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Max Payne 3

Max Payne 3

Max Payne. Ein Name, der manchen Gamern ein entrücktes Lächeln ins Gesicht zaubert. Oder aber Fragezeichen in die Augen, denn der letzte Auftritt des depressiven Detectives liegt fast 10 Jahre zurück. Die ersten beiden Serienteile sorgten damals für ein völlig neues Spielgefühl und offene Münder. Und heute?

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Hauptgrund der Begeisterung war das Bullettime-Feature, die Megazeitlupentechnik aus dem Film Matrix. Dazu kamen Physikeffekte, fiese Kill-Cams und eine düstere Story im Film-Noir-Stil, die durch Standbilder und den sarkastischen Offtext von Max Payne kommentiert wurde. Dabei hatte der angeschlagene Cop nicht viel Nettes zu sagen. Nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau und Tochter zog es ihn in eine Spirale aus Drogengeschäften, Korruption und genug Leichen, um einen eigenen Friedhof zu gründen. Danach brauchte Max wohl erst einmal eine Auszeit.
 
Wenn man heute die alten Spiele in die Konsole wirft, wird sofort klar, wie die zehn Jahre Sendepause zustande kommen. Das Gameplay, in der Erinnerung als perfekt flüssig abgespeichert, wirkt heute klobig und hakelig. Der Reiz der damals bombastisch aussehenden Zerstörung ist verflogen und abgesehen davon bleibt nicht viel Substanz. Kein Wunder also, dass eine komplette Grundsanierung des Spielkonzeptes her musste. Endlich hat sich Rockstar Games, die damals schon Entwickler Remedy mit den Konsolen-Versionen unterstützten, durch diese Mammutaufgabe gekämpft. Und sie haben reichlich richtig gemacht.
 
Die erste Szene im Spiel gibt schon deutlich die Richtung vor. Ein sichtlich gealterter Max ist dem kalten New York entflohen und verdingt sich als Bodyguard für eine reiche brasilianische Familie. Während einer dekadenten Penthouse-Party in Sao Paulo werden die Hauptfiguren vorgestellt und es wird sofort deutlich, dass GTA-Genie Dan Houser für Story und Dialoge verantwortlich ist. Die Comic-Panel der Vorgänger sind cineastischen Zwischensequenzen gewichen, die einen Hauch von Miami Vice, Scarface und Tarantino versprühen. Die andauernden Bildverzerrungen, die Max' Alkoholmissbrauch visualisieren sollen, sind aber vielleicht etwas zu viel des Guten. Außerdem sind die Sequenzen ein bisschen arg dialoglastig. Dafür kaschieren sie elegant die Ladezeiten.

Max Payne 3
Das Cover-System ist eigentlich die umwälzendste Neuerung und bietet die grundlegenden Features wie hervorlugen und blind feuern.

 
Dann stürmen Gangmitglieder die feine Party und wir dürfen endlich die Kontrolle über Max übernehmen. Hier hat sich viel getan. Wie in jedem modernen Spiel kann Max jetzt gehen, rennen, sprinten, sich abrollen, geduckt laufen, sich hinlegen und per Knopfdruck Deckung suchen. Das Cover-System ist eigentlich die umwälzendste Neuerung und bietet die grundlegenden Features wie hervorlugen und blind feuern. Leider bleibt es etwas rudimentär, Lücken und Ecken können in Deckung nicht passiert werden. Genau das unterstreicht auch die spielbestimmende Bedeutung der Bullettime. Die Gegner setzen hauptsächlich auf Sturm- und Flankierungstaktiken. Wer in der Deckung verharrt, wird schnell überrannt. Stattdessen heißt es also, den Vorrat an Bullettime geschickt einzusetzen und die Gegner möglichst elegant im Stil eines Hongkong-Movies zu erledigen.
 
Ein typisches Feature der Serie sind die Schmerztabletten. Statt der allgegenwärtigen Selbstheilung muss sich Max das Zeug packungsweise einwerfen, um verlorene Gesundheit wieder herzustellen. Neu ist, dass Max beim Kassieren eines eigentlich tödlichen Treffers in den Last Man Standing-Modus wechselt, wenn er noch eine Dosis Painkiller dabei hat. Dann startet automatisch die Zeitlupe und der Spieler kann sein Leben retten, wenn er den Schützen der letzten Kugel mit einer finalen Salve ausschaltet. Die Inszenierung dieser Sequenzen ist wuchtig, genau wie die Killcams, die das Lebensende des letzten Gegners einer Welle zeigen. Hier kann die Zeit auf Knopfdruck sogar noch weiter verlangsamt und der tödlich Getroffene mit weiteren Kugel durchsiebt werden. Das sieht wirklich extrem brutal aus und es ist eigentlich verwunderlich, dass es dieses Feature in die deutsche Version geschafft hat. Diese ist zwar nicht komplett ungeschnitten, aber dass man keine unbeteiligten Zivilisten erschießen kann, ist nicht wirklich ein Nachteil.

 
Auf Grafik und Design des Spiels wurde genauso viel Wert gelegt wie auf die Inszenierung der Schießereien. Alle Schauplätze sind wunderschön gestaltet und wirken auch inhaltlich sehr stimmig. Hier sind nicht einfach irgendwelche Räume aneinandergetackert, sondern es geht um nachvollziehbare Architektur. Teilweise werden auch Bereiche, die man schon einmal in Rail-Shooter-Sequenzen unter Feuer genommen hat, später noch einmal zu Fuß durchkämmt. Das erhöht ebenfalls den empfundenen Realismus.
 
In Brasilien werden dabei unterschiedlichste Locations besucht, die von Discos über Boote bis hin zu den Slums reichen. Eingestreut sind immer wieder New York-Level als Flashbacks, die den Hintergrund der Story ausleuchten. Diese bieten nochmal einen extremen grafischen Kontrast und sprechen mit ihrer Film-Noir-Atmosphäre besonders die Fans der Vorgängertitel an.
 
Obwohl die Level recht linear sind, gibt es einige Geheimnisse zu entdecken. Abgesehen von den überlebenswichtigen Schmerzmitteln können wir Teile von goldenen Waffen und Hinweise zur Story sammeln. Das verleitet zum erneuten Durchspielen, wenn man die Hauptstory nach knapp zehn Stunden hinter sich hat.

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Max Payne 3
Auf Grafik und Design des Spiels wurde genauso viel Wert gelegt wie auf die Inszenierung der Schießereien.

 
Nebenbei vergnügt man sich im Multiplayer. Der ist kompetent umgesetzt, aber haut nicht wirklich von den Socken. Zumal die Grafik hier deutlich nüchterner ausfällt. Immerhin ist es Rockstar gelungen, das Bullettime-Feature erstmals vernünftig in einen Multiplayer zu integrieren. Löst ein Spieler die Zeitlupe aus, wird auch für den Gegner das Spiel langsamer. Schafft dieser es aber, die Sichtlinie seines Angreifers zu verlassen, geht das Spiel normal weiter. Das funktioniert überraschend gut. Weiteren Mehrwert bieten die Arcade-Modi, in denen man die regulären Levels auf Zeit oder auf Punkte durchspielen kann. Dabei kann auch das Aussehen von Max gewählt werden, als besonderes Schmankerl ist sogar der Look des ersten Teils dabei. Wer hätte gedacht, dass Max Payne mal so jung war und so debil gegrinst hat.
 
Hier haben wir also wieder die Verbindung zu den Anfängen. Rockstar ist, kurz gesagt, die Wiederbelebung von Max Payne absolut gelungen. Es wurde allerdings ein guter Teil Grand Theft Auto und Red Dead Redemption mit transplantiert, was Fans etwas zu weit gehen könnte. Gleichzeitig entlarven diese Gene die extreme Linearität und das sich teils wiederholende Gameplay von Max Payne 3, zumal auch die Steuerung und Aktionsmöglichkeiten nicht perfekt sind. Was den Spielfluss angeht, haben Titel wie Vanquish die Nase vorn. Selbst bei Alan Wake, was von den Max Payne-Erfindern Remedy programmiert wurde, hat man im Kampf ein besseres Gefühl der Kontrolle.

Max glänzt zwar mit unzähligen kontextsensitiven Animationen und schönen grafischen Details bis hin zu den beweglichen Schlitten der Pistolen. Trotzdem ist das Cover-System hakelig, vor allem nach einem erfolgreichen Last Man Standing-Move wieder in Deckung zu kommen ist oft problematisch, da Max erstmal wie eine Schildkröte auf dem Rücken liegt. Das Sprinten ist ein bisschen lahm und sowohl das Rollen als auch die Shootdodge-Hechtsprünge haben eine merkwürdige Verzögerung, während der man schon mal ungewollt ein bis zwei Treffer einsteckt.

Max Payne 3
Das Sprinten ist ein bisschen lahm und sowohl das Rollen als auch die Shootdodge-Hechtsprünge haben eine merkwürdige Verzögerung.
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Dazu nerven kleine Unstimmigkeiten. So kann Max zwei Pistolen und ein Gewehr tragen, wobei nach einer Zwischensequenz immer automatisch eine Pistole angewählt ist - selbst wenn diese gar keine Munition mehr hat. Der Last Man Standing-Move funktioniert auch manchmal nicht, wenn zwischen Max' Gewehrlauf und dem Gegner ein Hindernis steht. Solche Kleinigkeiten drücken besonders auf die Stimmung, weil das Spiel noch wirkliches Können abverlangt.

Natürlich kann man mit aktivierter Zielhilfe und im Easy-Modus auch locker-flockig die Story genießen, doch Fans des Originals beißen sich inklusive Free-Aim durch Munitionsmangel, schwer gepanzerte Gegner und ungewöhnlich hart gesetzte Checkpoints. Durch den Wiederspielwert fällt aber auch schnell auf, dass da viel Luft nach oben ist und selbst harte Situationen durch Übung annähernd perfekt gemeistert werden können. Dann stellt sich das von Actionfans geliebte Bullet-Ballet-Gefühl in Reinkultur ein.

Kurz gesagt, Max Payne 3 liefert viele schöne Stunden und verkürzt nebenbei die Wartezeit auf Grand Theft Auto V. Sollte es Rockstar gelingen, die neu erworbene Action-Kompetenz dort einfließen zu lassen, erwartet uns da nicht weniger als die Mutter aller Spiele.

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09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
der coolste Max, den es je gab, wuchtige Schießereien, atmosphärisch geniale Locations
-
Coversystem teilweise hakelig, ein Hauch zu viel GTA-Style
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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