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The Secret World

The Secret World

Was wir damals in der Beta-Phase von The Secret World sahen, ließ uns eher beunruhigt zurück. Denn um in den Genuss der guten Erfahrungen zu kommen, mussten wir eine Menge schlechte machen. Doch das war in der Beta so, hat sich daran etwas geändert?

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Nach meinen ersten Berührungen mit The Secret World in der Beta-Phase, war ich mehr als skeptisch, als nun das fertige Spiel vor mir lag. Doch um es vorwegzuschicken: Ich habe bereits jetzt mehr Zeit in das düstere Universum investiert, als die gesamte Beta-Phase zuvor.

Doch beginnen wir am Anfang. The Secret World versetzt uns in eine geheime Welt, die verborgen von den Augen der Öffentlichkeit existiert. Als neustes Mitglied einer der drei Geheimorganisationen - Illuminaten, Templer oder Drachen - kämpfen wir gegen andere okkulte Strömungen und mysteriöse Gegner. Denn von denen dringen mehr und mehr in die normale Welt ein. Warum das geschieht und wie wir sie daran hindern können, gilt es herauszufinden.

Bevor wir uns aber ins Abenteuer stürzen, verpassen wir unserem Charakter ein mehr oder weniger individuelles Aussehen, denn die Funktionen dafür, sind eher bescheiden. Lediglich acht Gesichter und sieben unterschiedliche Augen und Hauttöne stehen uns zur Verfügung. Und immerhin die Wahl des Geschlechtes. Das war es dann aber auch schon. Ausgleichen soll das eine reichhaltige Palette von Eigenschaften, was aber nur mäßig gelingt. Funcom hat allerdings bereits angekündigt, in Zukunft weitere Funktionen zur Charaktererstellung hinzuzufügen. Das ist auch bitter nötig.

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In diesem MMO ist alles wahr - in allen Mythen und Verschwörungstheorien steckt ein Funken Wahrheit.

Wählen wir die Zugehörigkeit zu einer der geheimen Organisationen, gibt es für jede immerhin ein interessantes Promotion-Video, das für die jeweiligen Vorzüge soll. Unsere Wahl darüber, wem wir uns anschließen, entscheidet auch, in welcher Geheimbasis wir starten. So richtig heimisch braucht man es sich aber nicht zu machen, denn die erste Mission führt uns gleich zu König Salomon, der sich auf Portsmouth Island, nordöstlich der Vereinigten Staaten, aufhält. Bereits auf unserer ersten Reise dorthin umhüllt uns eine besondere Atmosphäre, die stark an H.P. Lovecraft erinnert. Gedämmtes Licht, verschiedene Schattierung von Grau und stimmungsvolle Musik vermitteln das unbestimmtes Gefühl, von einer ständigen Gefahr umgeben zu sein. So etwas habe ich in einem Massive Multiplayer Online-Rollenspiel (MMO) noch nie erlebt.

Ebenso interessant wie die Atmosphäre ist aber auch das erste Aufeinandertreffen mit den Bewohnern der Stadt, ihren Geschichten und verschiedenen Persönlichkeiten. Beeindruckenderweise unterscheiden die sich nämlich wirklich stark voneinander. Umso erschreckender ist, dass uns immer deutlicher wird, dass unser Kontakt mit diesen verlorenen Seelen, deren Geschichten von Missbrauch in der Kindheit über Selbstmordgedanken bis hin zu Streitigkeiten in der Familie erzählen, allein darauf abzielt, sie für unsere Organisation zu gewinnen.

Doch die Dialoge mit ihnen und zwischen den Bewohner selbst zeugen von einer hohen Qualität und bringen uns durch originelle Kommentare mehr als einmal zum Schmunzeln. Und das, obwohl sie sich nicht unbedingt durch einen hohen Grad an Realismus auszeichnen. Die Sprecher bauen hier einen hohen Standard auf, und zwar nicht nur die großen Namen, sondern auch die weniger bekannten Figuren. Unser Charakter hingegen sagt kein Wort. Stattdessen gewinnen wir eher den Eindruck, dass er als stummer Beobachter die Welt durchwandelt. Hier wurde echtes Potenzial verschwendet, denn eine persönlichere Geschichte hätte uns mit dem Charakter wesentlich stärker verbunden.

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An der Spitze des Leuchtturms lebt ein exzentrischer Schriftsteller, einer der vielen bunten Charakteren.

Denn es ist weniger die Hauptgeschichte von The Secret World die uns motiviert, sondern eher die vielen kleinen Geschichten am Rande, die fesseln und begeistern. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Stränge der Geschichte, die je nach Wahl der Organisation variieren, sich so stark unterscheiden, dass wir auch die beiden anderen Möglichkeiten durchspielen.

So konzentrieren wir uns vornehmlich auf die Nebenaufgaben, welche traditionelle Nebenquests in diesem Typus von Spiel ersetzen und die eine weitaus größere Variation bieten. Drei Arten gibt es insgesamt: Action, Sabotage und die Suche nach Objekten. Jede von diesen können wir auch auf unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden lösen.

Die Action-Missionen greifen stark auf das Kampfsystem zurück und folgen in ihrer Art eher den Tradition bekannter MMOs. Das Vorgehen ist also immer das gleiche: Töte X-Moster, beschütze jemanden, töte den Boss - und trotzdem funkioniert es besser, als wir das bisher bei anderen Titeln erlebt haben. Die Sabotage-Missionen auf der anderen Seite sind da das komplette Gegenteil. Es geht hier nämlich darum, Kämpfe zu vermeiden und stattdessen nach Alternativwegen Ausschau zu halten. Diese Aufgaben sind sehr abwechslungsreich und interessant - leider gibt es von ihnen die wenigsten.

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Wir werden überrascht sein, wenn enthüllt wird, wer oder was Bigfoot wirklich ist.

Suchmissionen erklären sich fast selbst. Sie stehen immer im Zusammenhang mit Objekten, die im Spiel durch Karten, Notizen oder den Einsatz des Telefons gefunden werden. So entdecken wir an einer Tür eine Notiz über einen Selbstmord und finden nur wenige Augenblicke später den erhangenen Autor im Leuchtturm. Es sind gerade diese kontroversen Erkundungsmissionen, die wirklich unser Interesse wecken. Denn wer genug von Spielen hat, die einen wie ein Kind ständig an die Hand nehmen, findet hier seine Erfüllung.

Wir erhalten keine Hinweise auf der Karte, die uns durch eine Markierung den nächsten Ort anzeigt und uns sagt, was wir als Nächstes zu tun haben. Wahrscheinlicher ist es, dass wir eine kryptische Nachricht oder versteckte Hinweise erhalten, denen wir mit ein bisschen Nachdenken folgen müssen. Zum Beispiel erhalten wir einen Morsecode, aber nicht die nötigen Werkzeuge, um ihn zu entschlüsseln. Gelöst wird das Problem zum Beispiel so: Wir laden uns eine App aufs Handy, welche die Töne decodiert und in Text umwandelt! Selten habe ich so viel Befriedigung in der Lösung eines Rätsels gefunden, wie in diesem.

Doch ebenso wie die Sabotage Missionen, sind gerade diese ausgefallenen Aufgaben in der Minderheit. Stattdessen gibt es eine Unmenge an Action Missionen. Und klar, es ist schwer, sich für ein ganzes Spiel so überzeugende Rätsel auszudenken, doch es ist eben umso enttäuschender, wenn wir nach diesen super Aufgaben wieder in den ewigen Trott des altbekannten Monsterjagens abtauchen. Da gibt auch die Struktur des Spiels wenig Hoffnung, denn während wir in der ersten Zone noch fünf Untersuchungen finden, ist es in der nächsten schon nur noch eine.

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Es gibt auch eine Geschichte über eine Bande von Kindern, die in einem Baumhaus gegen okkulte Kräfte kämpfen - gesichert durch ein Zahlenschloss.

Ungewohnt für viele MMO-Fans wird sicher das Verbessern und der Aufbau der Charaktere sein. Denn in The Secret World gibt es keine Klassen und auch kein klassisches Leveln durch Erfahrungspunkte. Stattdessen baut das ganze Konzept auf den Waffen und ihren Fähigkeiten auf. Jeder Spieler erhält dabei Zugang zu allen Arten von Waffen, obwohl jeder mit einer anderen beginnt. Ausgerüstet werden diese im Laufe des Spiels mit unterschiedliche Fähigkeiten. Das sorgt für einen ganz schönen Zwiespalt, denn es löst zwar ein Problem, macht den Charakter dafür aber weniger individuell.

Wir verlassen uns im Kampf aber nicht allein auf unsere Waffe, sondern nutzen sowohl sieben aktive als auch sieben passive Gegenstände, die Platz zum Experimentieren lassen. Wer sich aber so gar nicht mit den taktischen Möglichkeiten auseinander setzen möchte, wählt einfach das automatische Mischen an und nimmt mit, was dabei rauskommt.

Das klingt simpel, dennoch war gerade das Kampfsystem in der Beta-Phase die größte Schwäche des Spiels. Wir können allerdings Entwarnung geben, denn seit dem hat sich einiges getan. So wurden die Animationen verbessert und die Attacken richten größeren Schaden an. Zu meckern gibt es aber dennoch, denn die der Einsatz der Gegenstände hat keine taktische Tiefe bekommen. Im Moment setzen wir sie einfach ein, sobald sie verfügbar sind.

Das Herzstück eines MMOs sind aber neben dem Kampf auch die Dungeons. Strukturiert wurden die als eine Reihe von Bosskämpfen und selten begegnet uns das typische Kanonenfutter. Nach dem wir uns drei der acht Dungeons angesehen haben, sind wir mit dem Design zufrieden. Dazu sind die Bosskämpfe abwechslungsreich und herausfordernd - eben ganz so, wie man das von einem MMO heutzutage erwarten würde.

Neben einem guten Teamgeist brauchen wir vor allem eine vernünftige Taktik, denn die Gegner sind brutal schwer, wenn man sich ihnen unvorbereitet stellt. Es ist keine Seltenheit, dass wir die Kämpfe nicht beim ersten Mal schaffen, dafür sind sie auch nicht gedacht, stattdessen lernen wir aus den Fehlern und überlegen uns eine neue Strategie mit der wir gegen die Ungetüme vorgehen.

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Aufgaben können durch zugehörige Dinge wie etwa die Leiche in der Nähe eines Wracks beginnen - in diesem Fall ist es ein zerstörter Bus.

Wer Gefechte gegen andere Spieler in The Secret World sucht, dem bieten sich dafür drei verschiedene Modi: einmal die Arena, einen Kampffeld und ein Jeder-gegen-Jeden Fight Club.

Besonders begeistert der Arena-Modus, weil er eine neue und seltene Erfahrung bietet - drei Teams treten hier gegeneinander an, und zwar auf einem ziemlich kleinen Kampffeld. Neu ist das nicht, doch obwohl Spiele wie Planetside und Guild Wars 2 diesen Modus bereits bieten, finden die Gefechte auf einem viel größeren Raum statt. Es ist schön zu sehen, dass Funcom hier eine Nische für sich finden konnte, die bisher nicht so ausgeschlachtet wurde. Wer sich jetzt allerdings Hoffnungen auf einen neuen potenziellen eSport macht, muss sich wohl weiter umschauen, denn auf lange Sicht werden Profis hier nicht die Erfüllung finden.

Das heißt aber nicht, dass die Kämpfe hier ein Spaziergang sind. Wir müssen ständig auf unsere Deckung achten, um nicht zwischen die beiden gegnerischen Teams zu geraten. Denn gerade wenn sich eine Gruppe die Führung erkämpft hat, verstehen die Kontrahenten, dass sie größere Erfolgschancen haben, wenn sie sich zusammen schließen - zumindest so lange wie beide hinten liegen. Diese Gefechte finden mit den bekannten Modi King of the Hill und Capture the Flag statt - übrigens an zwei legendären Orten: Stonehenge und El Dorado.

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Es gibt viele verschiedene Inhalte auf der ganzen Welt verstreut - so auch in Ägypten.

Denn besonderen Charme der Umgebung erkennt man aber erst, wenn man genauer hinsieht. Denn Funcom hat das berühmte Stonehenge mit einigen okkulten Zeichen und Inschriften versehen. Und doch fühlt es sich für jeden vertraut an, zwischen den großen Steinen hindurch zulaufen - zumindest für jeden, der schon ein mal dort war. Vom Beginn des Matches an bleiben uns 15 Minuten, um die Kontrolle über das Zentrum zu erlangen und so den Sieg davon zu tragen.

Allerdings und das ist einer der Kritikpunkte, ist genau dieser Bereich viel zu groß, sodass es genügt, wenn sich eine große Gruppe des Teams hinter einem der großen Steinblöcke versteckt. Während wir es mit lediglich vier Spielern geschafft haben, die Mitte zu erreichen, bleibt uns am Ende statt des Sieges nur Frust. Dennoch ist Stonehenge eine unterhaltsame Abwechslung von der trägen Routine. Leider ist es aber eben keine Welt, in der man unnötig oft unterwegs sein möchte.

El Dorado ist, obwohl es die goldene Stadt ist, weniger bekannt und auch weniger eindrucksvoll als Stonehenge. An diesem sagenumwobenen Ort versuchen wir mit unserem Team vier Kontrollpunkte zu besetzen und schrittweise Punkte dafür zu kassieren. Schnell wird klar, welches Team hier die Oberhand hat und es fordert die Gegner dazu heraus, noch stärker als schon in Stonehenge miteinander zu kooperieren.

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Individualität erlangen wir nicht direkt über das Aussehen des Charakters, sondern durch seine Fähigkeiten.

Die zweite Variante des Mehrspielers sind Gefechte auf dem Kampffeld. Das sorgt allerdings für alles andere nur keine Begeisterung. Wieder sind es drei Teams, die sich gegenüber stehen, nur dieses mal mit hunderten von Mitgliedern gleichzeitig. Die Karte ist verwirrend und bietet kaum Innenraum. Damit ist die Orientierung schnell verloren, sollte sie je dagewesen sein, und wir kleben förmlich an der Karte. Nur so haben wir eine Chance zu erkennen, woher wir eigentlich kommen und wohin es gehen soll.

Als wir dann auch eine größere Gruppe treffen und einige Aufgaben bekommen, beginnt das Ganze sogar fast so was wie Spaß zu machen. Allerdings nur bis es zur direkten Konfrontation mit Mitgliedern der anderen Organisationen kommt. Ratlos stellen wir uns die Frage: 'Wo kommen die eigentlich her und wie soll ich bloß entkommen, wenn es sich um Verfolger handelt?' Das lässt sich sicher beantworten, wenn man bereit ist, die Karte auswendig zu lernen. Aber ob es das wirklich wert ist, ist wohl dann gleich die nächste Frage.

Natürlich hat auch dieser Modus seine guten Momente. Es ist zum Beispiel ein erfüllendes Gefühl, wenn man eine Aufgabe erfüllen konnte oder eine größere Gruppe von Gegnern besiegt. Doch das Gefühl, kollektiv etwas zu erreichen, ist in anderen Spielen schon besser rüber gekommen.

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Die verschiedenen Features sind in einem dreigliedrigem Kreismenü angeordnet, das hilft die richtigen Eigenschaften zu finden..

Ich würde jetzt gern sagen, dass zumindest die Fight Clubs richtig Spaß machen, aber das kann ich nicht. Und das liegt nicht daran, dass mit diesem Modus etwas nicht in Ordnung wäre. Ich bin sogar überzeugt davon, dass es unglaublich viel Spaß macht in diesen unseriösen Kneipenschlägereien der alltäglichen Routine zuentfliegen. Das Problem ist nur, dass die Fight Clubs so gut wie immer leer sind. Und dann treffen wir doch mal auf zwei Kontrahenten, die allerdings Freunde sind und sich sofort gegen uns verbünden - man kann sich verstellen, wie wenig Spaß das macht.

Und obwohl das nicht die Regel sein muss und es sicher spaßige Duelle geben kann, gibt es zwei große Probleme. Zunächst einmal gibt es drei verschiedene Clubs, von denen jeder erst den Kampf startet, wenn sich genügend Spieler gefunden haben. Das zweite, viel schwerwiegerende Problem ist aber, dass wir mit unserer Figur erst zum Club laufen müssen, ganz im Gegensatz zu den beiden anderen Modi. Die sind über das Pause-Menü erreichbar und somit leicht zugänglich. Es ist wenig überraschend, dass kaum ein Spieler den Weg in den Fight Club findet, wenn es fünf Minuten dauert, dort hinzukommen und dann steht man vor einer leeren Arena. Diese Kämpfe müssen für Spieler leichter zugänglich werden und Funcom hat hier noch einiges an Arbeit vor sich.

Insgesamt ist der Mehrspielermodus von The Secret World eher eine Ablenkung als alles andere. Die Stärke des Spiels liegt weniger hier, als viel mehr in der Einzelspielererfahrung. Als netter Zeitvertreib dienen die Kämpfe gegen andere Spieler aber alle mal und gerade wenn wir bei schwierigen Missionen festhängen, kann man so schnell den Kopf freibekommen. Und das ist okay.

The Secret World
Das Kampfsystem braucht noch ein bisschen Arbeit, bevor es mit Tera oder Guild Wars 2 mithalten kann..
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
starke Atmosphäre, sympathische Charaktere, interessante Dialoge und kleine Geschichten
-
Kampfsystem und manche Missionen schwach
overall score
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