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Tales of Graces F

Tales of Graces F

Die Zahl der japanischen Rollenspiele, die ihren Weg auch nach Europa finden, ist mehr als überschaubar. Und gerade deshalb ist ein Spiel wie Tales of Graces F eine so willkommene Abwechslung. Die bietet es aber leider nur im beschränkten Maße, wie wir beim Spielen selbst festgestellt haben.

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Und da fallen mir doch das eine oder andere Mal die Augen zu, als ich mich in diesem bequemen Sessel zurücklehne, weil ich wieder dazu verdammt wurde, zu lesen und zuzuhören. Noch dazu strahlt mir die Sonne mitten ins Gesicht und meine Ohren werden mit sanften Klängen gestreichelt. Mit anderen Worten gesagt, es lässt sich schon nach den ersten Stunden in der Welt von Tales of Graces F feststellen, dass es wohl nicht die Story sein wird, die mir das Weiterspielen schmackhaft macht. Dabei ist die Motivation, mal wieder ein richtiges japanisches Rollenspiel auf der Playstation 3 zu spielen, wirklich hoch. Aber der Einstieg ist zäh, wirklich zäh.

Und das, obwohl es so vielversprechend losgeht. Wir begleiten Asbel Lhant, den Sohn des Lords von Lhant, und dessen schüchternen Bruder Hubert auf den nahe gelegenen und noch dazu verbotenen Hügel, auf dem wir ein seltsam rosahaariges Mädchen ohne Gedächtnis finden. Minutenlang lauschen wir nun den Dialogen der Kinder über die beschlossene Suche nach ihrer Erinnerung, ohne selbst aktiv zu werden. Die Synchronisation ist jetzt und auch zu jedem anderen Moment im Spiel wirklich hervorragen und lässt die Charaktere lebendig erscheinen. Und trotzdem gähne ich bei dem Gedanken, dass das nun die nächsten 40 Stunden so weitergehen soll.

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Tales of Graces FTales of Graces F
Die Geschichte ist nicht die große Stärke von Tales of Graces F und der Einstieg ist etwas zähl
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Wer zum ewigen Zuschauer verdammt sein will, der kann gleich ins Kino gehen, könnte man diesem Spiel vorwerfen, wenn es da nicht noch das Kampfsystem gebe. Und das fordert uns und unsere Kindergruppe enorm heraus. In schnellen und dynamischen Echtzeit-Kämpfen gegen Wölfe, Bienen und andere Bewohner der Gegend, lernen wir, mit unseren Fähigkeiten und Waffen umzugehen. Zunächst stehen uns normale Angriffe zur Verfügung, später auch Elementarfähigkeiten. Die schalten wir aber nicht durch ein gewöhnliches Aufleveln frei, sondern durch Titel, die wir nach Kämpfen oder dem Ansehen von Zwischensequenzen erhalten, von denen es auch eine Menge optionaler während des Spielverlaufes gibt, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Denn gerade hier sticht der Humor des Spiels am deutlichsten durch.

Titel beinhalten immer fünf Stufen, die neue Fähigkeiten oder Verbesserungen für unsere Statuswerte bewirken. Taktiker kommen hier voll auf ihre Kosten, denn aus teilweise über 100 Titeln pro Charakter, lässt sich jeder nur denkbare Wunsch nach der Entwicklung unserer Helden verwirklichen. Dazu kommt noch ein komplexes System aus verschiedenen Verteidigungsstufen und einem Eleth-Mixer, der uns, je nach Auftrag, während des Kampfes mit frischer Energie versorgt. Es dauert eine ganze Weile, bis man dieses Kampfsystem mit all seinen Feinheiten begriffen und auch gemeistert hat. Doch gerade dann machen die teilweise chaotischen Kämpfe richtig Spaß. Wirklich jeder kann hier den Kampfstil verfolgen, der ihm am meisten zusagt. Wenn Eisen auf Tierhaut und Donnerblitze auf Schilde treffen, fällt auch weniger auf, dass es Tales of Graces F durchaus anzusehen ist, die überarbeitete Version eines Wii-Spiels zu sein.

Die KI macht wirklich einen hervorragenden Job bei der Steuerung der anderen Charaktere während der Gefechte. Trotzdem liegt es nicht jedem, das Ruder aus der Hand zu geben. Deshalb gibt es die Möglichkeit, einfach mit dem Steuerkreuz zwischen den Figuren hin und her zu schalten und neben den vorher festgelegten Strategien, eigene Befehle zu erteilen oder das Ziel zu ändern. Letzteres ist nur manchmal nicht ganz so einfach, denn dafür muss das neue Objekt unserer Zerstörungswut in der Nähe stehen.

Nachdem sich die Gruppe über das Verbot von Asbels strengen Vaters hinwegsetzt und sich mit Prinz Richard von Windor anfreundet, der gerade zu Besuch ist, nimmt ihr Schicksal eine entscheidende Wende. Das Ende des Prologs bereitet der fröhlichen Kindheit der Freunde ein jähes Ende und stellt ihre Freundschaft auf eine harte Probe. Erst sieben Jahre später steigen wir wieder in die Geschehnisse ein und versuchen einen Krieg nach dem anderen zu verhindern. Geführt werden die durch die Gier nach dem wertvollen Cryas, einer Ressource, aus der jedes Land seine Energieressourcen bezieht. Weil die Vorkommen aber aus unterschiedlichen Gründen knapp werden stellt das die Länder nicht nur vor erhebliche Probleme, es zwingt sie gerade zu, in ihre Nachbarstaaten einzufallen, um selbst zu überleben.

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Das könnte tatsächlich der Stoff für eine actionreiche Geschichte und kritische Allegorie auf unseren ausbeuterischen Umgang mit den Ressourcen unserer Welt sein. Doch dafür wird die Story viel zu träge erzählt und nur selten kommt wirklich eine Art von Spannung auf, die uns emotional mit den Geschehnissen verbinden könnte. Gerade am Anfang reisen wir durch die immer gleichen Umgebungen, die nur durch die vorhandenen Monster für ein bisschen Abwechslung sorgen. Später entdecken wir auch Sand- und Eislandschaften, die wirklich hübsch anzusehen sind, doch offene Wege in andere Gebiete werden stets durch unsichtbare Barrieren versperrt und zerstören die letzte Illusion in einer offenen Spielwelt zu sein. Das Spiel nimmt uns sehr an die Hand und das gefällt sicher nicht jedem Spieler.

Leider ist es aber vor allem dieses Gefühl von Trägheit, dass durch die auf einen Punkt fixierte Kamera und viel zu leichte Rätsel in den Dungeons nur noch verstärkt wird, das einen Großteil des an sich tollen Spielgefühls stört. Und das, obwohl die Geschichte gerade zum Ende hin wirklich an Fahrt gewinnt und unser Interesse an den folgenden Geschehnissen weckt. Tales of Graces F bleibt trotz allem eine lohnenswerte Spielerfahrung, weil es vor allem abseits der Hauptgeschichte noch eine Menge zu entdecken gibt.

Tales of Graces F
Das Kampfsystem ist hervorragend und es gibt viele kleine Kniffe und Details, die viele Stunden Spaß damit sorgen.

Wie etwa das Dualisieren von gesammelten Beeren, Federn, Fellen und anderem Kram mit anderen Gegenständen, um neue Ausrüstungsgegenstände, Schmuck oder nützliche Kampfitems herzustellen. Wir können aber auch auf die Suche nach Objekten gehen, für die Bewohner der Städte und Dörfer verzweifelte Anfragen in Pensionen abgegeben haben.

Aber auch die vielen Nebenaktionen und das Kampfsystem täuschen nicht darüber hinweg, dass hier eben viel mehr drin gewesen wäre, als eine oberflächliche Geschichte über Freundschaft, die in ähnlicher Form sicher schon in Unmengen japanischer Rollenspiele vorgekommen ist. Und trotzdem habe ich nicht aufgehört, es zu spielen. Und trotzdem gab es immer etwas, dass mich bei der Stange gehalten hat - und wenn es am Ende doch wieder nur der eine oder andere Zwischenboss war, denn ich noch besiegen wollte. Tales of Graces F gewinnt sicher keinen Preis für Innovation und Aussehen, aber es versprüht mit seiner freundlich bunten Welt dennoch einen bezaubernden Charme, der jeden Rollenspiel-Fan und Neueinsteiger der Serie begeistern wird.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
tiefgründiges Kampfsystem; tolle Synchronisation; lange Spieldauer
-
zäher Einstieg; träge Erzählweise; wenig Freiraum, man wird sehr stark an die Hand genommen
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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