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DMC Devil May Cry

DMC Devil May Cry

Neustarts sind ziemlich beliebt in letzter Zeit. Oder zumindest das große PR-Getöse darum im Vorfeld. Auch Devil May Cry wird ein neuer Anstrich verpasst und Capcom legt die Serie erstmals in fremde Hände. Ninja Theorie schenkt Dante eine neue Frisur und einen neuen Stil.

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Aus irgendeinem Grund ist Devil May Cry bisher immer an mir vorbeigerauscht. Vier Spiele sind seit 2001 erschienen und ich konnte bis jetzt nicht einmal wirklich sagen, wovon die Serie handelt. Nicht ganz unschuldig daran dürfte der Hauptcharakter sein. Mit seiner weißen Schüttelfrisur weckte Dante einfach nicht mein Interesse - und das obwohl ich eigentlich auf den Japano-Stil abfahre. Aber vermutlich bin ich kein Einzelfall. Ganz ohne Hintergedanken jedenfalls dürften die Jungs bei Ninja Theorie den neuen Dante nicht mit dunklen, kurzen Haaren ausgestattet haben. Der Junge sollte cool rüberkommen und tatsächlich passt seine neue Erscheinung nun viel besser zu einem Halbdämon.

Und auch wenn mir wirklich der Vergleich zur Serie fehlt, so lässt sich zumindest festhalten, dass dieser Dante einer der sympathischsten Charaktere der letzten Jahre ist. Er nimmt kein Blatt vor der Mund und die ein oder andere fiese Vokabel rutscht ihm in dem Zusammenhang auch ganz sorglos über die Lippen. Dante ist das, was wir heute durchaus als cool bezeichnen würden. Er besitzt eine Menge Selbstvertrauen und ist dabei nicht abschätzig, sondern authentisch und echt - ein böser Junge, den man aber trotzdem gut leiden kann. Sein Bruder Vergil dagegen hat immer einen kühlen, arroganten Zug an sich, der ihn selbst in seinen Glanzstunden zutiefst unsympathisch erscheinen lässt.

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Dante ist einer der sympathischsten Charaktere der letzten Jahre - er ist cool und hat viel Selbstvertrauen.
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Dante und Vergil sind Nephilim, Mischwesen zwischen Menschen und göttlichen Wesen. In diesem Fall waren es der Dämon Sparda und die menschliche Eva. Sparda hatte viel für die Menschen übrig, begehrte gegen seinen Meister Mundus auf und versiegelte das Tor zwischen Unterwelt und Erde. Infolge dessen wurde seine Frau ermordet, die Söhne Dante und Vergil jedoch überlebten. Der Bezug auf das Göttliche durchzieht das Spiel wie zuvor schon die Reihe, folgt aber weiterhin keinem konkreten Mythos. Es wurde sich munter bei ganz verschiedenen Motiven bedient, vermischt, abgewandelt und damit eine eigene Welt geschaffen. Viele Titel waren da sicher schon konsequenter, aber die Handlung von DMC Devil May Cry ist zumindest in sich schlüssig.

Die Brüder wurden in ihrem jüngsten Abenteuer bereits in der Kindheit voneinander getrennt. Für Dante ist die Erinnerung an diese Zeit verblasst wie auch das Bild an seine Mutter. Als plötzlich ein Dämon bei ihm auftaucht, überrascht ihn das dennoch nicht - er kennt den Limbus, der hier als dämonische Zwischenwelt fungiert. Dem Zusammentreffen mit seinem Bruder Vergil aber begegnet er skeptisch.

Dieser kämpft inzwischen mit seiner Organisation gegen Dämonen, die sich unter die Menschen gemischt und sie schwach gemacht haben. Dante soll sich mit ihm gegen Mundus verbünden - jenen Dämonen, der schon seine Mutter getötet hat. Während er anfangs noch zögert, wandelt sich Dante im Laufe der Zeit und übernimmt jene Verantwortung, der er bisher immer aus dem Weg gegangen war. Ninja Theory haben eine wirklich gute Geschichte mit glaubwürdigen Charakteren abgeliefert.

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Als Gegenspieler fungiert Kyle Ryder, der die Finanzwelt und Medien beherrscht und selbst den Staat schon in der Hand hat.
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Als Gegenspieler fungiert Kyle Ryder. Der Geschäftsmann wohnt in einem Glaspalast im Zentrum der Stadt - die Hochhäuser geformt wie zwei verschlungene Teufelshörner. Er beherrscht die Medien und die Finanzwelt. Selbst den Staat hat er schon in der Hand. Die gesamte Menschheit will er versklaven und dazu verkauft er auch hippe Getränke, die schöner, klüger und schlanker machen sollen, aber in Wirklichkeit nur abhängig und gefügig. Die Parallelen zur realen gesellschaftlichen Entwicklung sind offensichtlich. Im Spiel aber ist Kyle Ryder lediglich das menschliche Antlitz des Dämonen Mundus. Tiefer geht Ninja Theory nicht, kann sich allerdings daher auch nicht in Widersprüche verstricken und muss nicht fürchten, dass das Spiel polarisiert.

Kern aber ist weiterhin die Action und daran hat Ninja Theory auch kaum etwas verändert. Noch immer geht es darum, dass wir möglichst effizient und mit Stil kämpfen, um für unsere Leistung am Ende des Levels eine möglichst hohe Punktzahl zu kassieren. Anders als Kratos geht Dante nicht mit Kraft und Wut in den Kampf, sondern mit Eleganz und Technik. In die Bewertung fließt neben der Stilnote außerdem die Zeit ein und wie viele Geheimnisse wir dem Level entlockt haben. Alle drei Elemente wirken sich sehr positiv auf den Wiederspielwert aus.

Das Kampfsystem baut auf acht verschiedene Waffen, die wir ständig und auch während des Gefechts wechseln. Anfangs haben wir nur unser Schwert Rebellion und das Schusswaffen-Pärchen Ebony & Ivory. Unser Repertoire wird im Verlauf um jeweils zwei weitere Engels- und Dämonenwaffen sowie zwei Schusswaffen ergänzt. Die letzte beherrscht etwa die wunderbare Möglichkeit, kleine Bomben am Gegner zu platzieren, die sich aus der Ferne zünden lassen. Die göttlichen Waffen werden über die Schultertasten aktiviert, gewechselt werden alle mit dem Steuerkreuz.

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Die Bosskämpfe glänzen eher durch Ästhetik und Dialoge, sind aber ansonsten sehr vorhersehbar.

Zum Ende hin wirkt das fast überladen und kompliziert. Immer zu wissen, welche Waffen wie angesteuert werden und welche Techniken uns am Boden und in der Luft zur Verfügung stehen, erfordert Konzentration und Geschick. Natürlich können wir uns nur auf wenige Waffen konzentrieren, aber Ninja Theory verpflichtet uns durch das Design der Gegner auch dazu, manchmal auf ganz bestimmte zu setzen. Neue Gegner werden bis zum Schluss im wieder vorgestellt, eingestreut sind zudem Bossfights. Die glänzen aber eher durch Ästhetik und Dialoge, der erforderliche Technikeinsatz hält sich arg in Grenzen. Meist ist es zu vorhersehbar, wie wir vorgehen müssen.

Aber daran stören wir uns nicht, dazu ist alles viel zu schön aneinandergereiht. Luft holen können wir nur zwischen Missionen. Der Rest ist ein herrlich übertriebenes Action-Feuerwerk, das den fehlenden Sexappeal des ähnlich angelegten Bayonetta mit Coolness locker wettmacht. Die Missionen führen uns durch abwechslungsreich gestalte, sich verändernde und vor allem ideenreiche Level und der wunderbare Grafikstil mit leichter Unschärfe und Comic-Effekt unterstreicht, wie fett DMC Devil May Cry geworden ist. Nur selten bricht das Bild und die Welt hinter den Filtern scheint durch.

Und wenn wir gerade nicht kämpfen, müssen wir uns durch einen Hindernisparcours quälen. Es ist großartig eine eigentlich triste Straße entlang zu laufen, die vor uns aufreißt und sich dann Häuserfronten plötzlich zusammenschieben - so entstehen urbane Abenteuerspielplätze. Diese Abschnitte machen meistens Spaß, vor allem, wenn alles wie am Schnürchen läuft. Aber nicht immer ist ganz klar, wo sich die nächste Plattform befindet und welche Distanz wir zurücklegen müssen. Das unterbricht dann unnötigerweise den Spielfluss.

DMC Devil May Cry
Es ein herrlich übertriebenes Action-Feuerwerk, das den fehlenden Sexappeal des ähnlich angelegten Bayonetta mit Coolness locker wettmacht.

Persönlicher Höhepunkt von DMC Devil May Cry ist der Soundtrack von den beiden Bands Noisia und Combichrist - Drum'n'Bass trifft Aggrotech. Mit einer Mischung aus Electro und hartem Rock liefern sie eine phänomenale Klangkulisse, die perfekt den Ton des Spiels trifft. Die Musik ist laut, aggressiv und kraftvoll, aber auch in den ruhigen Momenten ist die musikalische Untermalung erstklassig. Ninja Theory hat erstklassige Arbeit geleistet und dem Team gehört kräftig auf die Schulter geklopft.

Und gerade wenn es am schönsten ist, endet DMC Devil May Cry auch schon. Als kurz und intensiv lässt sich die Erfahrung wohl am besten beschreiben. Wo wir am Anfang noch leichtfüßig durch die Level spazieren und nach Herausforderung lechzen, wird es später zum Teil recht haarig. Aber selbst, wenn der erste umfangreiche Durchlauf mit zehn Stunden rasch erledigt ist, warten noch viele Geheimnisse und interessante Bonusmissionen auf uns. Als Schmankerl wurde alles mit Bestenlisten unterfüttert.

Ich weiß, manche tun sich mit der Neuauflage und dem neuen Dante schwer. Aber nach allem, was ich inzwischen über die Serie erfahren habe, hat Ninja Theory das Erbe sehr wohl ernst genommen. Das Ergebnis ist einfach nur ein neuer Blick auf das, was bereits gut funktioniert hat - und das zu kritisieren wäre engstirnig. DMC Devil May Cry ist zeitgemäße Unterhaltung auf hohem Niveau.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
stilvolle Kämpfe, fantastischer Soundtrack, gute Geschichte, hübsche Präsentation, nette Waffen, hoher Wiederspielwert, Online-Bestenlisten
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wenig fordernde Bosskämpfe, Hindernisparcours unterbrechen manchmal den Spielfluss
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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