spiel auf eine höhere Ebene heben wird. Gears of War: Judgement ist solo in einigen Aspekten enttäuschend, wer aber nur am Mehrspielermodus interessiert ist, kann die Note auf der rechten Seite beruhigt in eine ordentliche 9/10 ändern.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Missionen innerhalb der Missionen, die neuen Waffen, polierte Grafik und schönes Licht, echtes Gears-Feeling
-
Neue Steuerungselemente erfordern einiges an Gewöhnung
overall score
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