Es gab mal eine Zeit, da haben wir alle unseren Spaß damit gehabt, in Superzeitlupe durch die Welt von Max Payne zu schweben und Bösewichte abzuballern. Das war 2002. Kurze Zeit später gab es mit Dead to Rights eine ziemlich schamlose Kopie dessen. Darin spielte Jack Slate den Helden, der bereits damals einen Hund herumkommandieren durfte. Blut spritzte reichlich, was mit einer Indizierung des Spiels in Deutschland quittiert wurde.
Acht Jahre später ist Jack Slate wieder einmal zurück. In Deutschland allerdings nur inoffiziell, denn das Spiel wird von Publisher Namco Bandai nicht in den Handel gestellt. Es würde sowieso indiziert werden - aber auch aus anderen Gründen ist es wohl gut, dass wir von dem Actiongemetzel weitgehend verschont werden.
Es fängt bereits damit an, dass man den Charakteren einfach nicht in die Augen schauen kann. Jack schaut derart sinnentleert in die Level von Grant City, dass einem Angst und Bange wird, weil er vielleicht seine Gegner nicht sieht, die ihm entgegen stürmen. Was wiederum auch nicht ganz so schlimm ist, denn bis die einen umgeprügelt oder erschossen haben, vergeht einige Zeit. Selbst wenn Jack weitgehend regungslos verharrt. Die KI-Gegner sind einfach zu doof.
Während der zahllosen Schlägereien stehen gerne mal zwei davon artig neben Jack herum, während die anderen beiden wenig geschickt auf ihn einprügeln. Auch tragisch und an der Tagesordnung: Bescheuert die Köpfe aus der Deckung stecken oder sinnlos ins Verderben rennen. Für ihre Dummheit rächen sich die KI-Knalltüten dann immer wieder indirekt, nämlich dadurch, dass sie einfach aus dem Nichts heraus hinter einem auftauchen, weil sie offenbar mit Lichtgeschwindigkeit den Ort gewechselt haben. Oder aus Passagen heraus rennen, die eigentlich längst als gesäubert abgehakt waren.
Außerdem leben die armen Gestalten in einer weitgehend interaktionslosen Welt, in der die hübsch gemachten Hintergründe der Spielwelt der Höhepunkt sind. Im Aktionsbereich von Jack stehen dafür hässliche Stühle oder Flaschen wie festgenagelt am Boden. Sie bewegen sich keinen Millimeter. Manche Holzkisten stecken wenigstens ein paar Einschusslöcher ein, dafür splittern in anderen Bereichen ganze Betonmauern auseinander. Inkonsistenzen sind das, schlimmer als in jedem B-Movie. Auch die Story glänzt mit manch' gewagtem Twist und lässt die eine oder andere Frage offen. Ach ja, die Dialoge sind übrigens schlicht und einfach schlecht, ganz wie in jedem x-beliebigen B-Movie.
Glücklich mit Dead to Rights: Retribution wird nur, wer sich ganz und gar auf die Action konzentriert. Dann erlebt man ein intensives Game mit vielen Möglichkeiten, die reichlich vorhanden Gegner zu erledigen. Der Nahkampf ist am eindrucksvollsten. Es knirscht, knackt und kracht immer wieder, wenn Jack sich durch die Menge schlägt - gesteuert von zwei Prügel-Buttons und einem Block-Knopf. Ist ein Gegner weich geklopft, zerlegt Jack ihn gerne mit einem Finishing-Move in Superzeitlupe, in einer meist dreistufigen Choreografie. Arm gebrochen, Bein gebrochen und als Abschiedsgruß ein Tritt ins Gesicht. Sehr direkt das alles.
Jake kann außerdem seine Gegner entwaffnen und sie im Gegenzug sofort mit deren eigener Waffe erschießen. Oder er schickt Shadow los, den Hund seines Vaters, der ihm ab dem dritten Level zur Seite steht. Hierzu hat Jack drei einfache Kommandos: angreifen, Waffe apportieren und Deckung suchen. Es gibt aber auch Sequenzen, in den wir direkt in die Rolle des Hundes schlüpfen. Unglücklicherweise, leider.
Als Shadow dürfen wir uns von hinten an ahnungslose Wachen heranschleichen, ihnen an die Kehle springen und sie danach mit fletschenden Zähnen zerreißen. Das hat sich nach ungefähr zehn Wiederholungen abgenutzt - und so werden die Hundepassagen schnell zur öden Pflicht. Zum Glück kann der Köter seine Feinde durch Wände hindurch erscannen, was das Leben auf vier Beinen zur leichten Nummer macht. Anschleichen, aufessen, anschleichen, aufessen und so weiter. Der Hund als Lückenfüller - mehr nicht.
Richtig gut macht das Game seine Sache als stumpfsinniger Actionshooter. Jack ist in seinen besten Momenten Chuck Norris auf Koks und Speed und setzt mit der Pistole perfekte Headshots auf 100 Meter Entfernung und mit der Shotgun irgendwie auch. Er hangelt sich muntern ballernd von Deckung zu Deckung wie der verstoßene Bruder von Marcus Fenix und ballert aus der Hüfte die Köpfe weg. Ist das Magazin leer, liegt garantiert sofort irgendwo wieder eine Wumme rum - oder es wartet ein dummer Gegner hinter der nächsten Kiste, der flugs entwaffnet wird.
Das alles hat insgesamt einen nicht zu leugnenden, wenn auch stumpfen Charme. Leider ist die Kamera ein bisschen zu störrisch und die Kontrolle über Jack nie so ganz auf den Punkt, als das es ein reines Vergnügen wäre, Dead to Rights: Retribution zu spielen. Und ein bisschen zu farblos bzw. graubrauntönig ist die Angelegenheit auch. Aber den dummen Jungen in mir spricht das alles trotzdem an. Und manchmal sind ja auch solche Spiele ganz schön, für die man nur zwei bis drei Gehirnzellen braucht...