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Guitar Hero Live

Guitar Hero Live

Guitar Hero ist zurück. Nach der langen Pause bietet das Musikspiel anders als die Konkurrenz gleich zwei interessante neue Ideen.

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Es ist eine Weile her, dass es eine Party gab, auf der Guitar Hero oder Rock Band gespielt wurde. Einst war Guitar Hero das coolste Spiel. und jeder Künstler wollte ein Stück von dem Erfolg. Activision schuf eine Marke mit gigantischen Ausmaßen. Nur um ein Beispiel zu nennen: Selbst Van Halen bekam eine eigene Edition, in der allerdings alle Stücke fehlten, die mit Sammy Hagar, Michael Anthony oder Gary Cherone entstanden sind. Das war im Jahr 2009 offenbar genug, um eine eigene Version von Guitar Hero zu rechtfertigen.

Der Markt aber brach nach den frühen Erfolgen aber ein. Am beeindruckendsten war vermutlich Guitar Hero: Aerosmith, das sich mehr als 3,6 Millionen Einheiten verkaufen konnte. Guitar Hero: Warriors of Rock markierte dann im Jahr 2010 das Ende einer Ära. Übersättigt. Übermolken. Vorbei. Es war alles vorbei.

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Freestyle Games, der Entwickler hinter DJ Hero, wurde damit beauftragt, einen Titel für die nächste Generation von Spielern neu zu erfinden
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Nun sitzen wir aber fünf Jahre später vor einer neuen Gitarre, einem neuen Spiel und einem völlig neuen Konzept für Guitar Hero. Freestyle Games, der Entwickler hinter DJ Hero, wurde damit beauftragt, einen Titel für die nächste Generation von Spielern neu zu erfinden, die einmal ein Milliarden-Dollar-Monster war. Und das neue Konzept ist ziemlich anders. Während Harmonix, die Macher von Guitar Hero, mit Rock Band 4 derselben Grundidee folgen, wagt Guitar Hero Live etwas. Es ist erfrischend und dabei trotzdem vertraut. Doch ist es wirklich genug, um unser Interesse an Plastik-Gitarren neu zu entflammen?

Die wichtigste Information zuerst: Der neue Guitar Hero-Controller bietet mit sechs Bund-Tasten eine Innovation. Es gibt eine Reihe mit weißen Tasten und eine Reihe mit schwarzen. In Kombination sind damit zehn verschiedene Töne möglich: drei mit schwarz, drei mit weiß, drei mit schwarz und weiß, sowie der einfache Ton vom Anschlagen der Saite durch den Kippschalter. Das sorgt für mehr Komplexität als in den alten Spielen, aber gleichzeitig ist es zugänglicher, weil die schwarzen Tasten in den ersten beiden Schwierigkeitsstufen gar nicht verwendet werden.

Tatsächlich scheint der erste Schwierigkeitsgrad sogar nur den Kippschalter zu verwenden. Das war allerdings so langweilig, dass ich nicht einmal die Hälfte des Songs aushalten konnte, nur um es einfach auszuprobieren. Der normale Schwierigkeitsgrad nutzt alle Noten, aber es fühlt die Bahn nicht komplett auf, was die Stufen für Fortgeschrittene und Experten allerdings schon tun. Es ist eine interessante Einstellung, die es unseren kleinen Fingern glücklicherweise ermöglicht, Urlaub zu machen. Die drei Finger, die wir nutzen, müssen dafür aber richtig hart arbeiten. Ein Wochenende mit Guitar Hero Live und ich bemerke mein Alter. Die Finger schmerzen und ich tauche sie zur Entspannung in kaltes Wasser.

Die Gitarre selbst scheint von guter Qualität zu sein. Die Bund-Tasten quietschen zwar ein wenig und der Kippschalter ist ziemlich laut, aber das kann mag vielleicht auch damit zusammenhängen, dass ich ein bisschen zu kräftig darauf eingeschlagen haben.

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Der neue Guitar Hero-Controller bietet mit sechs Bund-Tasten eine Innovation. Es gibt eine Reihe mit weißen Tasten und eine Reihe mit schwarzen.

Wie es schon bei bisherigen Spielen der Reihe der Fall war, ist der Sprung von "Einfach" auf "Normal" für Einsteiger, von "Normal" zu "Fortgeschritten für Spieler mit etwas Erfahrung, und von "Fortgeschritten" zu "Experte" für Profis mit ziemlich viel Mühe verbunden. Und es gibt keine Hilfe durch die Einbindung von einem Trainingsmodus, in dem bestimmte Riffe gelernt werden können. Hoffentlich wird dies noch über so etwas wie ein Update nachgereicht, denn es ist eine ziemlich demütigende Erfahrung, nach hohen 90er Wertungen auf "Normal" auf der nächsten Stufe gleich während der ersten Versuche komplett zerstört zu werden.

Bei Guitar Hero Live gibt es im Grunde zwei sehr verschiedene Möglichkeiten des Spielens. Entweder entscheiden wir uns für Live-Action-Festival-Gig aus der Ego-Perspektive im Live-Modus oder als Musikvideo-
Jam auf GHTV. Die ersten Eindrücke von Live sind ziemlich gut. Wir fangen mit dem Festival "Sound Dial" in Stoneford Castle in Großbritannien an, wo von "Portland Cloud Orchestra" eher Indie-Hymnen zu hören sind. Stellen wir uns für diese Band so etwas wie The Arcade Fire vor, nur dass sie neben den Kleidern noch Blumen um den Hals zu hängen haben.

Es macht Spaß und die Ich-Atmosphäre funktioniert viel besser als erwartet. Das gilt insbesondere dann, wenn die Dinge nicht so gut laufen. Die Buhrufe von der Masse und die wütenden Blicke von den Bandkollegen treffen einen wirklich. Und das ist echt toll. Also wirklich, das ist es. Ich kann mich ehrlich nicht an eine einzigen Animation oder einen Ausschnitt aus einem der alten Guitar Hero- oder Rock Band-Spiele erinnern. Wir haben uns auf die Bahn von Noten gekümmert, die auf uns zugekommen sind. Und diese neue Präsentation ist auch etwas, das dem Publikum im Wohnzimmer mehr Spaß macht. Die Entwickler hatten sicher Spaß, mit den Stereotypen zu spielen.

Andere Kollegen schienen diese Form der Live-Action nicht zu mögen, aber ich schätze die Arbeit, die in diese Modus geflossen ist. Ich freue mich jedes Mal, wenn man beginnt Fehler zu machen und den Übergang der "guten Version" von Band und Publikum hinzu "schlechter Version" sieht. Man wird wahrscheinlich am Ende einige dieser Fake-Bands hassen, während wir vielleicht andere lieben. Das gleiche gilt übrigens für die Tracklist.

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Es ist eine ziemlich demütigende Erfahrung, nach hohen 90er Wertungen auf "Normal" auf der nächsten Stufe gleich während der ersten Versuche komplett zerstört zu werden.

Die Live-Sektion des Spiels bietet dreizehn verschiedene Sets mit zehn Bands über zwei Festivals verteilt. Neben Sound Dial gibt es noch Rock the Block in den USA. Jedes Set besteht aus wenigstens drei Songs und später sind es bis zu fünf Songs. Es gibt ein Set mit Avril Lavigne, Katy Perry und Rhianna. Und es gibt eins mit Kasabian, Linkin Park, Eminem und Skrillex - was für eine Mischung. Es gibt etwas für jeden, aber gleichzeitig scheitert das Spiel dabei, etwas für den typischen Guitar Hero-Fan abzuliefern. Es hat kein wirklich zentrales Thema und ist hinsichtlich der Musik eher querbeet. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Person tatsächlich jedes Set im Karrieremodus mag.

Die Trackliste ist ziemlich dünn wenn es um Metal geht, selbst wenn es auch davon einiges gibt - besonders im GHTV-Bereich. Zum Start stehen insgesamt 250 Songs zur Verfügung, aber die überwiegende Mehrheit davon gibt es nur als Streaming. Auf der Disc sind etwas mehr als 40 Titel mit Ego-Perspektive. Eine relativ große Zahl von Bands ist dort mit Songs vertreten, die uns ein wenig überraschend - Red Hot Chili Peppers sind im Angebot mit "Higher Ground", Alice in Chains gibt es mit "Stones" und Pearl Jam ist mit "Sirens" am Start. Wenn ich ehrlich bin, sind dies nicht die Lieder, die ich von diesen Bands spielen möchte.

Der Guitar Hero TV-Bereich bietet zwei Kanäle mit Shows, wie wir sie aus der Zeit von MTV vor den ganzen Reality-Shows kennen. 24 Stunden am Tag laufen dort Songs in verschiedenen Blöcken. Man schaltet einfach ein und fängt an Credits zu verdienen und sich hochzuleveln. Wir können dadurch neue Heldenkräfte freischalten, die wir im TV-Bereich einsetzen können. Dazu gehören neue Bahnen und Spielerkarten. Die Lieder lassen sich auch alle direkt ansteuern, allerdings kostet das ebenfalls Credits. Und obwohl es bereits zu Beginn reichlich Credits zu verdienen gibt, habe ich trotzdem das Gefühl, dass die Einführung dieser Ökonomie irgendwie gegen die Idee ist, dass man zu jedem Zeitpunkt den Song spielen kann, auf den man Lust hat. Das ist sicher keine ideale Situation.

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Es macht Spaß und die Ich-Atmosphäre funktioniert viel besser als erwartet.

Dazu kommen übrigens noch Premium TV-Inhalte. Es ist seltsam, diese so zu bezeichnen, denn sie kosten nichts zusätzlich. Die Idee dazu ist, dass diese Inhalte nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen und weitere Extras bieten. Derzeit ist beispielsweise ein Liveset von Avenged Sevenfold verfügbar, ein paar Guitar Hero-Klassiker und Indie Rock Blockbuster ("All the Rage Back Home" von Interpol ist hier einer der Songs). Man schaltet diese Inhalte frei, in dem ein paar Songs gespielt werden. Oder man kauft sie direkt. Aber es ist wirklich einfach, sie auf einem Schwierigkeitsgrad der Wahl freizuschalten.

Nicht klar ist, ob neue Inhalte nur auf diese Art und Weise bereitgestellt werden oder ob auch auf regulärem Weg Songs angeboten werden sollen. Der TV-Bereich sieht auf jeden Fall sehr vielversprechend aus, aber wir werden sehen, wie Activision diesen neuartigen Weg unterstützen wird. Wenn sie in ein paar Monaten das Interesse verlieren, dann stecken wir mit einer Auswahl von Songs fest, die sich nicht aktualisieren und auf die wir keinen freien Zugriff haben, weil eine Ökonomie dahinter im Spiel ist. Oder sogar noch schlimmer, die Auswahl wird mit der Zeit noch kleiner. Wir wissen einfach nicht genau, was passieren wird.

Natürlich hat das alles auch mit Lizenzkosten zu tun. Streaming-Inhalte in das Spiel einzubinden, ist eine Möglichkeit für Activision, um uns ohne großen Aufpreis eine große Liste von Songs anzubieten. Diese Lizenzprobleme bedeuten aber auch, dass die verschiedenen Streaming- und Teilen-Funktionen der Konsole während des Spielens abgeschaltet bleiben.

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Der Guitar Hero TV-Bereich bietet zwei Kanäle mit Shows, wie wir sie aus der Zeit von MTV vor den ganzen Reality-Shows kennen.

Guitar Hero Live richtet sich hauptsächlich an den einsamen Gitarristen, während sich Rock Band mehr an Leute richtet, die auf Parties und einer Band spielen wollen. Natürlich können wir auch für Guitar Hero Live mit zwei Gitarren spielen und sogar ein Mikrofon für den Gesang anschließen. Aber allein die Tatsache, dass ein Party Pass für das Freischalten aller Inhalte für 24 Stunden nur gegen Gebühr möglich ist, beweist recht deutlich, dass sich das Spiel mehr an Solisten richtet.

Ja, richtig gelesen. Wenn man eine Party hat, muss entweder ein Zugang zum ganzen Katalog gekauft werden oder aber Freunde werden erspielte Credits im TV-Modus einfach schnell auffressen. Die Songs im Live-Bereich sind allerdings zu jedem Zeitpunkt ganz ohne dieses Gebührensystem über ein schnelles Spiel verfügbar. Das aber führt zu einem weiteren Problem. Es gibt keinen Ort, an dem alle Songs zusammen sind. Es gibt entweder den Live- oder den TV-Modus. Das Spiel richtet sich einfach nicht an Parties, wo die Gitarre nach jedem Song zwischen den Spielern getauscht wird.

Guitar Hero Live liefert zum großen Teil gute, logisch entworfene Songs. Es gibt ein paar Rhythmen, die sich ein wenig daneben anfühlen, aber das kann auch damit zusammenhängen, dass wir zu sehr auf die Trommeln hören. Die Tatsache, dass es keine Trommeln in diesem Spiel gibt, stört aber nicht weiter. Tatsächlich ist es sogar schön, dass sich Rock Band 4 und Guitar Hero Live diesmal deutlicher unterscheiden. Das es keine echte Bandsimulation ist, mag für einige ein K.o.-Kriterium sein. Wer aber ein Spiel sucht, in dem es vor allem um den Gitarristen geht, der wird dieses hier wahrscheinlich bevorzugen.

Guitar Hero Live
Wenn man eine Party hat, muss entweder ein Zugang zum ganzen Katalog gekauft werden oder aber Freunde werden erspielte Credits im TV-Modus einfach schnell auffressen.

Guitar Hero Live macht noch immer eine Menge Spaß - sogar mehr, als wir uns erinnern damals mit den Spielen gehabt zu haben. Vielleicht hat die Pause also Wunder getan. Die neu Gitarre funktioniert wirklich gut und fühlt sich auch qualitativ in Ordnung an, obwohl das Klick-Klack vom Kippschalter sehr laut ist. Es gibt viele, viele Lieder und ein paar sind wirklich gut. Die Sets aus der Ego-Perspektive sind nicht nur eine Spielerei, sondern geben der Erfahrung wirklich etwas.

Nicht so sicher bin ich mir allerdings über den TV-Bereich und die dahinter stehende Ökonomie. Es scheint so, als gäbe es bestimmte Mechanismen nur, um uns in Richtung Microtransaktionen zu bewegen. Dazu gehört die merkwürdige Entscheidung, Barrieren einzubauen, damit Songs während Parties nicht frei gespielt werden können. Das ein Übungsmodus fehlt, in dem die schwierigeren Riffe gelernt werden können, ist ebenfalls schade. Wer neu in dieser Art von Spielen ist, für den ist meiner Meinung nach Guitar Hero Live die besser Wahl gegenüber Rock Band 4, weil es mehr Songs bietet und eine modernere Interpretation des Konzepts ist.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
neue Gitarre ist gut gestaltet, Stücke mit Live-Action funktionieren überraschend gut, breit gefächerte Musikauswahl, GHTV ist ein interessanter Ansatz
-
funktioniert weniger gut für Parties, kein Schlagzeug, manche Songs passen nicht gut zu einem Gitarren-Spiel, kein Übungsmodus, künftige Qualität von GHTV ist unbekannt
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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