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Saw II: Flesh & Blood

Saw II: Flesh & Blood

Wir kamen, wir sägten, wir verzweifelten. Ist es in der Tat möglich, dass es ein Entwickler schafft, sämtliche Kritik links liegen zu lassen, die Stärken eines Spiels über den Haufen zu werfen und seine Schwächen weiter auszubauen? Ja. So etwas ist möglich. Nur kommt es nicht besonders oft vor. Doch bei Saw II: Flesh & Blood ist genau das jetzt geschehen.

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Erinnern wir uns: Im letzten Jahr, da erschien nach gefühlten hundertausend Filmen das erste Videospiel zum Saw-Franchise. Eigentlich schon komisch, dass es so lange gedauert hatte. Und das bei einer so erfolgreichen Reihe. Nun gut, es kam am Ende immerhin. Aber perfekt war es bei weitem nicht. Es erinnerte mehr an ein typisches Lizenzspiel. Einige eingebaute Ideen konnten sich durchaus sehen lassen und waren sinnvoll. Es gab aber auch viele Frustmomente. Das Kampfsystem war übel. Aber: Ganz so schlecht war der Titel am Ende nicht. Ein potenzieller Nachfolger hätte nur die Stärken ausbauen müssen und schon wäre ein anständiges Spiel dabei herausgekommen.

Die Realität sieht leider anders aus. Zunächst einmal die Geschichte - die hat es nämlich in sich. Wir schlüpfen in die Haut von Michael, einem korrupten Reporter, der zur Not auch über Leichen geht. Damit aber nicht genug: Er ist der Sohn von Detective Tapp. Eben jenem Tapp, der so verrückt nach Jigsaw war. Der den irren Killer bis zum Umfallen jagte und am Ende selbst in den Fängen des Psychopathen landete. Jetzt ist eben Michael an der Reihe und findet sich ebenfalls in den Klauen von Jigsaw wieder, möchte dabei noch den Tod seines Vaters aufklären und irgendwie überleben. Was bei all den Fallen natürlich nicht ganz einfach ist. Es gibt also viel zu tun.

Was aufgeschrieben alles irgendwie einleuchtend klingt, präsentiert sich im Spiel als Geschichte, der es an Logik, Zusammenhang und Spannung mangelt. Erklärungen gibt es so gut wie nie, die Charaktere bleiben meist ein Mysterium. Die Story ist so wirr erzählt, wie das auch schon bei den Filmen selbst der Fall war und noch immer ist. Fans der Reihe freut das in gewisser Weise sicherlich, doch Neueinsteiger verstehen am Ende nur Bahnhof. Und selbst Kenner der Filme wissen nicht immer, was da eigentlich gerade vor sich geht. In Fallakten und auf Tonbändern gibt es hin und wieder genauere Hinweise, doch sind die so interessant wie eine längst skellettierte Leiche. Spannung mag nicht so recht aufkommen, was nicht nur an der wirren Erzählweise liegt, sondern auch an Protagonist Michael, der so sympathisch ist wie der unliebsame Mitbewohner einer Wohngemeinschaft.

Saw II: Flesh & Blood
Wenn man genau hinschaut, ist der zweite Teil der Saw-Reihe zu brutal und gleichzeitig zu langweilig.
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Gut. Die Geschichte ist ja nicht zwangsläufig das Wichtigste an einem Spiel. Solange das Gameplay stimmt, sieht der willige Käufer ja über solche Macken hinweg. Ein Horrorspiel sollte also haufenweise Schockeffekte liefern. Dummerweise gibt es die in Saw II: Flesh & Blood nicht. Nicht ein einziges Mal im gesamten Spiel zuckt man zusammen aus Furcht. Nur aus Frust über die Steuerung zuckt man. Zwar gibt es durchaus kreative Fallen und Rätsel, doch werden sie im Verlauf des Spiels so dermaßen oft recyclet, dass sich nicht nur wegen der dämlichen Steuerung Frust anstaut.

Was uns zum nächsten Punkt bringt: dem Frust. Bereits das erste Saw setzte auf Quicktime-Events. Doch was die Macher hier beim zweiten Teil abgeliefert haben, das besteht am Ende fast ausschließlich aus genau solchen Knöfedrückeinlagen. Fallen werden grundsätzlich so überwunden. Den Entwicklern ist es sogar gelungen, das schon grausame Kampfsystem des ersten Teils noch einmal zu unterbieten: Auch bei den handgreiflichen Auseinandersetzungen kommen jetzt Quicktime-Events zum Einsatz. Wer sich verdrückt, der stirbt nach einigen Treffern, was zu noch mehr Frust führt, da die Speicherpunkte oft gänzlich sinnfrei und unfair platziert wurden.

Bei den Rätseln setzt Saw II: Flesh & Blood auf Minispiele. Das ist nicht schlimm, machen die Teile doch beim ersten Mal auch Spaß. Doch wie wir bereits angedeutet haben, wiederholen sich die Elemente, aus denen die Spiele bestehen. Und das nicht gerade selten. Schaltkreise ordnen, Uhren lesen und Zahlen eingeben - immer und immer wieder und immer nach dem gleichen Muster. Gleiches gilt, wie ebenfalls erwähnt, auch für die Fallen. Wer zum hundersten Mal einer herabfallenden Axt ausweicht, der ist eben nur noch genervt.

Saw II: Flesh & Blood
Auch bei Prügeleien kommen nun Quicktime-Events zum Einsatz - zeitgemäß ist das sicher nicht.
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Also: Geschichte undurchsichtig, Gameplay weniger als durchwachsen und ewige Monotonie. In welcher Disziplin überzeugt Saw II: Flesh & Blood denn überhaupt? Die Antwort ist simpel, wenn auch nicht gerade ruhmreich: bei der Gewalt. Das Spiel ist ein reines Schlachtfest. Innereien sieht man alle Nase lang, die Todessequenzen sind langatmig, Blut fließt in Strömen und überall liegen Leichen herum. Klar, das gehört zu Saw. Doch hier wurde es mit der Gewalt ein wenig übertrieben. Fast bleibt der Eindruck, dass es die Intention der Entwickler war, einfach nur irgendeine Form von Spielgerüst zu schaffen, um dann möglichst viel Brutalität zu präsentieren.

Optisch sieht das alles nicht einmal besonders schön aus. Klar, die Unreal Engine sorgt insgesamt für stimmige Abschnitte, doch das Leveldesign grenzt an eine Katastrophe. Ganz davon ab gibt es nette Texturen, brauchbare Animationen und eine düstere Atmosphäre. Dennoch: Auch bei der Optik ist das nicht oberste Liga. Die Vertonung ist auch nur unteres Mittelfeld, gerade die Synchronstimmen wirken aufgesetzt, fast schon stümperhaft und penetrieren die Ohren. Nur die Musik verhindert den Totalausfall.

Was am Ende bleibt, das ist ein Spiel, welches so viel hätte sein können. Doch die Entwickler haben sich selbst ins Bein gesägt. Sie haben die Kritik der Spieler nicht für voll genommen. Sie haben jede positive Idee von Saw genommen, über Bord geworfen und am Ende ihr Ding durchgezogen. Was übrig bleibt, das ist ein verschlimmbesserter Titel, den wir keinem noch so beinharten Fan der Reihe wirklich empfehlen. Unsympathische Charaktere, keinerlei Schockmomente, auf Dauer doofe Rätsel und Fallen sowie eine bestialisch schlechte Steuerung schaffen es, jeden aufkommenden Spaß im Keim zu ersticken. Da nützt auch die gute Atmosphäre am Ende nur wenig.

04 Gamereactor Deutschland
4 / 10
+
düstere Atmosphäre und viel Gewalt freut die Serien-Fans
-
der gesamte Rest des Spiels
overall score
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