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Fable III

Fable III

Peter Molyneux... - man kann ihn lieben, ihn ein bisschen zu selbstbewusst finden, so wie ich oder man kann ihn hassen. Aber man kann ihm nicht nachsagen, dass er schlechte Spiele machen würde. Wirklich nicht. Fable III ist auf seine ganz eigene Art mal wieder eines dieser Molyneux-Meisterstücke, die bis auf wenige konzeptionelle Kleinigkeiten und einen Teil der Grafik perfekt zurecht gehobelt worden sind vom Lionhead-Team.

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Fable III ist vor allem ein Spiel, dass es schafft, uns als Spieler nachdenklich werden zu lassen. Und zwar immer wieder, ganz unmittelbar. Bereits ganz am Anfang konfrontiert uns Peter Molyneux mit einer großen Frage für einen Monarchen, der wir als junger Held noch nicht sind. Der böser Bruder Logan setzt uns nach einem Streit auf seinen Thron und fragt: "Du willst König sein? Dann entscheide!" Die Entscheidung bietet folgende Optionen: Die eigene Freundin töten lassen oder alternativ zwei arglose Bürger. Links und rechts schweben zwei Symbole auf und ab, sie repräsentieren die X- und die A-Taste. Ich soll drücken, warte aber und wäge ab. Lass' die Zeit verrinnen und drücke nichts. Logan zählt von fünf runter und als ich nichts mache, trifft er die Entscheidung selbst. Was Fable III einem damit gleich am Anfang erklärt, ist dass es immer eine Entscheidung geben muss - und sei sie noch so schwierig zu treffen.

Das Reich Albion, Fable-Fans schon seit langem bekannt, ist mittlerweile im Industriezeitalter angekommen - und damit im Zeitalter der Unterdrückung. Logan will Albion offenkundig untergehen lassen. Eine Rebellion gegen ihn muss her - und die führen wir wutentbrannt an. Der Fortschritt im Spiel wird durch den Weg des der Guildensiegel auf der Siegesstraße symbolisiert. Ein Weg hin zu einem Schloss und jenem Reich, was wir regieren werden. Die Gildensiegel ebnen den Weg. Sie schalten Portale und neue Kisten frei und werden im Kampf, durch Interaktionen mit der Bevölkerung Albion und als Quest-Belohnung gewährt. In den Kisten lagern Nahkampf-, Fernkampf- und Magiestärke sowie neue Zauber und Konversations- sowie Sekundärfähigkeiten wie Zugang zum Immobilienhandel. Wer die Fable-Reihe kennt, wird Fable III sofort verstehen und sich zurechtfinden.

Fable III ist immer noch eines dieser Content-Monster, bestehend aus vielen Haupt- und noch zahlreicheren Nebenquests, die man auch nach Beendigung des eigentlichen Spiels absolvieren kann. Ein Beispiel für den Inhaltewahn: Nachdem man einem Kleingärtner einen Gargoyle-Kopf zurückgebracht hat, singen dessen vormals leblose Gartenzwerge nun vom Gargoyle-Geist besessen lustige Lieder. Und das tun sie eine ganze Weile, wenn man daneben stehen bleibt nach dem Ende der Quest. Ziemlich lange sogar. Ich hab‘s jedenfalls nicht ausgehalten, mir das alles anzuhören. Fable III ist dabei ein wunderbar synchronisiertes Content-Monster. Selbst vom bösen, britischen Witz, den alle Spieler der Original-Version optional genießen dürfen, ist in der deutschen Version noch einiges übrig geblieben.

Fable III
Mit dem Schwert durch die Wölfe - beim Kämpfen lohnt es sich, das richtige Timing zu lernen, denn das lässt die lebendige Waffe zu einem hübschen Objekt werden.
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Die Minispiele zum Geld verdienen sind toll: Das Laute-Spiel ist Guitar-Hero in ganz klein. man kann als Konditor und Schmied arbeiten. Es gibt Beziehungsquests, um Freundschaften zu schließen, dann verliebt man sich und um die Beziehung auf eine neue Stufe zu bringen wird geheiratet und dann Kinder gezeugt. In Fable III darf wieder fröhlich der (je nach Vorlieben auch homosexuellen) Vielehe gefröhnt werden. Meine erste Liaison mit der Strandverkäuferin Carolyn, die mich mit den Worten begrüßt: "Ich wünschte, ich wäre reich geboren", endete 20 Minuten später mit einer Hochzeit im Fort Mournigwood (Festung Morgenlatte) und dem Kauf eines Liebesnestes in einer Hippie-Enklave, die ich später eher unfreiwillig in eine Grube zum Abbau von Eisenerz verwandele. Irgendwo im Off zeichnet das Spiel derweil nebenbei unter anderem die höchste Partnerzahl beim Gruppensex auf (bei mir derzeit immer noch: 1) und schenkt einem das legendäre Kondom der Götter. Denn Geschlechtskrankheiten fehlen natürlich nicht.

Was der dritte Teil der Fable-Reihe trotzdem dringend will, ist es ein Mainstream-Produkt zu sein. Er ist deutlich zugänglicher, entrümpelt, ziemlich auf eine leichte Verständlichkeit und Zugänglichkeit getrimmt. Ein Actionrollenspiel für Einsteiger ist es am Ende - und wird nach etwas über der Hälfte zum Actionrollenspiel mit angehefteter Politik-, Moral- und Wirtschaftssimulation. Das mutet zuerst ein bisschen komisch an, fügt sich aber schlussendlich logisch zusammen.

Was Fable III so toll macht, ist seine schlaue Schlichtheit. Die Menüführung ist wirklich erstklassig verschlankt. Mit einem Klick sind wir im virtuellen Wandschrank unseres treuen Dieners Jasper. Wo hier aus lassen sich mit wenigen Klicks alle relevanten Dinge verwalten: die Waffen, die Kleidung, das Onlinespielen. Zur einfachen Navigation wird eine 3D-Karte mit Schnellreise-System für die Quests genutzt. Direkt im Spiel leitet ein glitzernder Pfad am Boden den Helden. Leider ist der Pfad nicht immer akkurat, simuliert damit aber perfekt ein durchschnittlich mieses Navigationssystem. Das schickt einen schließlich auch häufiger auf Umwegen durch die Städte. Richtig nervig daran ist nur, dass in jenen Gebieten, die man mehrmals durchstreift, die kleineren Gegner nicht nach dem Zufallsprinzip erscheinen, sondern streng gescriptet immer wieder an der exakt gleichen Stelle erscheinen, egal ob Tag oder Nacht. Später werden sie durch stärkere Gegner ausgetauscht, das Prinzip bleibt aber identisch.

Fable III
Der Held als junger Prinz - und schon nervt das Volk mit Bitten und ringt einem das erste Versprechen ab.
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Je höher man die eigenen Skills mit einer der lebendigen Waffe steigert (durch das Kaufen von Upgrades auf der Siegesstraße oder das Kämpfen selbst), umso variantenreicher sind die Animation mit dieser Waffe in den Kämpfen. Es lohnt sich auch, geschickt und mit Stil zu kämpfen, denn dann entwickelt sich das lebendige Schwert imposant weiter. Es entwickelt Gravuren und strahlt oder Blut tropft von ihm herunter. Wer nur schnell und strukturlos Knöpfe drückt, behält übrigens eine mickrige, wenig imposante Waffe. Das Kämpfen selbst ist hauptsächlich eine Timing-Angelegenheit in Kombination aus Abstand und Position. Wirklich gut gemacht, obwohl man nur wenig drücken muss. Einen Button für Magie, einen für die Schlag- und einen für die Schusswaffe. Toll ist auch, dass man im Kampf nicht wirklich stirbt, sondern immer nur einen Gildenpunkt abgibt, wenn man draufgeht.

Die Interaktionen mit der Bevölkerung Albions ist wichtiger Teil des Spiels, mir persönlich leider aber zu nervig, aus nur einem Grund. Jedes Mal, wenn man ein Gespräch beginnen will, muss man es mit einem Druck auf den A-Knopf "aktivieren". Danach gibt‘s dann mehrere Möglichkeiten, je nachdem, welche Geprächsskills man sich bereits angeeignet hat. Es ist nur ein Klick zu viel am Anfang, aber einer, der mich mehrfach grandios aufgeregt hat. Außerdem ist nervig, dass man danach immer die Taste gedrückt halten muss für einige Sekunden, um mit A die Aktion zu bestätigen. Das ist wie bei Kinect, wo man immer über einem Button verharren muss, um ihn auszulösen. Ich hab‘ das Gefühl, dass das noch ein Überbleibsel davon ist, Kinect auch bei Fable III nutzbar zu machen.

Bezaubernd ist die erstaunlicher Leichtigkeit im Spielfluss und die erdrückende Schwere des Inhalts. Man gibt nach den Quests Versprechen um Versprechen ab: Mistpeak erlösen, Akademien eröffnen, die Ausbeutung in Bowerstone zu beenden und Aurora, die Stadt der Albträume, vom Kriecher befreien, der Dunkelheit und Tod bringt. Werde ich die alle halten können? Nachdem der große Widersacher geschlagen ist, scheint das Spiel vorbei zu sein, nimmt aber nur eine Wendung. Mein neuer Diener Hobson lässt mich wissen, dass der erste Teil der Bestimmung erfüllt aber die Reise damit nicht vorbei ist. Albion werde bald angegriffen, die Bedrohung sei enorm. In einem Jahr komme die Dunkelheit, das sei sicher! Wir müssen nun so viele Menschen retten wie möglich. Die gemachten Versprechen halten oder nicht, das liegt nun bei einem selbst.

Fable III
Große Brüste hat sie, aber ob es die richtige ist? Eigentlich egal, der im Spiel straffrei praktizierten Vielweiberei sei Dank.

Der erste Terminplan des Königs sieht vor: Über Logan urteilen, Steuerpolitik festlegen, über den Wiederaufbau des Alten Viertels von Bowerstone entscheiden. Die erste Entscheidung als König ist gleich eine unsagbar schwere. Aber genau das ist großartig gemacht in Fable III an diesen Stellen. Man pausiert das Spiel und überlegt, wägt ab, welche Konsequenzen das alles haben wird. Hier blitzt es wieder hell auf, das Molyneux'sche God-Game. Niemand schafft das so wie der Brite, das sich einem die Gesichtsmuskeln zusammenziehen während dieses Denkprozesses. In diesen Momenten ist Fable III die große Gegenthese zum seelenlose Ballern, das es natürlich selbst auch abfeiert - schließlich macht das ja auch viel zu viel Spaß, um es zu verdammen.

Die Entscheidungen als König sind derweil ganz und gar persönliche. Sie gehen tief und wirken echt! "Ich hab‘ dort oben gesessen", sagt der beschuldigte Bruder ungeduldig. "Es ist nicht so leicht, wie es aussieht - oder?" Ich hatte die Exekutieren-Taste bereits gedrückt, aber genau in diesem Moment wieder losgelassen. Jetzt ist mir klar, warum man die Buttons in Fable III an vielen Stellen eine Weile drücken muss. Es steht für die Freiheit, eine Entscheidung relativieren zu können. Das Volk, die Familie, die Bedrohung und mindestens zwanzig andere Faktoren gehen mir durch den Kopf, bevor in meinen Bruder schweren Herzens begnadige. Das hat ein Videospiel mit mir gemacht: erstaunlich!

Mein neue Diener Hobson zeigt mir die Schatzkammer von Albion. Sie ist fast leer. Es werden 6.100.000 zivile Opfer der nicht abzuwendenden Katastrophe erwartet. Nun folgen die Entscheidungen. Kinderarbeit abschaffen? In mehr Bildung investieren? Ein Industriegigant, dessen Weg wir auf einer Blutorgie mit Hoobs, Hohlen Männern, Söldnern und Sandfurien bereits kreuzten, sitzt uns nun als Teufel auf der Schulter und will zum Beispiel das Waisenhaus schließen und in ein Bordell umwandeln. Auch der neue Schlossdiener Hobson hat fiese Ideen, um die leere Staatskasse zu füllen - die Einführung eines Kinderkrieg-Bußgelds zum Beispiel.

Seine schlechtesten Momente hat Fable III in Sachen Optik. Die Animationen in den Gesichtern sind oft schlimm. Sir Walter, unser Lehrmeister im Kampf, hat einen Schnauzbart, der aussieht wie zwei Backsteine. Die Grafik ist überhaupt streckenweise langweilig und sehr schwach in den Texturen und den Details. Das große ganze stimmt aber, der Eindruck nämlich, das Gefühl für die Albion. Aber wer nah ran geht, sieht die Probleme, die eine große Welt wie Albion für Programmierer darstellt.

Einen kleinen Onlinemodus gibt‘s übrigens auch? Man kann sozusagen für Freunde ein Helferlein werden oder selbst eines sein, Online-Freunde heiraten und mit ihnen Kinder zeugen sowie Geschäftspartnerschaften eingehen. Das ist aber nur ein kleiner Quatsch nebenbei. Wer nach den knapp 12 Stunden für das Hauptspiel im Solo-Schnelldurchlauf noch weitermachen will, findet reichlich Möglichkeiten dafür. Ich würde allerdings jedem empfehlen, es langsam angehen zu lassen. Es lohnt sich, alles im ersten Durchgang intensiv zu machen.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Entscheidungen fällen war nie so schön und herausfordend, ein echtes Content-Monster
-
Teilweise lieblose Grafik und Gesichtsanimationen
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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