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The Elder Scrolls Online

The Elder Scrolls Online

Knapp zwei Wochen nach dem Start hat unser MMORPG-Experte genug Spielzeit absolviert für sein Urteil über den Angriff von Bethesda auf den Genrethron.

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Ich habe im Verlauf der letzten zwölf Tage mehr als sonst in meinem gesamten Erwachsenenleben geflucht. Grenzen wurden überschritten und wenig menschliche Laute geschrien, während die Fäuste krachend auf den Tisch hämmerten. Eine Dokumentenablage aus Metall wurde bis zur Unkenntlichkeit zerknickt. Das Spielen für die Kritik zu The Elder Scrolls Online hat gezeigt, dass man eine tolle Zeit in Tamriel mit anderen Spielern haben kann. Aber es hat auch schmerzhaft klar gemacht, dass die Zenimax Online Studios es nicht geschafft haben, das Spiel rechtzeitig zum Start komplett fertig zu kriegen.

Es ist klar, dass es dem Genre zu schulden ist, dass immer ein paar Bugs am Start sind. Wer eine derart riesige, offene Spielwelt für riesige Mengen von Spielern konzipiert und es eine Abo-Gebühr gibt - dann ist da auch eine Art stillschweigendes Gelübte darüber, dass es sich um einen Prozess handelt. Aber The Elder Scrolls Online hebt sich von der Masse ab, wenn es um die Bereitstellung einer unvollendete Erfahrung zum Spielstart geht .

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Es braucht nicht lange, um alle Strukturen hier bewusst als bewährtes MMORPG-Material zu erkennen.
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Nie zuvor habe ich als MMO-Profi je solche Probleme mit einem Client erlebt. Es fühlt sich an wie der Besitz und Betrieb eines alten, gepflegten Oldtimers. Wenn The Elder Scrolls Online läuft, dann auf eine Art und Weise, dass die Zeit mit ihm weitgehend erfreulich ist. Aber gleichzeitig ist da immer dieses Gefühl, dass jederzeit etwas kaputt gehen könnte.

Ich habe im letzten Sommer die frühen Beta-Version gespielt und wusste, dass ich keine klassische Elder-Scrolls-Erfahrung erwarten konnte. Die Betonung liegt auf Online und nicht auf Elder Scrolls - selbst wenn Komponenten wie der legendären Kompass, ein Level-System und Dialoge, die die Welt um uns herum beeinflussen, vorhanden sind. Es braucht nicht lange, um alle Strukturen hier bewusst als bewährtes MMORPG-Material zu erkennen.

Es wird deutlich, nachdem ich die obligatorische Startphase absolviert habe. In der bin ich mit dem Dunkelelf Nachtklinge aus einem Gefängnis entkommen, gemeinsam mit einem blinden Mann. Danach wurden wir nach Tamriel teleportiert. Im Gegensatz zu anderen Titeln der Serie darf ich aber nicht mehr frei erkunden im eigenen Tempo. Stattdessen bin ich mehr oder weniger gefangen in einem geschlossenen Bereich, bis die Spielfigur ein bestimmtes Level erreicht hat. Das zwingt einen, für Stunden in einem Bereich zu spielen, den ich vielleicht gar nicht so toll finde. Ich jedenfalls grinde umgehend die ersten Quests, in die ich emotional kein bisschen investiert bin, nur um genügend Kraft zu haben, endlich in die nächste Zone entfliehen zu können.

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Einige Bosse kann man nur allein oder mit einer festen Gruppe von Spielern bekämpfen, während für andere Schlachten an jedem Punkt eine spontanes Bündnis geformt werden kann.
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Zum Glück ist man nicht komplett eingesperrt und beginnt, die etwas zu linearen Strukturen zu akzeptieren. Aber leider endet der Ärger damit nicht. Man kann zum Beispiel nichts mehr aufheben und verschieben. Die Elder-Scrolls-Physik-Engine wurde vollständig durch die eines eher klassischen MMO ersetzt. Die Städte scheinen ohne Leben zu sein und die brillante Erzählweise der Serie wurde durch kurze, vorhersagbare Questreihen mit seelenlosen NPC ersetzt, die man schnell vergessen hat.

Kurze, vorhersagbare Questreihen, die oft nicht komplettiert werden können als Folge von diversen Bugs. Ein Beispiel gefällig? Ich musste in eine Ruine, um dort einen Kristall so zu platzieren, so dass eine Spielfigur ihre Seele für eine andere dort lassen konnte. Sorry für dünne Erzählung und die getrübte Erinnerung, aber ich habe die meisten Details aus oben genannten Gründen vergessen. Der Weg hätte schwierig sein können, gesäumt von Geisterarmeen, aber wie es der Zufall wollte, waren da ein paar andere Spieler auf der gleichen Mission unterwegs.

Die Feinde fielen in wenigen Sekunden, bevor uns eine Tür in separate Instanzen trennte. Einige Bosse kann man nur allein oder mit einer festen Gruppe von Spielern bekämpfen, während für andere Schlachten an jedem Punkt eine spontanes Bündnis geformt werden kann. Dieser Boss allerdings erwies sich als zu schwierig für mich, so dass ich im letzten Raum starb und zum Dank draußen ein paar hundert Meter entfernt im Wald am letzten Speicherpunkt wiederbelebt wurde. Ich musste von vorne beginnen, aber dieses Mal ohne Unterstützung. Innerhalb der Ruinen waren die Feinde wieder da und als ich den Endgegner endlich erneut erreichte, entschied der sich, das Kämpfen einzustellen und legte sich flach auf den Boden. Es gab keine Möglichkeit, ihn zu töten und keine Möglichkeit, den Raum zu verlassen. Also blieb keine andere Wahl, als Strg+Alt+Entf zu drücken, den Client des Spiels zu killen, neu zu starten und eine andere Quest anzugehen - frustriert über den verlorenen Spielfortschritt...

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Nach ein paar Stunden wird deutlich, dass es am schönsten ist, sich einfach treiben zu lassen und das Quest-Tagebuch oder die Karte zu ignorieren.

Ein großer Teil der erledigten Quests hat dramatische Auswirkungen auf die Welt um uns herum. In einem fast leeren Dorf ist die Bevölkerung krank und wir akzeptieren die Aufgabe herauszufinden, was hinter der Epidemie steckt. Es stellt sich heraus, dass eine Schmiedin das Trinkwasser vergiftet hat mit dem Gift einer Spinne, weil sie die Gelackmeierte in einer Dreiecksbeziehung war. Sie gibt das schnell zu und rennt in den Wald. Einige Zeit später kehrt sie mit einer kleineren Armee zurück. Kein Problem für mich, und sobald der Ärger sortiert ist und die Menschen wieder gesund werden, wird die leere Stadt über mehrere Stufen zu einem ziemlich angenehmen Ort, an den man gerne zurückkehrt, wenn es Zeit ist, Gegenstände zu kaufen oder zu verkaufen.

In ähnlicher Weise passieren wir eine Stadt, in der es einfach zu viel Blitz und Donner gibt, als dass sie noch sicher für ihre Bewohner wäre. Es stellt sich heraus, dass ein Magier für das schlechte Wetter verantwortlich ist. Er zaubert an der Spitze eines Turms, so dass wir dorthin gehen und ihn ruhigstellen. In der Stadt kehrt Friede ein, die Händler öffnen ihre Stände und es fühlt sich an, als ob ich etwas Gutes getan habe. Auf meine ganz eigene Art und Weise.

Nach ein paar Stunden wird deutlich, dass es am schönsten ist, sich einfach treiben zu lassen und das Quest-Tagebuch oder die Karte zu ignorieren. Man stößt sowieso immer auf Abenteuer. Es ist nie so frei und nahtlos gelöst wie in The Elder Scrolls V: Skyrim - wieder einmal, weil man an Orte gebunden ist, die dem Level entsprechen. Aber es gibt fast immer etwas zu entdecken, ob es nun ein Wurmloch ist, das Feinde aus einer anderen Dimension schickt oder einfach eine verschlossene Truhe, die es zu erobern gilt.

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Leider ist das Kämpfen aus der Egoperspektive ein frustrierendes Erlebnis, so dass man schnell wie gehabt aus der Third-Person-Sicht spielt.

Wer The Elder Scrolls nicht kennt, wird ohne Zweifel glücklich sein, dass man immer noch die Fähigkeiten bis ins kleinste Detail hinein verbessert. Wer eine mittlere Rüstung trägt, verbessert genau diese. Wer mit zwei Messern kämpft, verfeinert seine beidhändigen Kampfkünste. Und da dies ein MMORPG ist, lassen sich verschiedene Angriffe auf die Tasten 1 bis 5 legen. Durch die Verwendung von Fähigkeiten eines bestimmten Typs sind wir in der Lage, bessere Fähigkeiten freizuschalten und die vorhandenen aufzuleveln. Ab Level 15 bekommt man die Möglichkeit, Waffen mit einem einfachen Knopfdruck zu wechseln, was noch mehr Möglichkeiten und Taktiken eröffnet.

Es funktioniert wunderbar. Ich startete als Bogenschütze in schwerer Rüstung, merkte aber bald, dass mir der Stealth-Ansatz mit zwei Messern in den Händen mehr Spaß machte. War problemlos machbar. Wer ein MMORPG sucht, in dem man wirklich eine absolut einzigartige Spielfigur bauen kann, wird genau diesen Aspekt an The Elder Scrolls Online lieben. Ein weiterer einzigartiger Aspekt des Spiels ist die Möglichkeit, es aus der Ego- oder Third-Person-Perspektive zu spielen. Leider ist das Kämpfen aus der Egoperspektive ein frustrierendes Erlebnis. Es ist nahezu unmöglich, einen Überblick zu gewinnen, wenn einen drei oder mehr Feinden umzingeln. Die Kameraprobleme werden noch offensichtlicher, als ich versuche, präzise zu springen oder nur durch eine Tür zu gehen. Also doch lieber Third-Person wie in jedem anderen MMORPG...

Ab Level 10 kann man nach Cyrodiil teleportieren, jener Provinz, in der The Elder Scrolls IV: Oblivion spielte. Dort dürfen wir an einigen PvP-Kämpfen teilnehmen. Hier treffen sich die drei Fraktionen Aldmeri-Dominion, Ebenherz-Pakt und das Dolchsturz-Bündnis für prachtvolle Kämpfe, um die Kontrolle über Festungen, Minen und Mühlen zu gewinnen. Die Idee ist, dass die beiden verlierenden Fraktionen zusammenarbeiten sollen, um dann gemeinsam der anderen in den Rücken zu stechen. Eine tolle Idee in der Theorie, aber bisher hat die Realität keine großartigen Belege dafür geliefert. Vielleicht ist es zu früh im Lebenszyklus des Spiels, um in größeren Mengen den PvP zu entern. Vielleicht habe ich einige schlechte Entscheidungen im schwierig zu entziffernden PvP-Menü vorgenommen. Auf jeden Fall ist hier Potenzial und es ist schon beeindruckend zu sehen, wie sich die Spieler im Chaos verkloppen, wobei ich selbst eher die synchronisierte Strategie für gemeinsame Bosskämpfe bevorzuge.

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The Elder Scrolls Online bietet sowohl Höhen als auch echte Tiefen.

Wie ich in meinen kleinen Zwischenbericht vor der finalen Kritik geschrieben habe, besitzt jeder Spieler ein Pferd, das täglich gefüttert werden sollte. Vor über einer Woche meckerte ich, dass mein Pferd so langsam war, dass ich von einem kleinen Elf zu Fuß überholt wurde. Eine einwöchige Speed-Apfelkur für das Pferd hat dieses Problem schnell ausgebessert. Wer übrigens nicht die Imperial-Edition gekauft hat, muss erst die ziemlich stattliche Summe von 17.200 Gold sparen, um das erste Pferd zu kaufen. Oder besser gleich 42.700 Gold für einen wertvollen Hengst.

Ein bisschen seltsam mutet das an, ist aber nicht so seltsam, wie wenn der schöne Soundtrack spielt und der Questgeber dabei redet. Es ist völlig unmöglich, auch nur ein Wort zu hören und wegen dem Krach schwierig, sich auf das Lesen zu konzentrieren. Diese Art von kleinerem Ärgernis bzw. Fehler hätte vor langer Zeit während der Beta ausradiert werden müssen. Aber viel zu viele dieser Bugs sind noch da und verschmutzen echt die Spielerfahrung.

Wie fasst man das alles nun zusammen? Es ist eine schwierige Frage, denn The Elder Scrolls Online bietet sowohl Höhen als auch echte Tiefen. In einem Moment genießt man das Spiel in einem Verlies mit genau dem richtigen Maß an Herausforderung gemeinsam mit anderen Spielern. Im nächsten Moment sind da vier neue Charaktere, die man nie zuvor gesehen hat und die in öden Dialogen mit wechselnden Stimmen irgendwas Sinnfreies erzählen. Da sind diese atemberaubende Ausblicke begleitet von der besten Musik der Serie, nur um im nächsten Moment heftig vom Server gekickt oder zum vierten Mal an einem Tag in einem Ladebildschirm festgefroren zu werden.

The Elder Scrolls Online bietet etwas Einzigartiges für diejenigen, die Exploration schätzen und die in die reiche Geschichte von Tamriel eintauchen wollen. Aber das Spiel ist einfach noch weit davon entfernt, fertig zu sein direkt nach seinem Verkaufsstart. Vieles des Fertiggestellten ist leider allzu oft nicht sehr einnehmend oder fesselnd. Dieser Umstand resultiert in langen Passagen, die man ertragen muss, um die wirklich lohnenden Inhalte genießen zu dürfen. So sollte ein MMORPG heutzutage nicht funktionieren. Ich habe das Bauchgefühl, dass ich nicht besonders viel Zeit mit dem Spiel verbringen werden, nachdem ich es für diese Kritik wirklich lange gespielt habe. Das gilt trotz eines verlockenden System mit Veteran-Stufen jenseits von Level 50 und einem konstanten Strom von neuen Inhalten, die uns die Zenimax Online Studios versprochen haben, um ihren langfristigen Ansatz zu beweisen.

Gebt The Elder Scrolls Online eine Chance, wenn es einen Freund oder besser mehrere Freunde gibt, die die Serie ebenso lieben und kein Problem damit haben, dass sie zu gleichen Teilen Frust und Freude erleben werden. Außerdem muss man jeden Monat etwas Geld investieren, um die weitere Entwicklung des Spiels zu unterstützen. Ich habe am Ende jedenfalls nicht bekommen, was ich mir erhofft hatte. Aber das Genre insgesamt hat weiter eine strahlende Zukunft vor sich mit Spielen wie Wildstar, Everquest Next und World of Warcraft: Warlords of Draenor am Horizont.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
unglaublich viel Inhalte, teils wunderschöne Erfahrungen, enorm freie Gestaltung der Spielfigur, grandioser Soundtrack
-
anstrengende Story, viel zu viele Bugs, Sprechrollen teilweise im englsichen Original sehr schlecht
overall score
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