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The Evil Within

The Evil Within

Tolle Geschichte, hervorragende Atmosphäre - Shinji Mikami hat ein überwältigendes Feinschmeckergericht für Horrorfans gemixt.

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Stellt euch vor, ihr würdet euch eine ganze Minute lang wünschen, zu springen. Vom höchsten Haus der Stadt oder wenn die U-Bahn einfährt - einfach loslassen und den Strapazen des Alltages entkommen. Könntet ihr diese Gedanken abwenden und die sechzig Sekunden überleben? Aber was wäre, wenn diese Situation bald darauf erneut eintrifft, nur jetzt bleibt sie doppelt so lang. Und nun stellt euch vor, dass sie immer präsenter wird und länger andauert. Was wäre, wenn ihr diese Phase irgendwann gar nicht mehr überwinden wollt? Nun, The Evil Within hat einen interessanten Ansatz, sich dieser Problematik anzunehmen. Es wirft uns in das tiefste und dunkelste Loch und lässt uns dort unten verrecken. Dort können wir versuchen eine Antwort auf diese Frage zu finden.

The Evil Within lebt von der tollen Geschichte und der hervorragenden Atmosphäre. Wir erleben die Geschehnisse aus der Sicht von Sebastian Castellanos, einem erfahrenen Detective. Im Verlauf des Spiels werden wir viel über seine Person in Erfahrung bringen, denn mit den teils abstrusen Geschehnissen der Stadt Krimson scheint seine Person eng verbunden. Die Story wird dabei episodenhaft erzählt, wobei die unterschiedlichen Abschnitte linear abgehandelt werden. Das Gameplay besteht aus Stealth- und Schleichpassagen sowie einer ausgewogenen Kampfmechanik. Es ist aber ratsam, leise und bedacht vorzugehen, denn Geräusche locken Gegner an und in den Kämpfen sind wir den Kreaturen meist unterlegen.

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The Evil WithinThe Evil Within
Das Spiel bietet hervorragende Momente, in denen uns die Kinnlade herunterfällt und das liegt nicht nur an der todschicken Präsentation.
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Um überhaupt eine Chance zu haben, nutzt Sebastian deshalb Stealth-Kills, plant Hinterhalte und verbrennt vermeintliche Leichen, damit diese später nicht wieder auferstehen. Munition, Heilmittel und sonstige Verbrauchsgüter liegen manchmal in den Kisten und Vasen, allerdings muss man die erst geräuschvoll zerbrechen. Wie häufig derartige Gegenstände fallen gelassen werden, hängt in erster Linie vom gewählten Schwierigkeitsgrad ab. Um The Evil Within als reinen Action-Titel zu spielen, reicht aber nicht einmal die einfachste Stufe aus. Aber das soll es ja auch nicht, denn das Spiel ist kein Call of Duty.

Shinji Mikami, der geistige Vater von Resident Evil, hat einige der schockierendsten Elemente aus Film und Literatur extrahiert und sie zu einem überwältigenden Feinschmeckergericht für Horrorfans gemixt. Überwältigend ist dabei ein ziemlich treffendes Wort, denn an vielen Punkten des Spiels bleibt uns gar nichts anderes übrig, als zu funktionieren. Die unverhohlene Gewaltdarstellung ist so kaltblütig und beinahe schon unangenehm, dass sie einen bisweilen überfordert. The Evil Within zwingt uns in diesen Situationen richtig zu handeln, anderenfalls droht der Tod und das zeigt auf frustrierende Weise, wie penetrant das eigene Versagen sein kann.

Schmerzen sind fest im Spielerlebnis von The Evil Within verankert, doch kaum eine Metapher kann illustrieren, was mir dieser Titel abverlangte. Das Spiel bietet hervorragende Momente, in denen uns die Kinnlade herunterfällt und das liegt nicht nur an der todschicken Präsentation. Die künstlerischen Effekte des Splatterspektakels sind atemberaubend. Nur sehr wenige Videospiele schaffen es, uns durch so authentisch gestaltete Areale zu führen. Authentizität ist ein weiteres gutes Stichwort, denn atmosphärisch ist The Evil Within echt ziemlich erhaben. Es gibt allerdings einige wenige, dafür umso härtere Stilbrüche und die zeichnen tiefe Schnittwunden in das sonst so runde Gesamterlebnis. Darüber müssen wir wohl oder übel hinwegsehen, denn es bleibt bei diesem einen Makel.

The Evil Within
Trotz des deutlichen Schwerpunktes auf den Überlebensaspekt besitzt The Evil Within sehr markante Actionpassagen, die sicherlich nicht jedermanns Geschmacks treffen werden.
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In vielerlei Hinsicht wirkt The Evil Within surreal und unwirklich, weshalb es viel Ähnlichkeit mit einem wahr gewordenen Albtraum hat. Einmal habe ich mir gewünscht, dass Sebastian einfach aufwacht und alles nur ein böser Traum war. Doch als er schließlich genau das tat, musste ich mir eingestehen, dass ich mit meinen Wünschen sehr viel vorsichtiger sein sollte. Auch wenn wir zu Beginn dieser furchtbaren Achterbahnfahrt noch keine Ahnung davon haben, wo die Reise eigentlich hinführt und wie die Geschehnisse ineinandergreifen, ist der Wunsch nach einer Auflösung des Konfliktes stets präsent. Speziell im späteren Verlauf der Geschichte ist es nicht immer klar, auf welcher Erzählebene wir uns gerade befinden und das ist einerseits ziemlich verwirrend, aber auch eine starke Facette des Spiels.

Trotz des deutlichen Schwerpunktes auf den Überlebensaspekt besitzt The Evil Within sehr markante Actionpassagen, die sicherlich nicht jedermanns Geschmacks treffen werden. Während wir zu Beginn des Spiels noch recht viel schleichen, wandelt sich das Gameplay später deutlich und wird actionhaltiger. Das mündet dann schließlich in der Einführung neuer Gegner, die überhaupt nicht mehr gemeuchelt werden können. Natürlich ist das doof, aber ist das nicht auch die logische Konsequenz? Sich seinen Ängsten zu stellen und daran zu wachsen, nur um festzustellen, dass es noch viel schlimmer kommt? Mich erinnert The Evil Within deshalb an die Anfänge der Dead Space-Serie, speziell in puncto Bedrängnis und Spieltempo. Die Auseinandersetzungen mit den grotesk entstellten Bossgegnern gehören für mich ebenfalls zu den besonderen Momenten des Spiels und sind darüber hinaus ganz offensichtliche Hingucker.

The Evil Within ist eine schillernde Perle unter den aktuellen Horrorspielen. Auch wenn der Spannungsfaktor nicht über die gesamte Länge des Spiels aufrechterhalten wird, sind die Schockmomente doch so einschneidend, gut gesetzt und rigoros, dass sie The Evil Within zu einem im wahrsten Sinne des Wortes prägenden Erlebnis machen. Die Neuner-Wertung mag aus Sicht von manch anderem etwas zu optimistisch erscheinen, doch dieses Spiel muss sich nicht verstecken. Es erzählt eine interessante Geschichte, zeigt tolle Gebiete, ein fantastisches Gegnerdesign und verbindet all das mit Old School-Gameplay.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
dichte Atmosphäre, mehrdimensionale Erzählebenen der Geschichte, unkonventionelles Horror-Setting
-
einfallslose Gegner-KI, der starke Fokus auf Action
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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