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Anarchy Reigns

Anarchy Reigns

Was zur Hölle will Anarchy Reigns eigentlich sein? Und warum kommt es erst jetzt in Deutschland auf den Markt - viele Monate nach dem Release in Japan. An einer gekonnten Übersetzung der stumpfen Dialoge kann es nicht liegen, die fehlt nämlich. Auch jenseits davon wirft das Spiel mehr Fragen auf, als das es einen gut unterhalten würde. Schade...

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Das Spielkonzept ist, um im Geiste Dieter Bohlen zu zitieren, mit drei Buchstaben beschrieben: Kloppen, ausweichen, Items benutzen. Damit ist es vermutlich gerade dumm genug, um Dieter Bohlen zu gefallen. Klar, das macht ein Diablo III jetzt auch nicht sooooo anders, schafft es aber dabei, immer wieder doch so einige zehntausend Spieler in seinen Bann zu ziehen. Dass das Anarchy Reigns gelingt, darf bezweifelt werden.

Wer sich aus Versehen in der Kampagne wiederfindet, wundert sich viel. Meistens ist es leider nicht diese verzückte Art der positiven Verwunderung, die die hübsch gestalteten Charaktere zuerst versprühen. Bereits nach den ersten Missionen der ersten Stage wird deutlich. Das wird eine stumpfsinnige Nummer. Ewige viele Feinde stürmen auf uns zu, ohne erkennbare Strategie oder Künstliche Intelligenz. Ab und an kommt ein Bossgegner, der zwar größer ist und meist mächtig ausschaut, aber genauso doof agiert. Mit einem Mix aus Ausweichen und Draufkloppen zwingt man alles und jeden in die Knie.

Die Kampagne bietet eine dunkle und eine helle Seite, von der aus wir mit Jack Cayman (ja, der aus dem Sega-Juwel Madworld) und Leo Victorion loslegen können. So wird die konfuse Story jeweils etwas anders erzählt, dadurch aber insgesamt weder besser noch nachvollziehbarer. Die Jagd nach dem durchgedrehten Spezialagenten Max ist kein Glanzstück japanischer Erzählkunst. Anfangs versteht man gar nicht, was das alles soll. Hinterher weiß man es dann - und fragt es sich immer noch. Die Charaktere haben in etwa so viel Tiefe wie eine einsame Pfütze in der Sahara. Im Hochsommer.

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Wir sollen Draufhauen mit zwei Knöpfen, am Boden und aus der Luft.

Der Fairness halber sei gesagt: Um die Story geht es hier natürlich nicht. Wir sollen Draufhauen mit zwei Knöpfen, am Boden und aus der Luft. Dazu die Kettensäge zücken für Spezialattacken und Würfe sowie Blocks anbringen. Natürlich dürfen wir umherstehende Lastwagen oder Reifenstapel, jeweils mit der gleichen Leichtigkeit, auf unsere Gegner werfen, die uns aus den lieblos gestalteten Umgebungen heraus angreifen. Die Grafik wirkt abgeranzt, streckenweise kantig und verwaschen. Das Leveldesign ist eigenartig, fragmentiert und ohne innere Logik. Es gibt zwar viele Spezialeffekte, die aber nicht herausragend sind und häufig eher den Spielfluss stören, als ihn zu befeuern. Bossgegner werden hemmungslos kopiert und tauchen in anderen Farben wieder auf. Selbst der gigantische Tintenfisch hat zwei tragende Auftritte.

Es gibt in der Kampagne Missionen, die man sich mit einem Erfahrungspunktesystem freispielt. Jede der vier Stages bietet Storymissionen und freie Aufgaben. Das immer gleiche Gameplay ist schnell an Stumpfsinn kaum zu überbieten. Dazu plärrt einem schlimme Musik entgegen, die sich zum Glück abstellen lässt. Leider hört man dann die öden Soundeffekte, die sich aber auch abstellen lassen. Ebenso wie die Sprachausgabe.

Die Animationen der Charaktere beim Kämpfen sind unspektakulär, eigentlich schade, wo es doch so hübsche Zwischensequenzen gibt. Leider aber auch immer wieder diese dummen Gespräche zwischen zwei Charakteren, in denen zwei statische Köpfe nur die Lippen bewegen. Leider passen diese Bewegungen nicht auch nur annähernd zum Gesagten.

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Wenn sechzehn Spieler in den Arenen unterwegs sind, mündet alles schnell im unübersichtlichen Chaos, sowohl optisch als auch spielerisch.

Aber die Kampagne ist es ja nicht, um die es geht - irgendwie. Der Multiplayer soll uns rocken. Einen Haufen Modi haben uns die freundlichen Irren von Platinum Games spendiert. Solo, zu zweit, zu dritt und mit bis zu 16 Spielern im Chaos. Manches davon hat großes Potenzial, etwa dann, wenn das absurde Chaos überhand nimmt und man sich hemmungslos prügelt. Die Matches führen aber fort, was die Kampagne bereits vorgezeichnet hat. Hektische Kämpfe in eher unhübscher Umgebung, ohne viel Sinn und Verstand.

Wenn sechzehn Spieler in den Arenen unterwegs sind, mündet alles schnell im unübersichtlichen Chaos, sowohl optisch als auch spielerisch. Gute Kombos, im Solospiel eine Stärke des Spiels, sind mit mehr als vier Spielern in der Runde kaum noch möglich. Es gibt immer jemanden, der einen greift oder aus der Kombo haut. Das ist unbalanciert und nervt gewaltig. Das Level-System bis 50 ist da, weil es da sein muss, erfüllt aber keinen tieferen Zweck. Dafür, dass der Brawler-Multiplayermodus ein Argument sein soll, fehlen ihm ... nun ja ... irgendwie die Argumente.

Anarchy Reigns wirkt am Ende zerfasert und wie der verworfene Prolog zu Metal Gear Rising: Revengeance. Das Gameplay ist ohne echte Fehler, aber auch ohne Höhepunkte. Nicht nur wegen der streckenweise hässlichen Grafik bleibt der Geruch einer Art Abfallprodukt aus der Entwicklung von Titeln wie dem schönen Vanquish oder dem anständigen Binary Domain. Vielleicht haben sie es bei Platinum etwas übertrieben mit der Zweitverwertung ihrer Ideen. Gut, sie wollen nur 29 Euro haben. Das ist vergleichsweise wenig, es bleibt aber immer das Gefühl, dass das hier als Downloadgame für die Hälfte davon akzeptabel gewesen wäre. Und auch dann hätte ich es nicht lieber gespielt oder besser gefunden. Da hilft auch der Gastauftritt der Hexe Bayonetta nichts.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
das teilweise herrliche Chaos
-
das teilweise dämliche Chaos, maue Grafik, generische Charaktere, dumme Synchronisation
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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KRITIK. Von Christian Gaca

In diesem Low-Budget-Produkt von Platinum Games wird ohne Unterlass gekloppt - leider ohne allzu viel Spielspaß zu liefern.



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