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Giana Sisters: Twisted Dreams

Giana Sisters: Twisted Dreams

Es ist inzwischen 25 Jahre her, dass ein Super Mario-Klon die Herzen einer ganzen Generation von Spielern erobert hat. Aber der Frieden mit Nintendo ist gemacht. Das zweite Abenteuer der Giana Sisters ist ein absolut eigenständiges Jump'n'Run geworden.

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Als ich sechs oder sieben war, gab es bei mir zu Hause noch keinen Computer. Heute gibt es sechs und allein vier davon gehören mir. Damals waren Computer noch etwas sehr mysteriöses und immer, wenn ich mit einem gespielt hatte, schien es so, als würde ich eine ganz neue Welt betreten. Und genau aus diesem Grund war ich damals öfters bei den Nachbarn. Die nämlich hatten einen Amiga 500.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich im Sommer oft morgens dort war und gespielt habe: Rick Dangerous, Garfield und natürlich The Great Giana Sisters. Damals war ich noch zu jung, um das zu begreifen, dass es sich dabei nur um einen Klon von Super Mario Bros. gehandelt hat. Einen ziemlich dreisten Klon, um es noch milde auszudrücken. Identisches Konzept, identische Spielmechaniken und ziemlich ähnliche Gegner und Welten, die ziemlich genauso aussahen wie die aus Nintendos Meisterwerk. Natürlich reagierte das japanische Unternehmen umgehend und zog das Spiel aus dem Verkehr. Trotzdem erlangte es in der kurzen Zeit Kultstatuts für viele Gamer und all jene schwelgen bis heute in Erinnerungen an diese Zeit. Und als Raubkopie drehte es noch lange seine Runde auf den Schulhöfen.

Als die Jungs von Black Forest Games ankündigten, dass sie an einer Neuauflage der Giana Sisters arbeiten, hielt ich das zunächst für ein Spiel, dass an dem Syndrom einer goldenen Ära kranken würde. Ich ging davon aus, dass es eine Art Kopie des Originals sein würde, das nur so weit verändert worden wäre, um eine weitere Klage von Nintendo zu vermeiden. Aber ich lag falsch. Giana Sisters: Twisted Dreams ist ein komplett neues Spiel. Und um es kurz zu machen, es ist ein wunderbares Jump'n'Run.

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Giana Sisters: Twisted DreamsGiana Sisters: Twisted Dreams
Unser Charakter kann ständig zwischen zwei verschiedenen Formen wechseln.

Das Konzept von Giana Sisters: Twisted Dreams ähnelt nur noch entfernt dem Original. Diesmal hat es nur sehr wenig mit Super Mario gemeinsam, sondern nähert sich eher Sonic the Hedgehog oder noch besser Outland vom Entwickler Housemarque aus dem Jahr 2011 an.

Unser Charakter kann ständig zwischen zwei verschiedenen Formen wechseln, die sich Cute und Punk nennen. Die süße Giana hat die Fähigkeit, sich in der Luft zu drehen und aufzusteigen. Und die Welt, durch die sie sich bewegt, ist durch sanfte Farben und unwirkliche Landschaften gekennzeichnet. Ihre Musikbegleitung ist zuckersüß und voller Hall. Die punkige Giana dagegen kann Gegner mit einer schnellen Attacke verletzen, die an den Spin Dash von Sonic erinnert. Ihre Welt kennzeichnet sich eher durch eine sehr außergewöhnliche Farbexplosion und die Musik ist mitreißender Rock.

Der Wechsel zwischen den beiden Giana-Versionen hilft uns, unterschiedliche Rätsel im Spiel zu lösen. Beispielsweise gibt es Tore, die sich nur der punkigen Giana öffnen und es gibt Hindernisse, die nur für die süße Giana verschwinden. Oder aber es gibt Abgründe, die nur die nette Version überwinden kann, während die fiesere Variante einfach Wände einreißen kann. In einigen Fällen ist es sogar nötig, die Form während eines Sprungs oder einer wilden Rennerei auf sich bewegenden Plattformen zu wechseln.

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Und das bringt uns dann auch zum entscheidenden Punkt des Spiels. Giana Sisters: Twisted Dreams ist ein richtig schwieriges Spiel. Es gibt keine Leben - wir können also so oft sterben, wie wir wollen. Wir werden immer an einem nahegelegenen Checkpoint wiederbelebt. Während wir aber in den ersten Abschnitten nur ein- oder zweimal das zeitliche gesegnet haben, stieg die Zahl der Versuche ab dem dritten Level exponentiell an. Für den Boss der ersten Welt mussten fast schon peinliche 47 Versuche aufgebracht werden.

Insgesamt gibt es 23 Level, aufgeteilt auf drei Welten. Für jedes Level braucht man beim ersten Versuch im Schnitt zehn bis 15 Minuten. Das Spiel ist also durchaus recht langlebig. Nach jedem Level haben wir die Möglichkeit, es noch einmal zu spielen, um versteckte Kristalle zu finden oder einfach eine bessere Punktzahl für den Time-Attack-Modus zu erreichen. Sobald das Spiel komplett durchgespielt ist, werden noch zwei Hardcore-Modi freigeschaltet. Der eine kommt ohne Checkpoints aus und der andere ist völlig wahnsinnig - in dieser Variante müssen wir das Spiel nach dem Ableben ganz von vorn anfangen.

Die Balance zwischen Action- und Puzzle-Abschnitten ist fast perfekt and das Spiel ist einer hervorragendes Beispiel für cleveres Leveldesign. Einige der versteckten Kristalle sind beispielsweise an Orten versteckt, für die schon eine Menge Talent nötig ist, um sie zu erreichen. Oft werden wir uns dabei ertappen, wie wir unzählige Stunden damit verschwenden, einen scheinbar unerreichenbaren Ort zu erreichen. Und wenn dies endlich gelingt, ist das ein unglaublich gutes Gefühl.

Giana Sisters: Twisted Dreams
Weder die Monster noch die Giana-Schwestern sind besonders originell konzipiert.

Das einzige, was mich nicht überzeugt, ist das Charakterdesign. Es ist nett anzuschauen, wie sich Gegner jedes Mal verändern, wenn wir unsere Heldin wechseln. Monster in Form von wilden Dämonen verwandeln sich in flauschige Eulen, aus Zombies werden Ritter und fliegende Schädel sind plötzlich große Seeigel. Allerdings sind weder die Monster noch die Giana-Schwestern besonders originell.

Und wenn wir schon bei den Monstern sind - es reicht oft aus, einfach auf ihren Kopf zu springen oder sie mit einer schnellen Attacke zu schlagen, um sie aus dem Verkehr zu ziehen. Manche Gegner können wiederum gar nicht berührt werden. Die Boss-Gegner allerdings lassen sich nur besiegen, wenn wir sie dreimal treffen. Diese Kämpfe erinnern sehr an Bossfights aus Super Mario World.

Zum Schluss will ich noch ein paar Worte über den Soundtrack verlieren. Die Idee, dass die Musik sich mit jedem Charakterwechsel anpasst, ist wirklich gut. Aber die Musik als ganzes wiederholt sich etwas zu oft. Es nervt nicht, es ist immer noch das Werk von Chris Hülsbeck in Zusammenarbeit mit der schwedischen Heavy-Metal-Band Machinae Supremacy. Aber nach zwei Stunden wünscht man sich einfach auch mal einen anderen Song als die übliche Schleife.

Wer geglaubt hat, dass Giana Sisters: Twisted Dreams nur eine HD-Neuauflage des alten Mario-Klons ist, wird enttäuscht werden. Wer aber einen guten und herausfordernden Plattformer mit vielen großartigen Ideen will, sollte sich das Spiel auf jeden Fall kaufen. Bei einem Preis von weniger als 15 Euro ist es eine wirklich gute Investition.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
viele tolle Ideen, großartiges Leveldesign, herausfordernd und schwierig, nettes Konzept
-
etwas einfallsloses Charakter-Design, Musik ein wenig eintönig
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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