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Need for Speed: Most Wanted

Need for Speed: Most Wanted

EA hat sich Criterion geschnappt, um die Need for Speed-Serie aufzupimpen. Die Burnout-Macher haben das knapp sieben Jahre alte Launchgame der Xbox 360 grundsaniert. Das war damals ein großartiges Actionrennspiel - und das gilt heute auch noch. Nur aus anderen Gründen.

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Need for Speed: Most Wanted zu spielen, das ist ein bisschen wie das Gefühl, zehn Dosen Red Bull in zehn Minuten getrunken zu haben. Alles hier ist im Vorspulmodus: schnell, hektisch, laut und grell. Aber irgendwo dahinter warten viele geschmeidige Momente der Hochgeschwindigkeit und der vollen Kontrolle bei 330 Stundenkilometern im Gegenverkehr. Herrlich, wenn man den Gegner mit einem gekonnten Takedown erledigt, um schnell wieder vollen Nitro zu haben. Denn nur mit Boost gewinnt man. Driften und im Gegenverkehr fahren bringt auch Boost. Aber nur ein direkt in die Leitplanke, den Gegenverkehr oder ein stehendes Hindernis geschubster Gegner macht sie sofort voll.

Das hier ist das schnelle Vergnügen. Wir müssen in der Solokampagne ein paar wunderschöne Stunden lang entweder im Street Race vor den Cops abhauen, ein normales Rennen fahren oder einen Speedrun starten, um eine möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeit zu erreichen. Nichts kompliziertes. Die Rennen dauern selten länger als drei Minuten. Und das ist ausgesprochen toll.

Dabei waren die ersten zehn Minuten so ganz anders, gekennzeichnet von einer überraschenden Überforderung. Schon der erste Wagen ist ein echter Rennwagen, ein Porsche. Aber nach dreizig Sekunden hat man schon einen Lamborghini Countach gefunden. Drei Straßenecke weiter steht ein SLS AMG. Oder ein Lancia Delta HF Integrale. Also steigt man erstmal die ganze Zeit um, von Auto zu Auto - man will sie ja schließlich alle haben.

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Need for Speed: Most WantedNeed for Speed: Most Wanted
Die Rennen dauern selten länger als drei Minuten. Und das ist ausgesprochen toll.

Bis man dann kapiert, dass das gar nicht nötig ist. Einfach einmal kurz neben dem Wagen anhalten reicht, schon wird er der Fahrzeugliste hinzugefügt. Theoretisch sind selbst schnellste Wagen sofort verfügbar, wenn man ihre Verstecke denn findet. Anfangs also fährt man hektisch durch die Stadt und sammelt ein, was geht. Man kommt selten bei einem wirklichen Rennen an, weil man immer noch ein Auto findet, dass man haben will.

Die Fahrzeugliste ist, wie alles im Spiel, über das neue Easydrive-System anwählbar. Hier suchen wir Rennen aus, gehen ins Autolog 2.0-Onlinesystem, sehen Freundeslisten oder starten den Multiplayer. Geht ganz schnell übers Digitalpad und erleichtert das Leben in der ansonsten menüarmen und offenen Spielwelt von Fairhaven. Sprachsteuerung ist via Microsoft Kinect möglich. Man weiß es schnell zu schätzen, nach einem gescheiterten Event einfach nur noch Neustart brüllen zu müssen.

Im Solospiel gilt es hier, zehn Fahrer von schnellen Autos zu jagen, um ihnen die abzunehmen. Es stehen aber nicht, wie noch im Jahr 2005, konkrete Personen dahinter, sondern "nur" noch die Autos. So bleiben uns dümmliche Schauspielzwischensequenzen erspart, die aber leider von eigenartigen Artsy-Fartsy-Introsequenzen abgelöst wurden. Die sind zwar teilweise cool gemacht, haben aber leider häufig einen fiesen schwarzen Balken und passen nicht zum Vollbildmodus des Spiels. Der nutzt übrigens nicht in vollen 720p-HD-Bildzeilen, sondern ist „nur" 704p. Hängt wohl mit der Frostbite 2.0-Engine zusammen, bei Battlefield 3 war das auch schon so. Mindert die Qualität der Grafik allerdings nicht im Geringsten.

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Optisch ist das Spiel absolut überzeugend. Die Autos sehen schick aus, egal ob frisch glänzend oder total zerbombt vom Schadensmodell. Die Stadt ist nicht minder bezaubernd, wenn auch völlig unbelebt. Hübsche Regen- und Schneeeffekte prasseln auf die Scheiben. Tag- und Nachtrennen wechseln sich unmerklich ab. Das Spiel läuft absolut flüssig und selbst bei hohen Geschwindigkeiten ist die Weitsicht enorm. Man hat immer alles unter Kontrolle. Beziehungsweise sieht das Unglück immer kommen, weil das mit dem Ausweichen dann doch nicht immer klappt. Denn die Streckendesigner haben einen guten Job gemacht und fiese Fallen eingebaut in Form von Brückenpfeilern, Ausfahrten und harte Kurven. Da fliegt man trotz hervorragender Steuerung und arcademäßig leicht zu kontrollierenden Wagen immer wieder ab. Dann kracht es gewaltig. Herrlich - wenn man es nicht gerade selbst war.

Jedes Autos hat ein Set von fünf Rennen, für die es je nach Platzierung Speedpoints und Upgrades für den jeweiligen Wagen gibt. Die Autos lassen sich moderat tunen an Reifen, Chassis und Motor. Nichts wildes, aber selbst der Nitro-Boost muss erst freigespielt werden. Speedpoints definieren den eigenen Most Wanted-Status - und es gibt sie für das Zerstören von Werbetafeln, das Ausreizen von Radarfallen, das Abhängen von Cops und für Hunderte kleiner Aufgaben, die im Hintergrund abgespult werden.

Im Solo-Modus sind die Rennen von einem fiesen Rubberband-Effekt gekennzeichnet, der die Gegner immer wieder schnell zu einem zurückführt. Gerade bei den Most Wanted-Rennen ist das stark spürbar und mal arbeitet es für einen, aber eben auch gegen einen. Perfektes Fahren wird trotzdem noch belohnt, weil man dann dem Gummiband einfach davonfährt - ein irrsinnig befriedigendes Gefühl. Gegen reale Gegner online ist der Effekt nicht so penetrant, aber immer noch spürbar.

Need for Speed: Most Wanted
Wer sich mit der Polizei anlegt, sammelt zwar fleißig Speedpoints für Takedowns und anderen Quatsch, sollte sich aber besser nicht erwischen lassen.

Wer sich in Need for Speed: Most Wanted mit der Polizei anlegt, sammelt zwar fleißig Speedpoints für Takedowns und anderen Quatsch, sollte sich aber besser nicht erwischen lassen. Denn dann ist der gesammelte Kram weg, ganz egal, wie lang oder kurz die Verfolgung war. Wer das Wanted-Level auf den Maximalwert Sechs gepusht hat, muss so einiges unternehmen, um die Cops abzuschütteln. Trotzdem ist gerade das so richtig toll: diese selbst initiierten Verfolgungsjagden. Die Stadt frei nutzen, all ihre Abkürzungen und Verstecke. Ich war mehrmals einfach so 20 Minuten damit beschäftigt. Das spült im Erfolgsfall dann auch richtig viel Speedpoints aufs Konto.

Durch Autolog 2.0 sind alle Freunde automatisch immer miteinander vernetzt. Es gibt hier Speedwalls für alles. Jede der 66 Radarfallen zum Beispiel ist quasi ein eigener Contest und speichert eine Höchstgeschwindigkeit. Ebenso die Billboards, durch die man springen kann und an denen die Weite des Flugs gemessen wird. Kleinscheiß natürlich, aber er tickert so mit und nimmt auch nur den leisesten Anflug von Langeweile weg.

Die Multiplayer-Onlinewelt erreichen wir via Freedrive. Die Stadt ist identisch, dient nun aber als Spielplatz ohne Missionen. Online gibt es einen zusätzlichen Wert, das Speedlevel von 1 bis 70. Je weiter man aufsteigt, umso mehr Autos werden freigeschaltet und ihre dazugehörigen Boni auch. Nicht alle Wagen sind hier sofort verfügbar und auch nicht all jene, die man solo schon freigespielt hat. Speedpoints werden online auch gesammelt, die Onlinewagen aber anders hochgelevelt, nämlich allein über das Fahren mit ihnen und das Ausführen von Stunts, Drifts oder ähnlichem.

Need for Speed: Most Wanted
Der Multiplayer wird dem Spiel ein langes Leben bescheren, das ist sicher.

Wer online spielt, tut das mit- und gegeneinander. Man lädt sich ein paar Freunde ein und startet eine Liste aus fünf Spielen. Die kann man sich zusammenbauen oder vordefinierte nehmen. Die Auswahl ist groß, es sind alle möglichen Arten von Rennen am Start. Es gibt Team-Events, in denen eine zufällig zusammengewürfelte Mannschaft Aufgaben erfüllen muss, wie etwa möglichst schnell eine bestimmte Strecke weit fliegen von einem bestimmten Dach herunter. Danach dann ein Rennen. Dann möglichst schnell 40 Near-Misses produzieren, was umgehend in ein Donut-Onlineballett ausartet. Der Multiplayer liefert lockeren Spaß und bitteren Ernst, direkt hintereinander. Selbst der Weg zum nächsten Treffpunkt dieser Fünf-Spiele-Liste ist ein Spiel, denn wer zuerst ankommt kriegt Extrapunkte. Auf dem Weg dahin kann man natürlich Speedpoints sammeln, indem man die anderen Spieler ins Aus schubst.

Der Multiplayer wird dem Spiel ein langes Leben bescheren, das ist sicher. Auch wegen Konzepten wie den Sweet Revenge Awards. Wer mehrmals denselben Spieler per Takedown erledigt, bekommt dafür das Recht, auch dessen Wagen zu fahren, kriegt kurzeitig endlos Nitro oder wird temporär unangreifbar. Ziemlich hilfreich in einem Spiel, in dem irgendwann alle nur noch Takedowns in Höchstgeschwindigkeit wollen und dabei immer wieder gerne das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren. Nach jeder Runde gibt es zudem Tickets für besondere Leistungen im Spiel, auch das hält einen subtil bei Laune.

Das sind kleine Details, aber sie machen den Unterschied. So wie der Qualm der quietschenden Reifen zum Beispiel, nachdem man irgendwo durch die Kurve gedriftet ist oder einfach nur Donuts gedreht hat. Sieht einfach wunderschön aus. Oder der hoch pfeifende Sound bei Tunnelfahrten. Oder das man zum Rennen starten einen Burnout machen muss, statt einfach einen Knopf zu drücken. Man sieht die Liebe in diesem Spiel. Man sieht Criterion. Das macht das neue Need for Speed: Most Wanted so gut. Einzig der Soundtrack hätte irgendwie besser zusammengestellt sein können, aber das ist Geschmackssache.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Verknüpfung von Solo- und Mehrspielermodus durch Autolog 2.0, tolles und gut umgesetztes Arcade-Fahrgefühl,
-
Artsy-Fartsy-Introsequenzen, Takedown-Sequenzen nicht deaktivierbar
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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