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Metal Gear Rising: Revengeance

Metal Gear Rising: Revengeance

Die Metal Gear-Reihe gehört zu den Platzhirschen unter den Videospielserien. Trotzdem hat sich Erfinder Hideo Kojima für dieses Game Hilfe von Platinum Games geholt. Gut!

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Trotz seines Status' als Genie schien Kojima-Samma mit der Entwicklung seines Action-Ablegers Metal Gear Solid Rising nicht recht zufrieden. So wagte er einen Neuanfang und übergab die Entwicklung in die treuen Hände der Actionspezialisten von Platinum Games.

Die Japaner sind vor allem für ihre sprücheklopfende Hexe Bayonetta bekannt, so dass den Hardcore-Fans von Metal Gear gleich mal etwas mulmig wurde. Nachdem das Projekt in seiner über drei Jahre dauernden Entstehungsgeschichte diverse Änderungen durchlaufen hat, kommt es nun als Metal Gear Rising: Revengeance endlich auf den Markt. Und siehe da, die Zweifel waren unberechtigt. Es ist ein echtes Metal Gear geworden - und ein verdammt gutes Actiongame noch dazu.

Eigentlich auch gar nicht so verwunderlich, denn das andere Großprojekt von Platinum Games namens Vanquish war ebenfalls eine Gameplay-Granate. Mit einem Helden, der stark an Solid Snake aus Metal Gear erinnerte. Der altehrwürdige Schleichsoldat hat jetzt aber Sendepause und überlässt das Feld dem Kollegen Raiden. Der Cyborg Ninja wurde von den Fans in Metal Gear Solid 2 eher schlecht angenommen, rehabilitierte sich jedoch im vierten Teil. Metal Gear Rising: Revengeance ist zeitlich danach angesiedelt.

Trotz aller vorherigen Story-Entwicklungen verdingt sich Raiden zu Beginn des Spieles als Leiter einer privaten Sicherheitstruppe. Er soll einen afrikanischen Präsidenten schützen, der sehr erfolgreich den Friedensprozess in der Region vorantreibt. Damit ist der natürlich ein Dorn im Auge von profitgierigen Kriegstreibern wie der Söldnergruppe Desperado. Mit einem absoluten Overkill an Cyborgs und einem mächtigen Metal Gear-Kampfroboter schaffen es die Attentäter, den Präsidenten vor Raidens Augen brutal zu ermorden. Der bionische Ninja wird dabei selbst schwer verstümmelt und halbtot von einem fahrenden Zug geworfen. Doch die Sicherheitsexperten von Maverick verpassen ihm einen neuen Körper, mit dem er mächtiger ist als je zuvor. So hat Raiden nur noch ein Ziel vor seinem verbleibenden Auge: die titelgebende Rache.

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Metal Gear Rising: RevengeanceMetal Gear Rising: Revengeance
Wie man es von Platinum Games und japanischen Entwicklern generell erwartet, ist dies kein weichgespültes Casualgame.

Raidens Mission in Afrika ist dabei eine Mischung aus Prolog und Tutorial. Es wird sofort deutlich, dass nicht mehr lautloses Infiltrieren im Mittelpunkt steht, sondern Raidens hypermodernes Samurai-Schwert. Diese Klinge geht durch Stein und Metall wie durch Butter. Im Blade Mode kann Raiden mittels Analogsticksteuerung sogar punktgenaue Schnitte ausführen. Entsprechend ist ein Großteil der Levelarchitektur zerstörbar und lädt gerade zu Beginn zu spaßigen Schnetzel-Experimenten ein.

Dummerweise gibt es natürlich auch noch Gegner, die Raiden von planlosen Vergnügungen abhalten wollen. Solange das Schwert aber noch mit Energie aufgeladen ist, lassen sich auch diese übellaunigen Cyborgs in alle Einzelteile zerlegen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Zandatsu-Technik. Übersetzen könnte man das mit: Schneiden und Schnappen. Nach einem gezielten Schnitt bemächtigt sich Raiden des Selbstheilungs-Apparates des Gegners und absorbiert diesen. Dadurch werden Lebensleiste und Schwertenergie wieder voll aufgefüllt. Und den wahnwitzigen Move, wie der Ninja während eines Rückwärtssaltos jemandem (scheinbar) das Rückgrat herausreißt, gibt es dazu noch gratis auf die Augen. Mit dieser Technik lässt es sich bei entsprechenden Skills von Gegner zu Gegner hechten. Nur so wird man übrigens auch ein S-Ranking in der Kampfauswertung kassieren.

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Skill ist sowieso ein gutes Stichwort bei dem Spiel. Wie man es von Platinum Games und japanischen Entwicklern generell erwartet, ist dies kein weichgespültes Casualgame. Hier kann man kein Level beenden, indem man einfach nur nach vorne drückt - so wie es in einigen Episoden von Call of Duty und Gears of War der Fall ist. Nein, ab der mittleren Schwierigkeit werden dem Spieler quasi Ninja-Reflexe, flinke Finger und Nerven aus Stahl abverlangt. Analog zu Bayonetta ist nämlich ein zentrales Kampfelement das Kontern. Holt ein Gegner zum Schlag, Schuss oder Spezialangriff aus, wird dies durch ein Aufblitzen oder Leuchten kenntlich gemacht. Nun ist noch ein Sekundenbruchteil Zeit, um mit einer Kombo aus Analogstick und Button diesen Angriff zu parieren.

Metal Gear Rising: Revengeance
Solange das Schwert mit Energie aufgeladen ist, lassen sich Cyborgs in alle Einzelteile zerlegen.

Bei bestimmten Attacken, meist in Bosskämpfen, ist es außerdem notwendig, im Blade Mode unter extremem Zeitdruck präziseste Schnitte zu machen. Ein Fehler, und drei Viertel der Lebensleiste sind weg, was gerne mal den Tod bedeutet. In diesem Sinne hat es Raiden nicht viel leichter als sein Assassinen-Kollege Ryo Hayabusa aus dem extrem fordernden Spiel Ninja Gaiden.

Hinzu kommen saftige Quicktime-Events, bei denen ein Versagen nicht etwa bedeutet, dass man es einfach stupide nochmal probieren kann. Statt dessen sind massive Energieverluste die Folge. Ein Glück, dass man serientypisch bis zu fünf Heil-Items bei sich tragen kann, die automatisch aktiviert werden, wenn die Lebensleiste bei null ankommt.

Hart ist allerdings auch hier wieder, dass man diese nur im Level findet und nicht etwa vorher kaufen kann. Steht man also nach einem Checkpoint ohne eines dieser Lebenselixiere da, ist häufig nichts zu machen. Dann kommt man nur mit Fleiß weiter. In solchen Momenten wird aber deutlich, dass Metal Gear Rising: Revengeance ein wirklich gut designtes Game ist. Fehler in der Balance werden nicht etwa durch popelige Hilfsmittel kaschiert. Jede Situation, egal wie unfair und frustrierend sie im ersten Moment erscheinen mag, lässt sich ohne Energieverlust meistern. Man wird mit jedem Versuch besser.

Etwas erleichtert wird das Ganze durch die Stealth-Kills. Denn auch die größten Brocken lassen sich ohne Gegenwehr ausschalten, wenn man sich ihnen unbemerkt von hinten nähert. Wer also lieber spielt wie Solid Snake, kann auch so einige Bereiche des Spiels meistern. Das andere Extrem sind hingegen völlig überdrehte Actionszenen, die bisweilen doch stark an Bayonetta erinnern. Zum Beispiel, wenn Raiden die Fassade eines zerbrechenden Gebäudes herunterrennt. Auch der Humor reicht bisweilen in die albernen Sphären der Hexenwelt, auch wenn sicher 90 Prozent der DNA des Spiels pures Metal Gear sind. Das geht beim Screendesign los, führt über ausufernde, freiwillige Codec-Funk-Gespräche, Kisten und Fässer, in denen man sich verstecken kann bis hin zu den überzeichneten Endgegnern mit ihren nicht enden wollenden Monologen. Diese Ausführungen über aktuelle Weltpolitik und allgemeine Lebensfragen machen gefühlt 15 Prozent der sieben bis acht Spielstunden aus.

Metal Gear Rising: Revengeance
Bei bestimmten Attacken, meist in Bosskämpfen, ist es außerdem notwendig, im Blade Mode unter extremem Zeitdruck präziseste Schnitte zu machen.

Mit dieser Spielzeit ist der Titel eher Actiongame als Stealth-Epos, durch die allseits präsenten Ratings besteht aber hohe Motivation, die Abschnitte noch einmal zu meistern. Dazu gibt es viele Geheimnisse zu entdecken, von Girlie-Postern über Männer in Pappkartons bis hin zu freischaltbaren VR-Missionen. In diesen Virtual-Reality-Einsätzen kann Raiden sein Können in klinisch reinen Computerumgebungen unter Beweis stellen beziehungsweise verfeinern.

Nicht zuletzt werden durch spektakuläre Kampfmanöver Blade-Points gesammelt, mit denen sich Upgrades, Kostüme und neue Moves freischalten lassen. Unter letzteren finden sich so elementare Sachen wie ein Ausweichschritt, ein Air Dash und Air Parry. Mit diesen flutscht dann auch ein zweiter Durchgang entsprechend besser. Wobei dann auch die Schwächen, die das Game neben seinen vielen Stärken durchaus hat, gleichzeitig weniger ins Gewicht fallen.

Das größte Problem ist die störrische Kamera - ein Phänomen, das heutzutage fast ausschließich in japanischen Produktionen vorkommt. Die Spieler dort scheinen sich nicht mit der typischen, westlichen Zwei-Stick-Steuerung anfreunden zu können, bei der ein Daumen die Blickrichtung kontrolliert. Diese ist zwar hier prinzipiell vorhanden, nur schwenkt die Kamera öfters mal ohne erkenntlichen Grund fröhlich vom aktuellen Gegner weg. Das ist vor allem deswegen fatal, weil man zum Parieren eines Angriffs in Richtung des Gegners drücken muss. Womöglich sieht man den dann auf einmal nicht mehr und befindet sich plötzlich relativ zur Spielfigur in einer anderen Richtung. Noch unverständlicher ist, dass manchmal beim Aktivieren des Blade-Mode die Perspektive komplett aus Raidens Blickfeld wegspringt und statt dessen ins Leere schaut. Das ist aber auch das einzige handfeste Manko - und Metal Gear Spiele haben schon öfters später eine optimierte Kamera spendiert bekommen.

Metal Gear Rising: Revengeance
Das größte Problem ist die störrische Kamera - ein Phänomen, das heutzutage fast ausschließich in japanischen Produktionen vorkommt.

Alles andere ist eigentlich Geschmackssache, quasi Jammern auf hohem Niveau. Warum muss zum Beispiel Raiden beim Empfangen von Funksprüchen genauso bescheuert mit der Hand am Ohr herumlaufen wie Marcus Fenix aus Gears of War? Allzu weit kann die tolle Nanotechnologie dann wohl doch nicht sein. Aber wenn das alles koherent wäre, würde der fast komplett künstliche Raiden über seinem beschädigten Auge auch keinen alten Lappen tragen, der ihn wohl noch Solid Snake-mäßiger aussehen lassen soll. Was uns zu seiner Stimme bringt, die ebenfalls extrem nach Snake klingt. Außer manchmal, wenn sie wie hochgepitcht wirkt. Was wiederum zum Thema Musik führt, denn dieses Kuddelmuddel aus Tron, Der Herr der Ringe und Western à la Borderlands gipfelt in den Bosskämpfen in schlechtem Euro-Pop-Rock mit pitchgetuntem Gesang! Aber wer das nicht mag, regelt die Musik einfach auf Null herunter und konzentriert sich auf das hervorragende Gameplay.

Was einzig als Frage offenbleibt, ist der Sinn des Namenszusatzes Metal Gear Rising: Revengeance im Titel. Denn bei Teil zwei und drei waren Anhängsel wie Substance beziehungsweise Subsistence den Extended Editions vorbehalten. Da wurde dann gerne mal die Kamera optimiert und noch etwas mehr Content ins Spiel geworfen. Aber wahrscheinlich regelt man das heutzutage einfach mit Patches oder Downloadinhalten. Oder aber, Kojima und Platinum Games sind sich einig, dass das Spiel schon jetzt einfach perfekt ist. Ganz falsch würden sie damit nicht liegen.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
lupenreines Action-Gameplay, echtes Metal Gear-Feeling, viel zu entdecken
-
Kameraprobleme, Grafik eher schlicht, dafür mit 60fps, Musik wirkt planlos zusammengewürfelt
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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