Darwinia+

Die virtuelle Welt von Darwinia ist in Gefahr. Die von Dr. Sepulveda geschaffenen Darwinians haben auf der Suche nach dem höheren Sinn ihrer Existenz einige Spam-Mails vom Rechner ihres Schöpfer heruntergeladen und dadurch ihre kleine Welt mit einem gefährlichen Virus infiziert.

Die ganze Welt wird in einem 3D-Retro-Look präsentiert und ist nur so gespickt mit Anspielungen an Videospiel-Klassiker wie Syndicate und Centipede oder 80er-Filme, in denen die künstliche Intelligenz eher noch als grün blinkender Cursor aufgetreten ist. Filme wie Wargames oder Tron. Das Ganze ist unglaublich liebevoll und detailreich umgesetzt und das trotz des konsequent durchgehaltenen, stylischen Vektorgrafik-Stil, der natürlich von Reduzierung lebt.

Um nur ein Beispiel zu nennen, mit wie viel Liebe zum Detail Introversion gearbeitet hat, seien hier stellvertretend die großartigen Intro-Bootloader Sequenzen erwähnt. Wenn das Spiel gestartet wird, erscheint zunächst das übliche Xbox Live Arcade-Logo, um dann mit einem Zoom den Blick auf die kleinen Darwinians freizugeben, die sich quasi das Ganze im Kino ansehen. Das ist schon die erste Referenz, in diesem Fall an Lucas Arts Games, die auch immer gerne mit dem Logo spielen. Danach kommt eines der vielen Boot Loader Intros. Davon hab ich bisher mindestens sechs verschiedene gesehen. Ladebildschirme von alten Homecomputern, Matrix-Zitate, kleine Zellteilungs-Videos oder so eine Art Bildschirmschoner, der an alte C64- oder Amiga-Hacker-Logos oder die Demo-Szene erinnern. Das alles, bevor auch nur der Startbildschirm zu sehen ist.

Dann wird der Spieler vor die Wahl gestellt, ob er Darwinia oder Multiwinia spielen möchte. Beide sind vom Genre her als Echtzeitstrategie angelegt, aber trotz der thematischen und optischen Gemeinsamkeiten zwei völlig eigenständige Spiele.

Während Darwinia eine richtige Story und Missionen hat, in denen der Virus auf Darwinia gelöscht werden muss, ist Multiwinia der Power-Up-Online-Wahnsinn, in dem sich bis zu vier unterschiedliche Darwinian-Stämme gegenseitig bekämpfen. Das Ganze hat trotz seiner Schlichtheit viel Tiefe und erinnert an den Strategie-Spaß, den einem zum Beispiel ein Worms präsentiert, obwohl das natürlich gänzlich unterschiedliche Genres sind.

Darwinia+ kommt völlig ohne das sonst übliche Schere-Stein-Papier-Prinzip der Echtzeitstrategiespiele aus, da es eigentlich fast nur eine Einheit gibt. Für Abwechslung sorgen die unzähligen aktiven und passiven Power-Ups, die auch der Grund sind, warum es bis zum Ende der durchschnittlich zehn Minuten dauernden Matches auf knapp 50 Karten in den diversen Spiel-Modi immer spannend bleibt.

Das Echtzeitstrategieprinzip ist in Darwinia+ völlig entkernt. Kein Basen aufbauen, kein Erkunden der Karte. Was aber auch dafür sorgt, dass die üblichen Plagen wie Rushen und Spammen ad absurdum geführt werden. Es geht einfach nicht mehr darum, wer am schnellsten die billigsten Einheiten produziert oder die Technologie-Zweige fix ausbaut.

Die Steuerungprobleme, die Echtzeitstrategiespiele ohne Maussteuerung häufig haben, sind durch die Schlichtheit der Befehle und des gelungenen Interface gut umgangen worden. Die eher unpräzise Steuerung der Squads, die man im Gegensatz zu den Darwinians direkt befehligt, scheint zudem eher gewollt, damit die Einheit nicht zu stark wird.

Das wunderschöne, actionlastige Echtzeitstratiespiel Darwinia+ muss man wirklich jedem ans Herz legen, der auch nur ein bischen Interesse am Genre hat oder mal Pause von dem Hyperrealismus der üblichen Triple-A-Games braucht. Ein innovatives, zeitloses Meisterwerk, dem die lange Zeit der Umsetzung vom PC zur Konsole nicht geschadet hat. Hoffentlich hat das Spiel den Erfolg, den es verdient, damit auch die anderen Perlen, die die Indie-Entwickler von Introversion noch im Portofolio haben, eine Chance zur Portierung bekommen.