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The Division

The Division

Wir haben uns durch das versuchte New York gekämpft, um die Ordnung im Chaos wiederherzustellen. Nur um dann sofort wieder in der Dark Zone das Chaos zu suchen.

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Ich stehe mitten in einer Nebelwand. Irgendwo ganz da hinten, da ist der Times Square. Ich habe vor einiger Zeit in einer anstrengenden Mission gegen die Rykers-Gang darum gekämpft, dort wieder die Lichter angehen zu lassen. Habe dafür einen Koffer den Broadway entlang geschleppt, um dessen Inhalt in einen Sicherungskasten einzusetzen. Damals strahlte die Sonne durch die verschneiten Straßenschluchten. Nun eine Nebelwand. Die vielfach vergrößernde Optik meines seltenen Präzisionsgewehrs vergrößert nur 50 Shades of Grey. Völlig unsexy, dass man keinen Gegner mehr sieht. Dennoch ist genau solches Wetter dasjenige, was ich an The Division am meisten liebe. Und ich liebe einiges an diesem riesigen Action-Abenteuer mit Rollenspielanleihen. Das authentische, sich ständig wechselnde Wetter macht das Spielerlebnis so authentisch und jedes Mal anders.

The Division spielt in New York, draußen und drinnen. In einer völlig von einer Virusinfektion in den Ausnahmezustand versetzten Metropole, in der das Chaos die Tagesordnung regiert. Splittergruppen verfolgen Partikularinteressen, jeder kämpft um Essen und Trinken und Einfluss. Es ist tiefer Winter. Durch die Stadt pfeift ein eisiger Wind, rein sachlich sowie emotional. Es liegen vereiste Leichen vor blinkenden SUVs. Hunde streunen ebenso herum wie verwirrte Passanten oder eiskalte Killer. Wir sind als männliches oder weibliches Mitglied einer US-Spezialeinheit unterwegs und sollen die Kontrolle zurückerobern. Vieles im Spiel basiert auf realen Planspielen zu diesem Thema. Und das spürt man an jeder Straßenecke im getrashten New York.

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Einmal Nebelwand, einmal Sonnestrahlen - das wechselnde Winterwetter in Kombination mit dem Tag-Nacht-Wechsel sorgt zu einem erheblichen Teil für die tolle Atmosphäre.
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Neben all dem Realismus macht The Division kein Hehl daraus, ein Videospiel zu sein. Es liefert alles, was zur Erwartungshaltung gehört. Es gibt Ballern und Action, Munitionskisten und Safehouses. Das Game triggert perfekt die Sammelwut des Spielers und den Kick, irgendwo noch einen besseren und tolleren Gegenstand zu finden mit besseren Prozentwerten. Oder sich einen solchen selbst mit einer gefundenen Blaupause zusammenzubauen. Es gibt Waffen diverser Kategorien, aber es sind nicht unüberschaubar viele. Außerdem Rüstungen, Masken, Handschuhe, Rucksäcke, Holster. Dazu gesellen sich ausbaubare Perks, Spezialfähigkeiten und Bonusitems. Und alles lässt sich modden mit weiteren Items. Natürlich sind die Items in unterschiedlichen Farben gekennzeichnet, um ihre Seltenheit zu kennzeichnen. The Division hat schon ziemlich viele Schichten, aber es sind nicht zu viele und man lernt schnell, sich zurechtzufinden.

Das sauber funktionierende Onlineerlebnis ist wunderbar nahtlos integriert. Man kann gemeinsam im Koop die angebotenen Missionen spielen, muss aber nicht. Die Storykampagne mit ihren zahllosen Nebenaktivitäten und Zufallsevents ist gleichermaßen als einsamer Wolf wie als Zweier-, Dreier- oder Vierer-Team ein tolles Erlebnis. Klafft das Level der Spieler zu weit auseinander, wird es allerdings schnell mal etwas öde für den schwachen Spieler, weil die Angriffskraft der Gegner durch den stärksten Mitspieler definiert wird. Ist der zu stark, fällt der Schwache nach einem Treffer tot um. Natürlich sind Wiederbelebungen möglich, aber jenseits des schnelleren Hochlevelns durch viele Erfahrungspunkte ist der Spaß hier überschaubar. Richtig grandios ist The Division im Koop, wenn man mit Leuten spielt, die in etwa das gleiche Level haben.

Das Erlebnis ist für eine schnelle Stunde zwischendurch dabei genauso nett wie für eine ganze Nacht. Die echten Storymissionen, die um den Aufbau einer eigenen Basis mit Aufträgen für drei Spezialisten herum gebaut ist, dauern nicht selten und je nach Level auch mal eine Stunde oder länger. Sind sind toll gebaut und spielen sich super, sind inhaltlich aber etwas fade. Und hier wird der einzige größere Kritikpunkt von mir sichtbar, nämlich der, dass die stärkeren Gegner und Endbosse manchmal zu sehr Kugelschwamm sind und zu viele Treffer einstecken. Das ist mir persönlich irgendwie zu unrealistisch in einem sonst so auf Realismus bedachten Werk. Anderseits sind die langen Duelle mit den schlau und schnell agierenden Gegner immer wunderbar intensiv und unvorhersehbar. Dass Gegner stumpf auf ihren Positionen verharren, kommt jedenfalls eher selten vor. Sehr agile und schlau die Deckung ausnutzende Angreifer sind da schon eher die Regel. Und auch Verstärkung rückt an, da wird die kalte Luft schnell noch kälter.

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Das sauber funktionierende Onlineerlebnis ist wunderbar nahtlos integriert.

Die Story ist, wenn man will, sehr facettenreich und vor allen Dingen eben auch nachvollziehbar. Es gibt sogar ein komplettes Buch (ja, so ein gedrucktes, dass man kaufen kann ganz in echt), um zusätzliche Hintergrundinfos zu bekommen. Es wartet im Spiel reichlich Kleinkram zum Aufsammeln wie Telefonauszeichnungen. Es gibt cool inszenierte Überwachungsvideos. Die Atmosphäre ist durchgängig dicht und passend, nachvollziehbar und herrlich endzeitmäßig beklemmend.

Aber The Division bietet nicht nur grandiosen Koop und Story. Die Dark Zone als Areal für Multiplayerkämpfe gegeneinander ist die wohl gelungenste Umsetzung einer feinen Idee in den letzten Jahren. Man kämpft gegeneinander, muss aber nicht. In der komplett verseuchten Zone kriechen üble und hart zu besiegende KI-Gestalten rum, aber auch jede Menge Onlinespieler. Hier finden sich nämlich die besten Items und es gibt ein getrenntes Levelsystem sowie eine eigene Währung. Koop ist möglich, muss aber nicht sein. Gefundene Gegenstände sind erst dann sicher, wenn man sie mit dem Helikopter ausgeflogen hat. Und der Weg dahin wird kein leichter sein, denn auf dem Rücken zeigt der glühende Rucksack den Mitspielern seinen ebenso verstrahlten wie interessanten Inhalt.

Entscheidet sich nun ein Onlinespieler aus einer Instanz zum Angriff auf einen Mitspieler, kann er ihn töten und die Items abnehmen. Allerdings prangt danach ein ziemlich deutlich sichtbares Zeichen über seinem Kopf, dass ihn als Abtrünnigen kennzeichnet. Nicht nur das Kopfgeld für solche Spieler macht sie zu feinen Zielen. Die Menschenjagd triggert auch ein absurdes Gerechtigkeitsgefühl. Nun, die Dark Zone ist jedenfalls ein dunkler Ort, auch rein optisch. Hier gibt es nachts kaum Licht, aber auch genau das macht das Zentrum von New York zu einem so mystischen Ort in einem Videospiel. Und erstaunlicherweise geht es da (zumindest derzeit noch) recht zivil zu. Man wird weitaus weniger erschossen von Mitspielern, als es zu vermuten wäre.

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Es ist einfach ein ziemlich tolles Produkt geworden, das in einer epischen Aufgabe von quasi allen Ubisoft-Studios gemeinsam gestemmt wurde.

Das Endgame nach dem Erreichen der derzeitigen Levelobergrenze von 30 kann man sich mit den täglichen Herausforderungen auf dem Challenge-Schwierigkeitsgrad austoben. Da rennt man ausschließlich gegen die harten, gelben Gegner an, die zudem alle auf Level 32 gepimpt sind. Hier wartet natürlich auch goldenes Equipment und es gibt Phoenix-Währung, mit der man bei einem Typen in der eigene Basis Superzeug kaufen oder neue Blaupausen kaufen kann. Mehr Loot also. Und die Dark Zone ist ja auch noch da. Und gerade hier wird deutlich, dass nur taktischer Koop überhaupt dazu führt, die Gegner abzuservieren. Ein großer Spaß, für den alle zusammenspielen müssen.

Natürlich könnte man meinen, dass The Division irgendwie erwartbar und langweilig wäre. Ist es aber nicht. Es ist einfach ein ziemlich tolles Produkt geworden, das in einer epischen Aufgabe von quasi allen Ubisoft-Studios gemeinsam gestemmt wurde. Sie haben die richtigen Ideen verworfen und nicht mehr mit eingebaut und sich konzentriert. The Division ist dadurch ein komplettes, technisch ausgereiftes Spiel geworden (den Schlange-Stehen-Bug aus dem Intro mal außen vorgelassen, aber selbst der hatte seinen Humor). Der Soundtrack ist wunderbar reduziert, der Sound realistisch und immer darauf bedacht, die Situation zu unterstützen. Die Waffen klingen satt. Und alles sieht verdammt spektakulär aus.

The Division ist so gut und süchtig machend wie Borderlands, liefert aber durch den realistischen Ansatz ein ganz anderes Spielgefühl. Es ist das bessere Destiny, was vor allen Dingen am Setting liegt. Und dieses rundum gelungene Werk beweist die Fähigkeit von Ubisoft, neue Marken anzugehen und innovative Spiele zu veröffentlichen. Und ein funktionierendes Onlinespiel zum (nicht gerade wenig besuchten) Launch ist ja heute auch nicht mehr selbstverständlich.

10 Gamereactor Deutschland
10 / 10
+
reichlich spannender Content, fantastische Storymissionen, Koop-Multiplayer und Kämpfe in der Dark Zone, großartige Optik
-
Story und Charaktere wirken etwas fade, Kugelschwamm-Syndrom
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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