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EA Sports UFC

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12 bis 18 Monate extra Entwicklungszeit hätte vermutlich viele der Fehler korrigieren können. So ist das MMA-Spiel eine der bisher fettesten Enttäuschungen des Jahres.

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Ich spiele immer noch in regelmäßigen Abständen UFC 2010 Undisputed von THQ. Nicht etwa, weil ich es liebe. Nicht, weil es wunderschön und zeitlos wäre. Nein, es ist praktisch das einzige seiner Art und schafft es, meinen Lieblingssport einigermaßen anständig zu simulieren. Dessen Entwickler Yuke's ist seit langem bekannt für seinen starren, fast roboterartigen Ansatz sowohl des Boxens als auch des Ringens in den MMA-Spielen. Auch für die WWE-Spiele, die sie seit mehreren Jahren entwickeln, werden sie gerne kritisiert. Als klar wurde, dass EA Sports sich die UFC-Lizenz nehmen würde, um daraus etwas substanziell Neues zu bauen, schwitzte ich aus reiner Vorfreude. Das Team hinter Fight Night hatte EA Sports-Chef Peter Moore zufolge die UFC-Lizenz in den Würgegriff genommen. Eine Zeit des langen und bangen Wartens begann für mich.

Im Januar 2012 begann EA Canada mit der Ausarbeitung von EA Sports UFC. Versprechungen über die hübschesten Grafiken in einem Sportspiel aller Zeiten und ein Kampfsystem, das zum ersten Mal ein glattes, nahtlosen Netzwerk der verschiedenen MMA-Kampfsportarten bieten würde - sie klangen lecker. Die erste, noch vorgerenderten Gameplay-Schnipsel tauchten im Spätsommer 2012 auf und waren völlig unglaublich. Benson Henderson und Anthony Pettis hämmerten sich gegen die Kieferknochen im Octagon. Das Kämpfen sah smooth und cool aus, das Spiel schrie phänomenal laut Next-Gen.

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Danach hat uns EA regelmäßig mit Screenshot-Sets bombardiert, mit eindrucksvollen Nahaufnahmen der Ingame-Modelle. Es sah vor der Veröffentlichung alles so gut aus. Die drei Wochen lang laufende Demo-Version zeigte ein etwas zurückhaltendes, primitiveres Spiel als es die bisherigen Gameplay-Clips präsentiert hatten, aber meine Erwartungen blieben hoch. Nach neun intensiven Stunden mit dem real käuflichen EA Sports UFC sieht die Lage aber anders aus. Es ist nicht nur der eine größten Enttäuschungen des Genres, sondern auch ein schlechteres UFC-Spiel als das deutlich ältere UFC 2010 Undisputed.

Mixed Martial Arts einen schwierig zu simulierenden Sport zu nennen, wäre wohl eine Untertreibung von epischen Ausmaßen. Der Sport selbst ist schrecklich komplex und trägt den Spitznamen "Menschliches Schach" wirklich nicht ohne Grund. Die erfolgreichsten Athleten der UFC sind stämmige Wrestler, die mit Boxen, Kickboxen, Ringen, ein wenig Judo, Karate und etwas Thai-Boxen groß geworden sind. Stars wie Georges St-Pierre, Demetrious Johnson, Jose Aldo, Cain Velasquez, Jon Jones und Uriah Faber mischen Stile um zu überleben. Letztlich erschaffen sie ein enormes Tempo für eine unglaublich technische Sportart, die obszön unterhaltsam und natürlich fast unmöglich für Laien umsetzbar ist.

Um ein Spielsystem zu entwickeln, das es erlaubt, erst zu Boxen, dann in den Clinch zu gehen, um ohne Verzögerung in einen Takedown zu springen, sich dann in die Half-Guard zu werfen und daraus verschiedene Submissions entwickeln können - es ist wesentlich anspruchsvoller als die Kreation eines gut funktionierenden Spielsystems für Fight Night, das ja nur ein traditionelles Boxspiel ist. Es zeigt sich schnell und deutlich, dass EA Kanada einem Problem nach dem anderen begegnet ist während der Entwicklung. Es ist ganz deutlich ersichtlich.

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Das Spielsystems in EA Sports UFC ist einerseits nicht nur ähnlich dem von Yuke's UFC-Spiel, es ist fast identisch - mit einigen negativen Differenzen. Die vier wichtigsten Tasten auf dem Controller steuern jeweils Beine und Arme eines Kämpfers, während mit und gegen den Uhrzeigersinn drehende Bewegungen auf dem rechten Analogstick die Steuerung des Clinchs sowie des Ringen und der Jiu-Jitsu-Momente liefern.

Ich fürchte, ich hatte einfach gehofft, dass EA versuchen würde, ein neues Konzept zu finden, um das etwas gestelzte System der alten UFC-Spielen zu überwinden. Obwohl ich natürlich verstehe, dass EA nicht das System vom Bodenkampf im wenig erfolgreichen EA Sports MMA nehmen wollte, ist ein Plagiat der Yuke's-Spiele mit unvollständiger Funktionalität keine Alternative. Vor allem dann nicht, wenn das Schlagen sich starrer, lebloser, steifer und härter anfühlt als in UFC 2010 Undisputed. EA Kanada hätte stattdessen die Box-Spielmechanik von EA Sports MMA nehmen sollen, die viel weicher und realistischer ist.

Vom Clinchen und Ringen im Spiel bin ich sehr enttäuscht. Chris Weidman bewegt sich wie ein Cyborg, die Takedowns sind unnötig umständlich und ermöglichen es mir als Spieler nach einer Weile, sie direkt zu überspringen und stattdessen ganz einfach die Taste für den rechten Haken zu hämmern. Sobald man auf dem Teppich angekommen ist, muss man wie bekloppt den rechten Stick drehen, um dann eine Submission zu schaffen über eines der Mini-Spiele, die EA eingebaut hat.

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Ein Symbol in Form eines grellen, roten Achtecks erscheint auf dem Bildschirm, wenn eine Submission des Gegners klappt. Man muss nun versuchen, den Amoklauf des Gegners zu stoppen, indem man einen der vier Indikatoren in die richtige Richtung bringt. Die Idee ist gut, denn der Bodenkampf ist Strategie und Technologie. Es ist ganz und gar richtig, das alles rund um Minispiele zu strukturieren und nicht einfach nur "Submission erfolgreich" einzublenden wie es THQ getan hat. Allerdings ist der ganze Submission-Part in EA Sports UFC zu behäbig und es fehlt hier spürbar die Begeisterung des realen Sports.

Denjenigen, die ein echtes Interesse an Mixed Martial Arts haben, kann man das Spiel nicht empfehlen. Die Simulation des Sports ist nicht geglückt. Für Kampfspiel-Fanatiker taugt das Spiel nichts, weil das Spielsystem kein Feedback gibt und es an Tempo mangelt. Für den einsamen Spieler, der sich den Weg durch Karrieremodus hämmern will, eignet es sich auch nicht, da der Ultimate-Fighter-Modus sich langatmig, hohl und eintönig spielt. Wer sich virtuell mit Freunden prügeln will, wird auch nicht bedient, weil die Kämpfe immer noch eher grob, gestelzt und langfristig gesehen zu ungenau sind. Schon die Tatsache, dass es durchaus möglich ist, allein durch wildes Knöpfedrücken zu gewinnen, macht die Dinge nicht wirklich besser.

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Schade auch, dass die versprochene Super-Duper-Optik irgendwo während der Produktion verloren ging. Frühe Trailer und Gameplay-Clips versprachen atemberaubende Next-Gen-Grafik, das bleibt leider nur eine vage Erinnerung. Obwohl die Präsentation alle Details enthält, die man aus UFC-Liveübertragungen kennt, kann man die Grafiker von EA Canada kaum für ihre Bemühungen loben. Viele Kämpfer sehen urkomisch im Gesicht aus, auch wenn sie die richtigen Frisuren, Tattoos oder Bärte tragen. Die Ausleuchtung ist flach, die Animationen sind klobig und rau. Der rein grafische Unterschied zwischen UFC Undisputed 3 für die Playstation 3 und EA Sports UFC für die Playstation 4 ist erschreckend klein.

Richtig gut gelungen ist Joe Rogans und Mike Goldbergs wunderbar umfassende und vor allem begeistert-leidenschaftliche Arbeit als Kommentatoren. Obwohl bestimmte Sätze deutlich zu oft wiederholt werden, gehören die Kommentatoren in diesem Spiel zu den besten, die ich je in einem Sportspiel gehört habe. Es fühlt sich wirklich so an, als ob sie im Raum nebenan sitzen und live kommentieren, was ich gerade spiele. Die Onlinefunktionalität ohne Latenz und mit schnörkelloser Einfachheit ist ein klares Plus für ein ansonsten bleiches Produkt.

Nein, EA Sports UFC ist so gar nicht die komplette, glatte, innovative, wunderschöne Simulation meines Lieblingssports geworden, wie ich es gehofft hatte. Am Ende ist es eine blasse Kopie von UFC 2010 Undisputed, der auf tragische Weise sowohl der Feinschliff wie eine eigene Identität und ausgewogene Spiel-Modi fehlen. Es ist offensichtlich, dass EA an der Komplexität des Sports gescheitert ist und das sie das Spiel zu schnell veröffentlicht haben. Zwölf bis 18 Monate extra Entwicklungszeit hätte vermutlich viele der Fehler korrigieren können. So ist es eine der bisher fettesten Enttäuschungen des Jahres.

05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
leckere Präsentation, wunderbare Kommentatoren, stabiler Onlinemodus, Lizenz maximal ausgeschöpft
-
starres Roboter-Boxen, schlechter Bodenkampf, sich wiederholende Animationen, blasse Grafik, schlechter Karrieremodus
overall score
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