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Castlevania: Lords of Shadow

Castlevania: Lords of Shadow

Was haben sie nicht alles versucht? Aber jene legendäre Serie, die 1987 auf dem Nintendo Entertainment System ihren Anfang nahm, wollte sich nicht neu erfinden lassen. Alle Versuche, das Spiel mit zeitgemäßer Grafik und aktualisierten Spielmechaniken auszustatten, schlugen fehl. Die Serie litt trotzdem nur wenig, denn die weiterhin regelmäßig erscheinenden Spiele in 2D erfreuen sich ja anhaltender Beliebtheit. Dennoch nimmt die Akzeptanz gegenüber Spielen dieser Machart ab. Konami spielte also noch einmal alle Trümpfe aus, um ihr Baby wieder richtig flott zu machen.

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Mit Mercury Steam überlassen die Japaner ihre traditionelle Serie einem ganz neuen Entwickler. Das junge spanische Studio hat bisher nur die mittelmäßigen Spiele Scrapland und Clive Barker's Jericho zustande gebracht. Allerdings waren alles Auftragsarbeiten, die am Ende sehr wahrscheinlich am Budget scheiterten. Konami brachte nichtsdestotrotz ausreichend Vertrauen auf und gab dem Studio mit Dave Cox als Produzenten und Hideo Kojima als Berater zwei Menschen an die Hand, die wissen, worauf es bei einem Spiel ankommt.

Hundertprozentig schien Konami aber dem Braten anfangs nicht zu trauen. Bei der ersten Ankündigung hieß das Spiel lediglich Lords of Shadow - jeglicher Verweis auf Castlevania fehlte. Man wollte wohl erst einmal schauen, wie die Leute auf das Spielkonzept reagieren. Spielerisch zumindest ist die Serie radikal gewandelt worden, auch wenn überall in der Welt der Stempel Castlevania drauf ist. Es riecht immer noch nach Abenteuer und Entdecken, nach Action und Geschick.

Erzählt wird die Geschichte von Gabriel Belmont, der ausgesandt wurde, um herauszufinden, was die Quelle für das Unheil in der Welt ist. Hat Gott die Menschen wirklich im Stich gelassen oder steckt mehr dahinter? Gern zog er los, denn seine Frau fiel auch einem jener Monster zum Opfer und Gabriel sieht die Möglichkeit, am Ende der Reise seine Frau aus dem Reich der Toten zurückholen zu können. Dieses Ziel ist es, was ihn mehr und mehr antreibt. Seine geliebte Frau zurückzugewinnen, die er so sehr vermisst.

Castlevania: Lords of Shadow
Schon ziemlich zu Beginn geht es gegen einen richtigen großen Gegner - aber keine Sorge, nicht alle sind so riesig.
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Für die Erzählung der Geschichte bedient sich Mercury Steam eines Kniffs. Obwohl wir den Charakter spielen, wird mittels eines Erzählers eine große Distanz zu ihm aufgebaut. Denn Gabriel selbst führt keine Monologe, wir können seine Gedanken nicht lesen. Aber er wird auf Schritt und Tritt beobachtet von Zobek, der übrigens in der englischen Sprachausgabe von Sir Patrick Stewart gesprochen wird. Zobek taucht zwar auch zwischendurch im Spiel auf, aber die meiste Zeit sinniert er einfach nur über die aktuelle Verfassung von Gabriel.

Ob er mit seiner Meinung richtig liegt oder nicht, spielt zunächst eigentliche keine Rolle. Schon bald aber fühlen wir uns dadurch dem Charakter nicht mehr verbunden. Wir folgen ihm nur noch - selbst wenn jede seiner Bewegungen auf unsere Steuereingaben zurückzuführen ist. Diese Entfremdung ist auch per se nichts negatives, sondern wahrscheinlich sogar gewollt. Denn Gabriel selbst ist es, der sich im Laufe der Geschichte entfremdet, sich verändert. Irgendetwas hat von ihm Besitz ergriffen, auch wenn er sich selbst offenbar seiner Gefahr nicht bewusst ist.

Dass Castlevania derart handlungsgetrieben ist, muss wahrscheinlich auch auf die Mitarbeit von Hideo Kojima zurückgeführt werden. Eine starke Geschichte ist sicher nichts Neues für die Serie, aber die Inszenierung mit ihrer Intensität ist eine andere Qualität. Und das gilt auch für die neuen Spielmechaniken. In den alten Spielen war es meist eine große Welt, die wir als Spieler erkundeten. Beispielsweise ein altes Schloss oder etwas ähnliches. Jetzt jedoch gibt es nur Häppchen an unterschiedlichen Schauplätzen. Gabriel befindet sich auf einer Reise und ist nicht an einen Ort gebunden.

Dennoch und trotz des Wechsels in die dritte Dimension hat man versucht, das für Castlevania typische Erkunden zu integrieren. Einerseits gibt es ein Klettersystem, das stark an Uncharted 2: Among Thieves oder auch Prince of Persia: Die vergessene Zeit erinnert - inklusive der stöhnenden Geräusche beim Entlanghangeln über tiefen Abgründen und der fast perfekten Kameraführung. Zum anderen handelt es sich bei Castlevania: Lords of Shadow mitnichten um einen Titel in einer großen offenen Welt. Die Level sind oft schlauchartig angelegt und simulieren dann grandios eine aufgeblähte 2D-Welt.

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Castlevania: Lords of Shadow
Die Kette ist ein praktisches Werkzeug und erleichtert den Kampf ungemein.

Für den Kampf war wohl God of War das Vorbild. Im Gefecht mit Kreuz und Kette kommt es insbesondere beim Showdown immer wieder zu Quicktime-Events, bei denen es auf die richtige Tastenkombination ankommt. Und um den Gegner bis zu diesem Punkt zu bekommen, gibt es ein reichhaltiges Repertoire an Angriffskombinationen, Gegenständen und Zaubern. Die Gegenstände basieren auf dem, was bereits in den Vorgängern zum Einsatz kam, die Zauber sind jedoch mehr oder weniger neu.

Mit Hilfe der Licht- und Schattenmagie sind spezielle Angriffskombinationen möglich. Zusätzlich verstärkt die Schattenmagie den Angriff, während Lichtmagie die Lebensenergie bei erfolgreichen Treffern heilt. Der Einsatz ist jedoch nur begrenzt möglich. Um die Magie während eines Kampfes aufzufüllen sind eine Reihe von Komboangriffen nötig, ohne dass diese von einem Gegentreffer unterbrochen wurden. Gerade im Kampf gegen die fordernden Bossgegner wäre es sicherlich praktisch, die beiden Leisten wieder zu füllen, die Umsetzung des ehrenwerten Plans ist jedoch sehr anspruchsvoll.

Aber anspruchsvoll ist Castlevania: Lords of Shadow sowieso grundsätzlich. Wer Bayonetta gespielt hat, der weiß wie quälend es ist, einem Gegner nicht gewachsen zu sein, weil er trotz aller Anstrengungen unbezwingbar erscheint. Oft muss man den Gegner studieren, seine Bewegungen auskundschaften, um zu lernen seinen Attacken effektiv auszuweichen. Und obwohl die Gegner mit jedem Fortschritt im Spiel immer schwieriger werden, werden wir jedoch nicht wirklich stärker. Es gibt neue viele Kombos, Techniken und auch die Erweiterung von Lebens-, Licht- und Schattenenergie ist wie für die Serie typisch erweiterbar, aber es gibt keine Erfahrungspunkte, kein Aufleveln. Allerdings lernen wir und werden auf diese Weise mit jeder Stunde besser.

Und bei Konami beziehungsweise Mercury Steam wollte man offensichtlich kein Uncharted. Man wollte nicht ein Spiel, das sich locker flockig durchspielt und dan ein ans Kino erinnerndes Erlebnis im Vordergrund steht. Dann nämlich wären auch die zahlreichen Rätsel etwas simpler ausgefallen. So sind manche davon wirklich zum Knobeln. Nein, Castlevania: Lords of Shadow richtet sich an ein Publikum, das bewusst in Kauf nimmt, dass es schwieriger wird und dass es Geschick braucht und nicht nur bloßes Gedrücke von ein paar Knöpfen.

Castlevania: Lords of Shadow
Auch visuell ist der Titel abwechslungsreich. Diese Welt ist von den Märchen rund um Baba Jaga inspiriert.

Es stimmt schon, dass viele Spielelemente nicht wirklich neu und innovativ sind, sondern hier geschickt das Beste aus anderen Spiele eingewoben wurde. Allerdings wurde wenigstens gut abgekupfert und auch nur das ins Spiel integriert, was zu ihm passt. Die ebenfalls gelegentlich vorkommenden riesigen Gegner etwa sind vielleicht kein Teil des Castlevania-Universums, aber wären sie damals technisch wie spielerisch umsetzbar gewesen, sie wären vermutlich dabei gewesen.

Wollte man an Castlevania: Lords of Shadow Kritik üben, dann macht man dies vermutlich nicht hauptsächlich wegen der neuen Spielelemente. Hier hat Mercury wirklich gute Arbeit geleistet und der Serie gezeigt, wie sie auch mit drei Dimensionen funktionieren kann. Natürlich werden einige Fans nörgeln, weil es keine große zusammenhängende Welt gibt, weil es Quicktime-Events gibt und wahrscheinlich auch, weil es einen leichten Schwierigkeitsgrad gibt - nur so am Rande, es gibt übrigens auch einen freischaltbaren extra schweren.

Nein, das Spiel nervt dann, wenn man irgendwo festhängt. Die feste Kamera hilft einem üblicherweise dabei, den Hauptweg zu finden. Abseits davon warten in der Regel ohnehin nur sichtbare wie unsichtbare Wände oder tödliche Abgründe. Es gibt aber auch Stellen, bei denen nicht gleich deutlich wird, in welche Richtung es nun weiter geht oder wie dieses oder jenes Hindernis überwunden werden kann. Viele Spieler werden diese wenigen Stellen besonders nerven, aber vermutlich ist es gerade das, was jene Fans der Serie, die sonst viel zu nörgeln haben, auch noch gut finden, weil es sie an früher erinnert.

In den Originalen würde man übrigens wahrscheinlich auf die Karte schauen, wenn man festhängt. In 3D jedoch, wo alles einander überlagert, wenn es eben nicht nur geradeaus, sondern auch mal in die Höhe geht, würde ein solche Karte wohl mehr Verwirrung stiften. Außerdem bleibt so das Finden von geheimen Kästchen und Kistchen spannend. Auf einer Karte würde man einige der geheimen Wege wohl schon vorher auskundschaften können.

Castlevania: Lords of Shadow
Und natürlich kommen auch die Vampire in Castlevania: Lords of Shadow nicht zur kurz.

Selbst die schärfsten Kritiker werden jedoch sehr wahrscheinlich von der Präsentation überzeugt. Castlevania ist wirklich hübsch geworden, glänzt mit einer lebendigen Welt, in der es sogar kleine Details wie Vögel oder Käfer gibt. Und nicht einmal bei den Texturen lässt man sich die Butter vom Brot nehmen. Dass die Framerate dafür etwas schwächer ist, nimmt man gern in Kauf. Zumindest die Slowdowns wurden in der finalen Version noch ausgemerzt, so das alles schön flüssig ausschaut. Ein Manko sind lediglich die Gesichter mancher Charaktere. Gabriel ist noch sehr gut gelungen, aber schon bei seiner Frau fragt man sich, warum er die überhaupt zurück haben will.

Äußert gelungen ist der Soundtrack des spanischen Komponisten Óscar Araujo. Selten war es so auffällig, dass die Musik sich positiv auf die Atmosphäre auswirkt - einfach bombastisch. Eingespielt wurden die Stücke von einem 120-Personen-Orchester und einem 80-köpfigen Chor - mit dabei auch Themen, die aus vorangegangenen Spielen stammen. Bei der Sprachausgabe mischt wie bereits erwähnt der Schauspieler Sir Patrick Stewart mit. Dass es keine deutsche Synchronisation, sondern nur Untertitel beziehungsweise deutsche Texte gibt, mag darauf zurückzuführen sein, dass man lieber eine sehr gute englische Sprachausgabe drin hat, als eine schlechte deutsche.

Im Ergebnis ist das hier ein wirklich großartiges Spiel, das zu fesseln weiß. Auf verloren Posten bleiben die Spieler mit wenig Geduld oder wenig Spielerfahrung - auch weil der durchaus opulente Einsatz diverser Tastenkombinationen gerade Gelegenheitsspieler völlig überfordern dürfte. Castlevania: Lords of Shadow ist aber auch nicht abartig schwer. Es hebt sich nur von der gängigen Praxis ab, es am Ende den Spieler schon irgendwie hinkriegen zu lassen. Wer hier nichts investiert, wird am Ende auch nichts herausbekommen.

Wer sich allerdings darauf einlässt, wird sicher mindestens fünfzehn bis zwanzig Stunden mit dem Spiel beschäftigt sein. Dass der Titel trotz der vergleichsweise langen Spieldauer derart abwechslungsreich ist und eben nicht wie ein Prince of Persia: Die vergessene Zeit mit relativ ähnlichen Passagen seine Zeit absitzt, wird dankbar zur Kenntnis genommen. Ohne Wiederholungen kommt zwar auch dieser Titel nicht aus und es fehlt der letzte Funke, um aus dem Feuer für Castlevania: Lords of Shadow einen Flächenbrand zu entfalten, aber ohne Zweifel handelt es sich bei diesem Spiel um ein Meisterwerk, das sich Freunde von Action-Adventures nicht entgehen lassen sollten.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
hübsches Design, spannende Kämpfe, großartiger Soundtrack, abwechslungsreich, gut erzählte Geschichte
-
teilweise unübersichtlich, keine große, zusammenhängende Welt
overall score
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