Nun habe ich den Rechner doch angeschmissen, um ein paar Sätze aufzuschreiben über die zum Spiel gewordene Gegenthese zum Sommer. Weil es raus muss.
Limbo ist so wunderbar überraschend. Und zwar überraschend leise, angenehm, schwarz-weiß, schauerlich, brutal, beruhigend, dunkel, düster, trist, depressiv. Eben die Gegenthese zum Sommer in Post-WM-Schland. Das Spiel vereint all das eben Geschriebene, ohne dass wirklich viel passieren würde. Aber die Reduktion sorgt manchmal eben für den weitaus größeren Schockeffekt, als massig Blut und viel Lärm um Nichts.
Ein kleiner Held, eine schwarze Silhouette nur, mit intensiv hell leuchtenden Augen. Er läuft dem Schicksal seiner Schwester entgegen und muss auf dem Weg viele kleine und große Rätsel lösen. Meistens passiert nicht viel, aber wenn etwas passiert, dann wird es übel. Einmal nicht aufgepasst, und schon wird der kleine Junge unvermittelt zerhackt, von einer Bärenfalle. Das schwarze Blut spritzt aus dem kopflosen Hals. Ich zucke innerlich ziemlich zusammen, weil das so völlig unvermittelt passiert.
Dabei gibt es gar nicht so viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Es existieren nur zwei Buttons: für Springen und Aktion ausführen. Klettern, springen, schieben - das alles mit dem richtigen Timing, davon lebt Limbo. Auf das Timing, den Sound, auf Bewegungen und Licht reagieren die Gegner, die Umgebung und der kleine Mann in einem absurd schönen Wechselspiel. Dazu das permanente Spiel mit der Unschärfe im Vorder- und Hintergrund, während die Bewegungsebene des Helden stabil scharf bleibt, aber andauernd mal mehr oder weniger stark in den Vordergrund gerückt wird. Immer schweben Irrlichte umher, während wirre kleine Sounds und Soundflächen einen in den akustischen Wahnsinn treiben.
Sicherlich gewollt erinnert das Spielprinzip an das wunderbare Braid, wo man sich auch häufiger fragen musste, was das zum Teufel das jetzt alles soll und was das Spiel eigentlich verdammt nochmal von einem will. Wie bei Braid gilt auch für Limbo: Man muss es eigentlich immer gemeinsam mit Freunden spielen, damit irgendwer mit einer anderen Idee, einem anderen Konzept diese eine Passage schafft. Denn Steckenbleiben gehört (ein bisschen auch leider) zum Alltag in diesem rigoros reduzierten Knobel-Jump'n'Run.
Besonders gelungen ist der permanente Tanz mit dem Tod. Am allerschönsten ist der, wenn man von einer Riesenspinne in einen Kokon eingewebt wird und nun der Bewegungsradius plötzlich ein ganz anderer ist - und vormals schlichte Löcher zur echten Herausforderung werden. Da geht's nun nur gaaanz langsam drüber. Die Arachniden sind überhaupt echt ekelig, wenn sie einen auf ihren staksigen Spinnenbeinen langsam aber erbarmungslos jagen. Dazu immer dieses schwarze Rauschen im Hintergrund... wirklich creepy.
Limbo spielen, das ist ein bisschen wie einen anspruchsvollen Thriller lesen und ihn gleichzeitig spielen dürfen. Limbo lässt dem willigen Spieler seinen Interpretationsspielraum. Das ist einerseits unbequem, weil man sich vieles selbst denken muss - das betrifft das Gameplay ebenso wie die Geschichte. Aber genau das ist so großartig. Dass ich mir wie der kleine Junge vorkomme, der nicht weiß, wohin ihn seine Reise eigentlich führt und warum. Es ist am Ende ein wunderschönes Abenteuer, danke dafür.