Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Blackguards 2

Blackguards 2

Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Dem Motto folgt auch die vom Wahnsinn getriebene Heldin im rundum verbesserten Strategierollenspiel.

HQ

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Blackguards war für Daedalic das bisher größte Projekt in der Unternehmensgeschichte. Es war ein Risiko, zumal sich die Hamburger in einem komplett neuen Genre probierten. Und obwohl das Strategierollenspiel viele Ecken und Kanten hatte, ging die Rechnung am Ende auf. Finanziell schrieb das Projekt schwarze Zahlen und trotz durchwachsener Kritiken war zu erkennen, wohin die Reise gehen könnte. Man suchte immer die Nähe zur Community, war offen für Anregungen und Verbesserungen. Die wiederum flossen nun in den Nachfolger. Nur ziemlich genau ein Jahr hat Daedalic dafür gebraucht.

Der Grund dafür ist aber nicht die Suche nach dem schnellen Euro, sondern wohl eher die Tatsache, dass die Oberfläche ähnlich geblieben ist und auch unter der Haube derselbe Motor das Spiel antreibt. Nichtsdestotrotz spielt sich Blackguards 2 dabei ganz anders. Für jedes Problem mit dem Erstling fand das Team eine elegante Lösung. Es fühlt sich ganzheitlicher, einfach runder an. Und obwohl man den Regeln von Das Schwarze Auge nicht mehr stoisch folgt, blieb der Charakter eines klassischen Rollenspiels erhalten und mit ihm der fordernde Schwierigkeitsgrad.

HQ
Blackguards 2Blackguards 2
Es wurde nichts gestrichen im Spiel, sondern nur anders aufbereitet, was sehr willkommen ist.
Werbung:

Die typischen Grundwerte etwa wurden nun zusammengefasst, damit sie leichter zu überblicken sind. Acht bleiben übrig, etwa Schaden und Initiative, dazu kommen zwei weitere für die Regeneration von Astralenergie und der neu eingeführten Ausdauer sowie die einzelnen Resistenzen. Das kreiert ein deutlich besseres Verständnis dafür, wie der Charakter aufgestellt ist und welche Stärken und Schwachpunkte er hat. Zudem fassen die neuen Daten auch zusammen, was im ersten Teil noch separat ausgewiesen wurde. Es wurde also nichts gestrichen, sondern nur anders aufbereitet.

Blackguards 2 will nämlich keinesfalls seichter sein. Die Veränderungen am Spiel dienen lediglich der Benutzerfreundlichkeit und sind damit mehr als willkommen. Die Oberfläche ist so weit vereinfacht worden, dass der Einstieg nicht mehr so schwerfällig ist. Und auch auf das meist lästige Tutorial wurde verzichtet. Stattdessen erklärt uns das Spiel alles nur nach und nach mit Infotafeln, wenn dies erforderlich ist. Und diese kommen perfekt auf den Punkt und überfrachten nicht mit unnützer Information. Einsteiger mag das vielleicht etwas überfordern, aber wer sich in dem Genre etwas auskennt, erfährt nur das, was er auch wissen muss.

Neben den kosmetischen Veränderungen gibt es ein paar ganz wesentliche Neuerungen. Dazu gehört, dass die Karte nun deutlich offener ist und wir relativ zügig nach dem Einstieg in die Eroberung des Großemirats Mengbilla wechseln. Hierfür entscheiden wir selbst, welche Punkte auf der Karte wir erobern wollen und irgendwann wird auch Marwan seine Truppen aussenden, um bestimmte Orte zurückgewinnen zu wollen. Für jeden Punkt auf der Karte, den wir einnehmen, erhalten wir Verbesserungen für unsere Söldner. Und wir sehen immer deutlich, welcher Schwierigkeitsgrad uns auf der nächsten Karte erwartet.

Blackguards 2
Blackguards 2 will nämlich keinesfalls seichter sein.
Werbung:

Die erwähnte Ausdauer funktioniert ähnlich wie die Astralenergie und sorgt für eine bessere Balance zwischen zaubernden und kämpfenden Charakteren. Bei den Spezialfähigkeiten kommen wir darum nämlich nicht mehr herum. Der Zufall im Kampf wurde übrigens etwas zurückgefahren und Kämpfe fühlen sich nun mehr wie die moderne Taktikrollenspiele an. Dazu kommt ein neues Deckungssystem, bei dem wir uns nicht nur hinter Objekte bewegen können, um etwas geschützt zu sein, sondern speziell in Deckung gehen können. Das macht die ohnehin schon interessanten Karten noch spannender. Jetzt suchen wir nicht nur Schalter, höher gelegene Ebenen und interaktive Objekte, sondern haben ein besonderes Auge auf Plätze zum Verschanzen.

Der Punkt, an dem die Hamburger diesmal aber wirklich überzeugen, ist die Handlung. Blackguards 2 spielt drei Jahre nach den Ereignissen in Blackguards und erzählt die Geschichte von Cassia von Tenos, Ehefrau von Marwan al-Ahmad. Dieser hat die Macht in Mengbilla an sich gerissen und seine Frau in das Labyrinth unter der Arena geworfen. Diese ist nämlich ziemlich durchtrieben und eine Meisterin im Ränkespiel. Allerdings machte sie jedem Versprechungen, die sie nur selten halten konnte und das wurde ihr wohl zum Verhängnis. Hier unten zwischen den Spinnen wird sie nun entweder an deren Gift sterben oder wahnsinnig werden.

Natürlich kann sie aus ihrem Gefängnis entkommen, sonst wäre das Spiel ziemlich kurz. Die Bisse der Spinnen haben ihr Gesicht entstellt und seither spricht sie immer öfter mit sich selbst. Ob dies aber eine Folge der Bisse oder der Einsamkeit ist, sei einmal dahingestellt. Ihr Geist ist in jedem Fall vergiftet. Ein Buch darüber, wie man ein guter Herrscher sei, verpflanzte den Gedanken in ihrem Kopf, dass auch sie herrschen wolle und dafür die Ländereien von Marwan zurückerobern will. Dafür scharrt sie all jene um sich, die unzufrieden mit dem Herrscher sind und macht ihnen natürlich wieder große Versprechungen.

Blackguards 2
Die ohnehin schon interessanten Karten sind noch spannender geworden.

Das Abenteuer ist ziemlich düster und es gespickt mit schweren Entscheidungen und moralischen wie philosophischen Fragen. Wir können dabei zuschauen, wie die eigentlich clevere und skrupellose Cassia langsam dem Wahnsinn verfällt. Beharrlich spricht sie davon nur herrschen und keine Rache zu wollen. Warum sie aber selbst Herrscherin sein will, kann sie nicht erklären. "Es gibt kein warum", sagt sie. Braucht der Wind einen Grund zum Wehen? Brauchen Fliegen einen Grund zum Fliegen? Diese Gedanken zermartern der einst schönen Frau das Hirn und machen die Geschichte so wunderbar.

Zu der Truppe, mit der sie kämpft, gehören auch die alten Helden aus Blackguards. Darunter sind der Krieger Takate, der sich derweil für einen Gott hält, der Magier Zurbaran, der tatsächlich mal wieder versklavt wurde und der übellaunige und goldgierige Zwerg Naurim, der inzwishen etwas träge geworden ist. Dazu kommt Faramud, der Anführer der Stummen Legion. Seine Söldner helfen uns im Kampf gegen Marwans Truppen und sind wichtiger Bestandteil der neuen Spielmechanik, bei der wir frei die Karte erobern können und unsere Stützpunkte verteidigen müssen.

Im Lager, was recht früh im Spiel unser ständiger Sammelpunkt zwischen den Schlachten wird, können wir unsere Helden ausrüsten und verbessern. Außerdem aber können wir mit den Helden sprechen und Gefangene verhören. Schließlich versuchen wir auch, den fragilen Haufen zusammenzuhalten, damit er uns nützlich ist. An dieser Stelle folgen auch die vielen angesprochenen Fragen, die sich auf den Verlauf und den Ausgang des Spiels auswirken. Im Grunde können wir nie genau wissen, wohin uns all das führt, sondern müssen uns meist auf unser Bauchgefühl verlassen.

Blackguards 2
Der Punkt, an dem die Hamburger diesmal aber wirklich überzeugen, ist die Handlung.

Neu an Bord sind auch künstlich erschaffene Monster, die mit Hilfe von Melodie gesteuert werden. Entstanden sind diese eng mit den Verantwortlichen für das Regelwerk von Das Schwarze Auge. Stehen diese Ungetüme in einem Bannkreis und bedienen wir die Blutorgel auf der Karte, können wir dafür sorgen, dass sie auf unser Seite kämpfen. Zuvor aber müssen wir den Chimärologen die Melodie abluchsen und vielleicht können wir ihnen sogar noch weitere Informationen entlocken. Kein leichtes Unterfangen, wenn uns bereits der erste klare Kante zeigt: "Das Monster seid ihr. Ich erschaffe Kunst."

Natürlich lässt sich darüber streiten, wie neu Blackguards 2 wirklich ist. Grafik und Spielmechaniken wurden nicht wesentlich verändert, aber es gibt eine neue, großartige Geschichte und alle Elemente des Spiels wurden auf den Prüfstand gestellt und entsprechend angepasst oder überarbeitet. Blackguards fühlte sich sehr sperrig und altbacken an. Das neue Abenteuer ist weiter keine leichte Kost, besitzt dafür große Tiefe und einen fordernden Schwierigkeitsgrad - aber für ein klassisches Strategierollenspiel fühlt es sich dann wieder beinahe federleicht an.

Dazu ist Blackguards 2 abwechslungsreicher - und das betrifft sowohl Schauplätze als auch Gegner. Es ist das Spiel, was schon Blackguards vielleicht hätte sein sollen. Ohne dieses Ungetüm wäre aber vielleicht dieses jetzige Meisterwerk gar nicht entstanden. Daedalic hat sehr schön den Rachefeldzug einer umstrittenen Person gezeichnet. Dass Cassia eine Frau ist, obwohl die doch angeblich als Hauptfiguren so wenig taugen, ist ein weiterer ganz unaufgeregter Pluspunkt des Spiels. Blackguards 2 ist vielerlei Hinsicht eine echte Überraschung und ein großartiger Start ins neue Jahr.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
fesselnde Geschichte, deutlich runder, fordernd, gelungene Atmosphäre, sinnvolle Neuerungen
-
unveränderte Präsentation, Änderungen nur im Detail
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
Blackguards 2Score

Blackguards 2

KRITIK. Von Martin Eiser

Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Dem Motto folgt auch die vom Wahnsinn getriebene Heldin im rundum verbesserten Strategierollenspiel.

0
Video-Guide für Blackguards 2

Video-Guide für Blackguards 2

NEWS. Von Martin Eiser

In der letzten Woche hat Daedalic das strategische Rollenspiel Blackguards 2 für PC und Mac veröffentlicht. Uns hat der Titel ziemlich gefallen, was auch in der Kritik...

0
Zwei Stunden mit Blackguards 2

Zwei Stunden mit Blackguards 2

NEWS. Von Martin Eiser

Für unsere Kritik, die es hier nachzulesen gibt, haben wir uns bereits ausführlich mit Blackguards 2 beschäftigt. Am Montag hat sich außerdem Dóri mit dem...



Lädt nächsten Inhalt