Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Steel Battalion: Heavy Armor

Steel Battalion: Heavy Armor

Es ist nicht so, dass Steel Battalion: Heavy Armor ein schlechtes Spiel wäre. Es geht viel mehr darum, dass es ein großartiges Spiel sein könnte, aber einfach zu viele Sachen genau das verhindern. Und dabei ist Kinect nicht mal das größte Problem.

HQ

Das Markenzeichen der Steel Battalion-Serie ist ein schwerer Controller mit zahllosen Knöpfen und Hebeln, der damals zusammen mit dem Original erschien. Er besaß einfach alles, um die perfekte Illusion zu bieten, ganz real in einem futuristischen Panzer zu sitzen. Und zwar genau in dieser Art von futuristischem Panzer, der durch vielen Science Fiction-Büchern und Mangas berühmt wurde. Im neuen Steel Battalion: Heavy Armor finden wir die Übersicht über alle Kontrollmöglichkeiten vom Motoranlasser bis hin zu Ventilator auf dem Fernsehbildschirm - und bedienen mit der Bewegungssteuerung Kinect.

Überflüssig macht das den konventionellen Controller allerdings nicht. Denn benötigen wir weiterhin, um den Panzer zu bewegen, die Kamera zu schwenken und auch, um ein paar Kugeln auf unsere Gegner zu feuern. Und es ist vielleicht gerade die Kombination aus simulierter Armbewegung, einem Controller in der Hand und dem damit verbundenen Tastgefühl, die uns ab und zu tatsächlich der Illusion erliegen lässt, tatsächlich einen mit drei Mann besetzten, wandelnden Zerstörer zu steuern.

Das Hauptproblem mit Kinect ist die schwere Vereinbarkeit der vom Spiel geforderten, präzisen Bewegungen und der stark schwankenden Kalibrierung. Microsofts Bewegungssteuerung gerät hier schnell an seine Grenzen. So fordert Steel Battalion: Heavy Armor am Ende vor allem eins von uns: Geduld. Und gleich das erste Level stellt die ordentlich auf die Probe, denn mit dessen Beginn werden wir das Gefühl nicht los, dass es eigentlich unmöglich ist, es überhaupt auch zu beenden.

HQ
Werbung:
Steel Battalion: Heavy ArmorSteel Battalion: Heavy Armor
Markenzeichen für die Steel Battalion-Reihe war der schwere Controller. In Steel Battalion: Heavy Armor wird der nun durch Kinect ersetzt.

Dumm ist, dass es in diesem Spiel lebensnotwendig ist, dass unsere Handbewegungen von Kinect korrekt gelesen werden. Soll das funktionieren, ist Lümmeln vor dem Fernseher schon mal nicht drin. Die wichtigste Grundlage im Spiel ist die Bewegung im Innenraum des Panzers. Ausgeführt wird die durch das Vor- und Zurückbewegen unserer Hände. Doch schon nach wenigen Spielstunden stellen wir fest, dass die Kalibrierung hier ziemlich kleinlich ist. Sobald man auch nur einen Hauch von der exakten Position abweicht, folgt ein Hinweis auf einen Fehler bei der Registrierung der Befehle.

Ist dann die optimale Sitzposition vor dem Fernseher endlich gefunden, wird sichtbar, dass kleinere und präzisere Bewegungen besser funktionieren als wildes Gestikulieren. Nun tauchen wir ab in die fiktive Welt von Steel Batallion und genießen ein weitaus besseres Spielerlebnis. Doch diese Fiktion leidet unter einigen Problemen, die wieder zu einem Bruch mit der Illusion führen. Denn das Zusammenspiel von Kinect und Bildschirmoberfläche ist weit entfernt davon, perfekt zu sein. Das liegt nicht allein an der Unfähigkeit des Sensors, sich an Neupositionierungen anzupassen. Das Spiel läuft weniger flüssig und der Suchsensor hat oft Probleme, die Wahl zwischen den Knöpfen richtig einzuordnen. Lehnen wir uns in unserem Cockpit zurück, verlängert sich unser virtueller Arm, an die Tasten gelangen wir so allerdings auch nicht immer. Die Suche nach der richtigen Position ist mühselig und langwierig.

Optional, aber eigentlich unerlässlich ist hier eine visuelle Unterstützung, die genau die Knöpfe anleuchtet, von denen Kinect der Meinung ist, dass wir sie gerade drücken. Das hilft die richtigen Handbewegungen zu vollführen, doch wir müssen uns Zeit nehmen, um sicherzustellen, dass wir uns gerade richtig mit dem Sensor verstehen. Das dauert einfach einige Sekunden zu lang und die Zeit haben wir während einer Mission einfach nicht, die von schnellen Entscheidungen abhängig sind.

Werbung:
Steel Battalion: Heavy Armor
Präzises Zielen ist hier essenziell, denn der Game Over-Bildschirm erscheint manchmal schneller, als einem das lieb sein kann.

Man könnte jetzt argumentieren, dass Microsoft damit die verschrobene Steuerung eines archaischen Kampfpanzers simuliert und damit die Kulisse hinter dem Weltkrieg glaubwürdiger erscheinen lässt. Allerdings wurde die Welt in Sachen Technik bis in die Steinzeit zurück versetzt. Der Look hingegen erinnert eher an Filme über den Zweiten Weltkrieg. Waffen und Kommunikationsformen sind in diesem Krieg so notwendig und Basiselemente wie in den 40er Jahren - keine Spur vom Zukunftsgefühl. Die Atmosphäre hat mehr von Der Soldat James Ryan, denn unsere Crew ist patriotischer und amerikanisch klischeehafter als jeder Apfelkuchen.

Die Karten zu den einzelnen Missionen sind eilig gezeichnete Skizzen auf Papier, die uns die ungefähre Position der Gegner aufzeigt. Einsehbar ist die nur im Pausemenü. Wir werden sie und ihre Markierungen schnell vergessen. In weitflächigen und offenen Leveln entdecken wir die Position unserer Feinde stattdessen, in dem wir an ihrer Front entlang fahren und dabei einige Treffer kassieren. Und selbst in linearen, kleineren Missionen kommen wir nicht ans Ziel, ohne wenigstens ein paar Mal den Feind zu betrachten. Wobei kleinere Missionen hier einige Minuten dauern können, längere Missionen hingegen über fünfzehn Minuten.

Die Ziele der einzelnen Abschnitte mögen sehr unterschiedlich sein, doch die Spielkomponenten sind immer die gleichen:

1. Wir gehen zum nächsten Checkpoint, indem wir dem Pfeil auf dem Bildschirm folgen und hoffen, dass wir schnell herausfinden, was unsere Aufgabe ist, bevor wir oder unsere Mitstreiter von etwas getötet werden, dass wir nicht sehen.
2. Wir schwingen die Kamera herum, um die Infanterie oder weit entfernte Panzer, die uns unter Beschuss genommen haben, mit dem Raketenwerfer zu attackieren.
3. Im Walzerschritt tänzeln wir um die gegnerischen Panzer und versuchen dabei gegenseitig, die Kanonenbewegungen des anderen vorherzusagen. Parallel werden immer wieder Schüsse auf die Ketten der Fahrzeuge gegeben, um ihre Bewegungen zu stören oder gar komplett zum Erliegen zu bringen.

Steel Battalion: Heavy Armor
Im beengten Raum des Panzers ist die Luft vom Schweiß der eingezwängten Körper durchströmt

Klingt frustrierend? Womöglich - und das ist es auch. Aber überraschenderweise ist es dabei nie langweilig und da liegt der Knackpunkt von Steel Battalion: Heavy Armor. Irgendwo in dieser verrückten Mischung aus vagen Befehlen, Steuerungsproblemen und der schnellen, innigen Umarmung des Todes liegt eine anständige Kriegs- und Maschinensimulation.

Das Klappern der Kugeln, die gegen unsere metallene Schutzhülle prallen, bringen uns immer wieder aus der Ruhe. Wir spüren die Panik in uns, als wir versuchen, unseren Angreifer im dunklen Tal auszumachen, das immer wieder von zuckenden Blitzen erhellt wird. Wir geraten ins Schwitzen, als wir uns dem langwierigen Kampf gegen einen anderen Panzer stellen und mühselig den Winkel unserer Kanone an den Feind anpassen. Und da sind die Schreie von sterbenden Soldaten im Funk, während wir versuchen, unsere Crew vor Fußsoldaten zu schützen. Die wollen mit aller Macht durch die zerstörte Außenhülle ins Innere gelangen. Immer wieder überfällt uns einen schiere Angst. Vor allem dann, wenn ein ganzes Batallion feindlicher Panzer im Schutz der dunklen Nacht auf uns zu rollt.

Im beengten Raum ist die Luft vom Schweiß der eingezwängten Körper durchströmt und so öffnen wir zu Beginn jeder Mission die Lucke, setzen uns nach oben und schnappen frische Luft. Klaustrophobie ist in diesem Krieg kein Fremdwort. In diesen kurzen Momenten, wenn all das aufeinander trifft, vergessen wir die stereotypen Kameraden und die Probleme mit der Steuerung. Wir sind in diesem Moment an der Front. Wir sind in diesem Moment in einem hoffnungslosen Krieg.

Doch auf dem Kriegsschauplatz müssen wir uns noch ganz anderen Herausforderungen stellen. Es scheint nahezu unmöglich zu sein, die Infanterie mit der linken Automatik-Kanone zu zerschlagen, denn wir dürfen den Einfluss der Umgebung nicht unterschätzen. So schleichen wir uns nachts durch einen Untergrundtunnel. Wer hier nicht präzise schießt, könnte den ganzen Tunnel zum Einsturz bringen. Das ist super!

Steel Battalion: Heavy Armor
Während die Entwickler mit der Härte des ersten Levels ein Zeichen setzen wollen, würden andere das gut und gerne als sadistisch bezeichnen.

Steel Battalion: Heavy Armor ist ein brutal schweres Spiel. Was irgendwie auch keine Überraschung ist, bedenkt man, dass aus demselben Entwicklerstudio der Titel Demon's Souls stammt. Doch dort fluchen wir immerhin meistens über unsere eigene Unfähigkeit. In Steel Battalion: Heavy Armor führt oft auch nur der Einsatz von Kinect zu einem schnellen Tod.

Während die Entwickler mit der Härte des ersten Levels ein Zeichen setzen wollen, würden andere das gut und gerne als sadistisch bezeichnen. Und es ist einfach so, dass Steel Battalion: Heavy Armor von einer leichteren Steigung des Schwierigkeitsgrades profitiert hätte und ebenso davon, die Steuerung mit Kinect zu erleichtern. So allerdings werden Spieler potenziell eher abgeschreckt.

Es gibt zwar einen Koop-Modus, doch die Möglichkeit diesen zu nutzen, ist nur in einer Handvoll Abschnitten gegeben und wird dort von strengen Zeitlimits begleitet. Panzer-Verbesserungen, stärkere Rüstungen, bessere Tarnungen gibt es nur, wenn wir ordentlich Punkte sammeln in diesem Missionen. Und gerade das behindert vielmehr die Spieler, die auf diesen Modus angewiesen sind, als dass es ihnen helfen würde.

Steel Battalion: Heavy Armor wird keine Preise gewinnen und wohl auch nicht Teil von wohligen Erinnerungen werden, so wie noch sein Vorgänger. Vielmehr wird man sich an das Spiel erinnern, als einen unfairen und schweren Titel. Wer aber Kinect mag und dazu beharrlich ist, könnte durch das Bezwingen dieses Kolosses von einer Simulation eine echte Erfahrung haben. Denn es ist zwar ein Werk voller Fehler, aber dennoch einzigartig auf dem Markt.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
inntesives Spielerlebnis, schöne Illusion durch Zusammenspiel mit Kinect
-
Kinect-Steuerung funktioniert nur mäßig, schlechte Balance zwischen Missionen und Zwischensequenzen, verdammt schwer, Bildschirmoberfläche nicht optimal, erstes Level als Einführung zu schwer
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
Steel Battalion: Heavy ArmorScore

Steel Battalion: Heavy Armor

KRITIK. Von Gillen McAllister

Die Kriegssimulation ist nicht schlecht. Aber viele Faktoren hindern sie daran, großartig zu sein. Und Kinect ist nicht das größte Problem.



Lädt nächsten Inhalt