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Pokémon Shuffle

Pokémon Shuffle

Es ist der erste kostenlos spielbare Titel mit Mikrotransaktionen von Nintendo und der macht fast alles falsch, was man nur falsch machen kann.

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Regelmäßig poltern Investoren, dass Nintendo sich neuen Geschäftsfeldern öffnen müsse. Der traditionelle Hersteller aber tut sich schwer damit, neue Konzepte zu adaptieren. Nintendo bleibt deswegen in manchen Belangen etwas hinter dem Zeitgeist zurück, aber macht dafür auch nicht jeden stumpfsinnigen Trend mit. Und wenn Nintendo sich dann einem Thema annimmt, dann meist durchdacht und clever - mit einer eigenen Note. So hat man das Onlinethema zwar lange vernachlässigt, aber bietet inzwischen jedes Spiel auch zum Download an und hat mit dem Miiverse ein eigenes soziales Netzwerk gestartet. Und auf ein weiteres Zugpferd ist Nintendo inzwischen aufgesprungen: Mit Pokémon Shuffle hat Nintendo ein Spiel im Angebot, das kostenlos heruntergeladen werden kann und sich über Mikrotransaktionen finanziert.

Und obwohl es inzwischen so viele interessante Modelle dafür gibt, ist dieser Titel ein hochwertiges, aber sehr konservativ gestricktes Spiel. Es beinhaltet nämlich all das, wofür wir ähnlich funktionierende Vertreter hassen. Basierend auf dem, was bereits von Pokémon Link bekannt ist, gibt es hier einen klassischen Match-3-Puzzler. Allerdings einer, der in regelmäßigen Abständen eine Mauer aufbaut und uns entweder um Geduld bittet oder die Hand aufhält. Das Ganze ist so offensichtlich und stümperhaft integriert, dass es fast so scheint, als wollte Nintendo mit Pokémon Shuffle demonstrieren, dass sie sehr wohl wissen, wie die Gelddruckmaschine Free-to-Play funktioniert, aber sie langfristig nichts taugen kann.

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In dem Spiel geht es darum Reihen aus mindestens drei gleichen Pokémon zu bilden und damit die Energie des Gegners zu reduzieren.
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Ganz konkret funktioniert Pokémon Shuffle so: Spielen wir eine Runde, verbrauchen wir dabei einen Versuch. Es ist dabei unerheblich, ob der erfolgreich ist oder nicht. Eine kurze Runde von nicht mehr als zwei Minuten kostet einen Versuch, von denen es nur bis zu fünf gibt. Und um einen solchen wieder aufzufüllen, müssen wir eine halbe Stunde warten. Die vollständige Auffüllung der fünf Versuche dauert also mehr als zwei Stunden. Wer das nicht möchte, muss Klunker einsetzen. Die bekommen wir an bestimmten Stellen im Spiel als Belohnung, über Streetpass-Begegnungen mit anderen Spielern oder aber wir investieren eben echtes Geld.

Fünf Versuche kosten einen Klunker. Wer bis zu zwölf von der spieleigenen Währung investiert, bekommt dafür 80 Freiversuche. Dem stehen aber erhebliche Kosten gegenüber. Ein Klunker wird für 0,99 Cent verkauft. Gespart werden kann, wer mehr Geld anlegt. Für 47,99 Euro gibt es 75 Klunker. Dafür gibt es dann also theoretisch fast 500 Versuche. Die Wertigkeit von investiertem Geld erinnert damit stark an die ganz fiesen Modelle, mit denen Electronic Arts abkassieren wollte. Und: Alle Pokémon wird man auch damit vermutlich nicht fangen können. Wir stehen also irgendwann, wenn wir uns finanziell nicht verausgaben wollen, zwangsläufig vor der besagten Wand.

Und das wirklich Traurige daran ist, dass Pokémon Shuffle an sich ein fabelhaftes Spiel ist - sogar noch ein bisschen besser als Pokémon Link: Battle, das ähnlich funktioniert und ebenfalls im Eshop für den 3DS zu haben ist. Statt das immer gleiche Spielprinzip abzuspulen, variiert die Erfahrung hier ein wenig. Pokémon greifen uns auf vielfältige Art und Weise an. Wir können dem ebenso vielfältig entgegentreten, denn jedes Pokémon hat verschiedene Eigenschaften. Zudem gibt es die normale Variante, in der wir für einen Zug alle Zeit der Welt haben und noch die Zusatzstufen mit Zeitbeschränkung und entsprechendem Druck.

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Pokémon haben unterschiedliche Fähigkeiten, die im Kampf nützlich sein können und uns so das Spiel erleichtern.
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Außerdem führt Nintendo regelmäßig zeitlich befristete Events durch, die uns einerseits seltene Pokémon wie beispielsweise Mew fangen lassen oder aber eher Spielerei sind wie das Sammeln von Münzen mit Mauzi. Diese Ausflüge sorgen aber nicht nur für Abwechslung, sondern halten uns an, auch wirklich jeden Tag in Pokémon Shuffle reinzuschauen. Als Belohnung für diesen natürlich auch für Nintendo nützlichen Austausch per Internet gibt es 500 Münzen gratis.

Münzen sind übrigens eine zweite Währung im Spiel. Hiermit können wir uns zusätzliche Spielhilfen kaufen. Dazu gehört etwa die Möglichkeit, die Zahl der Züge zu erhöhen oder aber eine Mega-Evolution früher auszulösen und damit einen stärkeren Angriff in der Tasche zu haben. Es sind alles Dinge, die das Besiegen und Fangen der Pokémon einfacher machen. Darum nämlich geht es auch in Pokémon Shuffle. Sind wir siegreich in dem Puzzlespiel, können wir das Pokémon fangen - manche davon einfacher, andere schwerer. Von einer Grundwahrscheinlichkeit ausgehend, kann diese durch besonders schnelles Abschließen eines Levels erhöht werden, indem wir weniger Züge verbrauchen. Oder aber wir setzen einen Superball ein, der allerdings auch Münzen kostet.

Diese Münzen bekommen wir für jeden abgeschlossenen Kampf. Wirklich viele aber nur für den erstmaligen Sieg. Danach gibt es nur eine schmale Ausbeute. Gegen Klunker, wer hätte es gedacht, können wir uns aber leicht mit mehr davon eindecken. Tatsächlich hätten es die Münzen allein auch getan, um aus Pokémon Shuffle einen Titel zu basteln, der motiviert und für den wir aber vielleicht irgendwann nicht mehr nur Zeit investieren wollen, sondern für die Spielhilfen auch echtes Geld ausgeben. In der aktuellen Form aber werden wir zu diesem Vorgang beinahe gezwungen, um überhaupt weiterspielen zu dürfen. Und weil Pokémon Shuffle durchaus Spaß macht, ist man natürlich auch dazu versucht, dies zu tun, wenngleich der Gegenwert so mager ausfällt und man frustriert darüber sein wird.

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Leider hat der Titel einen Nachteil: Nintendo bremst uns beim Spielen aus und lässt uns Warten oder will echtes Geld sehen.

Nintendo will nun also offenbar den meist jungen Pokémon-Anhängern das Geld aus der Tasche ziehen. Es ist fast schon ein bisschen dreist, wie das sonst so familienorientierte Unternehmen hier vorgeht. Es gibt sogar richtig miese Design-Entscheidungen, wie bei den Spielen, denen man ganz klar Abzocke vorwirft. Beim Weiterklicken nach einem misslungenen Fangversuch kommt man schnell auf den optionalen Superball und wirft sauer verdiente Münzen zum Fenster raus. Selbst bei einer echten Niederlage kann man durch etwas Unachtsamkeit schnell auf der Klunker-Option landen und diese nicht sinnvoll anlegen, sondern verschwenden. Außerdem gibt es Pokémon, die sind einfach sehr schwer zu fangen, ohne Münzen einzusetzen und verbrauchen damit mehrere Versuche, die uns Wartezeit oder eben auch Geld kosten.

Pokémon Shuffle bremst, wo es nur kann und funktioniert nur gut, wenn wir es genau in diesem langsamen, aber stetigen Tempo spielen wollen. Selbst die Option über Streetpass ist eher Augenwischerei. Für die erste sowie jede weitere hundertste Begegnung gibt es einen Klunker. Für die fünfte sowie im Anschluss an jede weitere zehnte Begegnung gibt es einen Freiversuch. Das ist zwar eine nette Ergänzung, aber wirklich viel lässt sich damit offenbar nicht erreichen. Die Mauer, die hier aufgebaut wird bleibt hässlich und lässt mich der Frage zurück, was Nintendo eigentlich mit all dem hier bezwecken will.

Ein lustiges Spiel zu entwickeln, das dem typischen "Schnapp sie dir alle"-Prinzip folgt, aber uns eigentlich an jeder sich bietenden Gelegenheit das Geld aus der Tasche ziehen will, ist so fahrlässig, dass ich für Nintendo nur hoffen kann, dass von Anfang an geplant war, dies Projekt scheitern zu lassen. So in etwa nach dem Motto: "Hier, wir haben es ja gesagt, die Leute sind genervt, die Kritiken sind schlecht und die Ausbeute ist auch nicht besser als bei unseren regulären Speieln!" Ja, ich hoffe wirklich, dass dies der Plan ist. Denn Pokémon Shuffle steht meiner Meinung nach konträr zu Nintendos Philosophie. Das hier ist Frust statt Lust. Und es macht nur Spaß, wenn man wirklich sehr viel Geduld mitbringt. Sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel Geduld.

04 Gamereactor Deutschland
4 / 10
+
simples Spielprinzip, variierende Strategien nötig, viele bekannte Pokémon, Mega-Entwicklungen, regelmäßige Events
-
gleich zwei Bezahlschranken, wer nicht ständig warten will muss Echtgeld zahlen
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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