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Adrift

Adrift

Im All hört man niemanden schreien. Jedenfalls so lange nicht, bis die Antenne auf der kaputten Weltraumstation wieder aktiviert ist...

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Adrift (oder ADR1FT, wie die coolen Netzkids es nennen) ist in einer sehr öffentlichen und turbulenten Zeit im Leben von Adam Orth entstanden. Er war ein bisschen zu lässig und sarkastisch, als er Microsofts "Always online"-Idee verteidigen wollte und wurde schnell zur Zielscheibe für die Wut der Spieler. Schlussendlich führte das zu seinem Abschied bei Microsoft - und die ganze Erfahrung war die Inspiration für Adrift, ein Spiel, das sich mit Isolation und den katastrophalen Folgen beschäftigt.



Das Spiel erschien zunächst für PC und Oculus Rift und wurde ganz offensichtlich für eine VR-Umgebung entwickelt. Jetzt ist es für die PS4 erschienen - ohne jede Garantie, dass es Sonys kommendes VR-Headset unterstützen wird (allein der Fakt, dass es jetzt schon für die PS4 erscheint, deutet an, dass die Pläne für PSVR gestrichen wurden, wenn es sie überhaupt jemals gegeben hat). Ich saß vor einem gebogenen 65-Inch-Monitor, um die PS4-Version zu testen - und vielleicht hat mein Gehirn mir nur einen Streich gespielt, aber die Schwerelosigkeit im All und der Versuch, mich zu orientieren, haben tatsächlich für leichte Kopfschmerzen und eine verschwitzte Stirn gesorgt.

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Es ist eine langsame und pathetische Erfahrung, bei der man mehr als einmal nach Luft schnappen muss.


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Wenn man die ziemlich komplexe Steuerung verinnerlicht hat, wird es besser, aber die Schwerelosigkeit fordert offensichtlich ihren Tribut. 

In Adrift übernehmen wir die Rolle von Alex Oshima und wachen schwebend im Weltall auf, nachdem ein katastrophales Ereignis unsere Raumstation in Stücke gerissen hat. Die Aufgabe ist es nun, die Station irgendwie wieder zum Laufen zu kriegen und nach Hause zurückzukehren, während wir die verstorbene Crew über zurückgelassene Audio-Logs näher kennenlernen.

Es ist eine langsame und pathetische Erfahrung, bei der man mehr als einmal nach Luft schnappen muss.

 Das Spiel hat allerdings einige Probleme. Eines von ihnen ist, dass sich die Spielmechaniken seltsam zueinander verhalten. Der Stress, andauernd Sauerstoffkanister einzusammeln, die zum Atmen und auch zur Fortbewegung gebraucht werden (eine wirklich coole Ressourcen-Management-Mechanik), passt nicht gut dazu, sich Zeit für die Erkundung der Station zu lassen, E-Mails zu lesen oder sich eben einfach an der Szenerie zu erfreuen (vielleicht einer der größten Anziehungspunkte von Adrift). 



Wirklich nervig ist die kleine Schrift bei wichtigen Informationen. Es ist ein Zeichen dafür, das nicht genug getestet wurde, wie es sich auswirkt, wenn die Spieler nicht direkt am Bildschirm kleben. Manchmal folgt man einfach nur Pfeilen, statt nach Dingen zu suchen, die bei der Aufgabe helfen, weil Details der Aufgabe gar nicht lesbar oder verdeckt sind. In einem Spiel, das sich neben dem optischen Spektakel so sehr auf seine Story verlässt, ist es eine Schande, wenn die Spieler wichtige Momente einfach verpassen - und zwar nicht aus freien Stücken (was immer klar geht), sondern wegen des fehlerhaften Designs. 



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Die großartige Optik wurde schon mehrmals erwähnt, aber Adrift bietet wirklich spektakuläre Ansichten vom Leben im Orbit. und in der Station selbst.

Ich habe schon über die komplexe Steuerung gesprochen. Die hebt das Spiel eindeutig von einer "Spaziergangs-Simulation" ab - man braucht schon ein paar Skills, um in schwereloser Umgebung zu navigieren. Aber die Ambitionen diesbezüglich sind ein zweischneidiges Schwert. Ehrlich, ich weiß nicht genau, ob ich die Steuerung mag oder nicht. Manchmal ist sie frustrierend, anderseits erlaubt sie einige tolle Manöver. Es lauern Gefahren wie offene Stromkabel und ähnliches in der zerstörten Raumstation, denen man besser aus dem Weg geht. Man kann auf- und absteigen, den Schub kontrollieren (mit dem gleichen Sauerstoff, den man auch zum Atmen braucht) oder per Knopfdruck rollen. Durch die umherschwebenden Gegenstände fliegt man selten eine gerade Linie zur nächsten Aufgabe, stattdessen weicht man aus und justiert ständig. Für eine gerade zerstörte Raumstation sind die Elemente allerdings erstaunlich stabil und die Maschinen in fantastischem Zustand.



Die großartige Optik wurde schon mehrmals erwähnt, aber Adrift bietet wirklich spektakuläre Ansichten vom Leben im Orbit. Es gibt viele kleine Details, besonders in den Quartieren der Crew. Der Blick auf die Erde ist vielleicht nicht so beeindruckend wie im echten Leben, aber trotzdem ein spektakulärer Anblick für ein Videospiel. Es ist neben der Auswahl an Musik und Sound genau das, was Adrift ausmacht. Leider sind die Ladezeiten auf der PS4 sehr lang und auch wenn das Speicherpunktesystem gut ist, fühlt es sich häufig nach doppelter Bestrafung an, wenn man erst wegen der Steuerung erstickt und danach wegen der langen Ladezeiten erneut leiden muss.



Es kann gut sein, dass die Immersion eines VR-Headsets Adrift in einem anderen Licht erscheinen lässt, aber so ist es schwer, das Spiel auf der PS4 von ganzem Herzen zu empfehlen. Es ist ganz offensichtlich, dass Adrift für VR entwickelt wurde - man sieht das gesamte HUD erst, wenn man einen der Sticks bewegt. Alle vitalen Informationen sind zentriert und man fühlt sich dadurch, als würde man tatsächlich einen Raumanzug tragen, aber man verpasst ohne Headset einiges. Es hat seine großartigen Momente und einen netten Hintergrund, aber es erreicht keine echte Größe. Das größte Problem sind die Spielmechaniken, die sich nie richtig zusammenfinden. Auch der Plot packt einen nie so richtig und bei den Aufgaben fühlt man sich eher wie ein Laufbursche als wie ein Astronaut, der verzweifelt am Leben bleiben und zur Erde zurückkehren will.

Insgesamt fühlt sich Adrift wie eine verschrottete Raumstation an, auch wenn es schöne Momente und Aussichten gibt. Die einzelnen Teilen fügen sich nicht richtig zusammen und dadurch kann man nicht so in die Welt eintauchen, wie ich es eigentlich erwartet hätte.


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05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
großartige Bilder, interessantes Thema, schöner Ambient-Sound und feiner Soundtrack
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ohne VR ein nicht nur sprichwörtlich flaches Erlebnis, Story nimmt einen nicht mit, frustrierende Spielmechaniken
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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