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Killzone 3

Killzone 3

Hell yeah. Was für eine verflucht verfluchte Achterbahnfahrt in nur eine Richtung. Knapp acht Stunden lang bin ich ausschließlich nach vorne gerannt. Immer mit einer Waffe in der Hand und nur einem Ziel: möglichst vielen Helghast das glutrote Licht in ihren Augen auszuknipsen.

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Killzone 3 ist, man kann es nicht anders sagen, ein geiles Spiel. Aber geil heißt auch: ordinär. Und das ist vielleicht der größte und einzig richtig große Schwachpunkt.

Der dritte Teil der Serie knüpft nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers an. Tomas Sevchenko, Soldat der Interplanetary Strategic Alliance (ISA), hat den fiesen Helghast-Schergen Radec besiegt, sein Kamerad Rico Velasquez derweil den üblen Diktator Scolar Visari gekillt. Der Tod von Visari stürzte das Helghast-Imperium ins Chaos. In diesem Wahnsinn stecken wir nun fest, gemeinsam mit einer Handvoll ISA-Soldaten von der fernen Erde. Wir spielen wechselnd in den Rollen von Rico, Sev oder von deren Kommandant Jason Narville. Das sorgt für eine Geschichte aus vielen Blickwinkeln, die nah dran ist, sehr persönlich erzählt fast.

Ein übler Waffenfabrikant namens Jorhan Brimve Stahl versucht, mit einer neuen Hightech-Waffe den Erstschlag gegen die Erde anzuzetteln, damit die Helghast wieder ihren angestammten Platz im Universum einnehmen. Schon das Intro zum Spiel ist eine treffgenaue Darstellung eines totalitären Systems inklusive wahnsinnigen Herrschern. Nicht ohne Grund erinnern viele Elemente und Symbole an die Nazi-Schreckensherrschaft im Dritten Reich. Das macht es einem leicht, die anstürmenden Helghast abzuservieren. Und Stahl sowieso, diesen kleinen Goebbels-Verschnitt. Dagegen wirkt der Führungsgeneral Orlock fast schon wie ein netter Opa. Die Geschichte bleibt aber bis zum Ende zu gradlinig und bringt keine unerwarteten Wendungen.

Killzone 3
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Optisch ist Killzone 3 erstklassig. Fast immer denkt man: fett, krass, heftig, episch.

Wirklich unglaublich gut gelungen sind der Sound und der Soundtrack. Schwere Waffen machen ordentlich Krach und haben Rumms. Der Bass der Anlage wummert im Bauch, wenn man mit dem WASP-Raketenwerfer drei Lenkraketen abfeuert. Laut, dreckig, zerstörerisch - so klingt ein Zukunfts-Krieg mit mächtigen Energiewaffen und ohne Erbarmen. Metallisch und gleichzeitig dumpf und erdig. Der Waffensound untermauert das realistische Spielgefühl mit einer Shotgun, einem Assault Rifle, dem Flammenwerfers oder des Bolzenschussgeräts - wirklich sehr gelungen. Dazu streicht ein wunderbar dezenter, aber wirkungsvoller klassischer Soundtrack dahin.

Optisch ist Killzone 3 ebenso erstklassig. Die Grafik gibt sich nur ganz selten eine Blöße. Fast immer denkt man: fett, krass, heftig, episch. Der Look ist einfach sehr abwechslungsreich gestaltet, wir streifen von der zerbombten Oberfläche des Planeten in eine bunt schimmernde Avatar-Höhle zurück ins sibirische Kälte und über eine Schrottplatz direkt in den Orbit. Am Himmel fliegen riesige Raumschiffe entlang, patroniert von Rauchsäulen so mächtig wie der Mount Everest. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass vieles wegen des Showeffekts eingebaut ist. Der Avatar-Klon-Level zum Beispiel, den haben sie nur wegen der tollen Knallfarben und den 3D-Pflanzeneffekten eingebaut. Das 3D-Feature ist übrigens insgesamt eher ein Gimmick als eine echte Bereicherung. 3D verleiht dem Look etwas mehr Tiefe, aber man hat den Effekt schnell satt und schaltet zurück in 2D. Spielt sich einfach besser da.

Das Gameplay ist konventionell, aber kraftvoll und doch gibt's eben nur einen Weg: den nach vorne. Man muss immer weiter durchdrehen. Einerseits ist das okay bei einem straighten Action-Egoshooter, der immer wieder unterbrochen wird von Ausflügen in Fahrzeugen. Ob nun HAMR-Panzerfahrten, Verfolgungsjagden mit der Eissäge (einem Neo-Tokyo-Kettenschlitten) und Fluggleitern oder im Weltall in wendigen Hyperjets - das ist fast immer Action auf Schienen. In allen Fällen ballern wir alles nieder, nur in der Eissäge kommt ein bisschen lenken hinzu. Das hätte besser gemacht werden können, wie die cool gemachten Ausflüge mit dem Helghast-Jetpack oder im Exoskelett zeigen. Die sind freier und deuten an, wie großartig alle Level mit etwas mehr Bewegungsspielraum hätten sein können.

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Killzone 3
Cool gemacht: Die Ausflüge mit dem Helghast-Jetpack oder wie hier auf dem Bild im Exoskelett.

Die Shooter-Passagen sind einerseits herausragend, weil sie sich vor allem optisch und konzeptionell wenig gleichen. Man hat das Gefühl, wirklich eine Geschichte wegzuspielen, das gelingt gerade Shootern häufig nicht. Anderseits sind sie generisch, weil man immerzu das Gefühl hat, geradeaus zu laufen. Die Level sehen offen aus, sind aber schlauchartig konzipiert. Häufig gibt's nicht mal zwei verschiedene Routen. Dafür ist die Künstliche Intelligenz gnadenlos. Die Computergegner agieren selbst auf den schwächeren Level druckvoll und schlau, suchen selbständig kreative Angriffsrouten und flankieren einen - wenn sie auch manchmal scriptbedingt unter Gehörschwächen und schlechter Sicht leiden.

Richtig heftig sind die brutale Nahkampfkills, die erstaunlicherweise in der deutschen Version drin geblieben sind. Mit dem Messer direkt in die Augen und einmal dekorativ umgedreht, mit beiden Fingern die Augäpfel rausgedrückt oder einfach nur schnell das Genick geknickt - da geht so einiges und auch an Blut mangelt es nicht. Sony hat scheinbar einen guten Draht zur USK. Wer in lautlosen Passagen zu sehr auf sich aufmerksam macht, der kriegt Besuch von speziellen Helghast-Kapereinheiten. Deren Sound erinnert an die schwarze Rauchwolke aus der TV-Serie Lost - und ihre Vorgehensweise ist ähnlich tödlich.

Probleme lauern für Killzone 3 eher im Detail: Immer wieder gibt's kleine Probleme mit dem falschen Einsetzen von Sprachsamples und leichte Nachladeprobleme bei schnellen Kameraschwenks. Komisch ist zudem, dass die Helghast mit den Flammenwerfern die Waffe nach ihren Tod mal fallen lassen und wir die dann benutzen können - und mal nicht. Besonders ärgerlich ist das, weil es Spaß macht, mit dem riesigen Feuerzeug Unfug zu treiben. Dass ein Supersoldat nicht schwimmen kann, ist unverständlich, ebenso wie der Ärger mit der Kollisionsabfrage. Mehr als einmal bin ich irgendwo stecken geblieben, habe frei stehende Gegner nicht getroffen oder bin selbst getroffen worden, obwohl ich tief in der Deckung stand. Nur im 30 Zentimeter hohen Helghan-Gras ist man immer sicher... gerade im Elite-Schwierigkeitsgrad kann man solche "Kleinigkeiten" nicht tolerieren.

Killzone 3
Super gemacht im Multiplayer ist der Kriegszone-Modus. Eingeteilt in Teams kriegt man im Minutentakt neue Aufgaben serviert.

Aber das ist Kleinkram, der verblasst gegen die vielen Mini-Wow- und Mega-Wow-Momente. Die Verteidigung einer verloren geglaubten ISA-Basis ist ein echt epischer Kampf. Immer stärker werdende Rauchschwaden, überall rot blitzende Augen, dazwischen Exoskelettroboter. Da ist geil gemacht - bis dann langsam das Licht erlischt.

Wer das alles mit der Playstation Move-Steuerung erleben will, der kann das guten Gewissens machen. Die ist gut gemacht und der erste Grund für Hardcore-Gamer, sich die Bewegungssteuerung doch einmal genauer anzuschauen. Klar, mit dem normalen Controller werden fast alle sicherer und schneller agieren, aber intensiver und spannender ist das Game mit Bewegungssteuerung (am besten eingebaut in ein Plastikgewehr). Die Einstellungen sind gut feinjustierbar, so dass die Geschwindigkeit des Zielpunktes sehr variabel bleibt.

Für den Multiplayer ist Move hingegen nichts. Hier geht's ab der ersten Sekunde zur Sache und Spielraum für Fehler fehlt. Super gemacht ist der Kriegszone-Modus. Eingeteilt in Teams kriegt man im Minutentakt neue Aufgaben serviert. Attentate ausführen und verhindern, taktische Punkte sichern, Pakete abliefern, einfach nur so viele Gegner wie möglich abservieren. Ein gelungener Remix von bewährten Standards - und so wird wieder was Spannendes daraus. Nebenbei kann man leveln, um Spezialfähigkeiten freizuschalten, die einem das Leben gehörig erleichtern und es Einsteigern gleichzeitig ziemlich verkomplizieren.

Guerillakrieg und Einsatz sind Standards - aber für alle Modi gilt, dass sich die Karten interessant und abwechslungsreich spielen. Mit Ingenieur, Scharfschütze, Taktiker, Infilitrator, Feldsanitär stehen fünf Basisklassen zur Verfügung. Einige nette Twist sind dabei, etwas der Infilitrator, der die Gestalt der Gegner annehmen kann und diesen Effekt mit genügend Levelpunkten noch verstärkt. Die Multiplayer-Qualität eines Call of Duty: Modern Warfare 2 erreicht Killzone 3 aber nicht.

Killzone 3 ist im Kern "nur" ein großartiges, aber sehr gewöhnliches Spiel. Es ist das Gegenstück zu Hollywood-Filmen von Roland Emmerich. Perfektionierte Popcorn-Action, mit Pathos, Patriotismus und nicht ohne Peinlichkeiten.

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Großartige Optik, wahnsinninger Sound und klasse Soundtrack, toller Action-Shooter
-
Zu kurz, kein Online-Koop, generisches Gameplay
overall score
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KRITIK. Von Christian Gaca

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