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Thief

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Meisterdieb Garrett ist zurück und startet seinen neuen Beutezug auch auf den Next-Gen Konsolen. Aber ist wirklich alles Gold, was da so glänzt? Wir haben die PS4-Version gespielt.

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Die PC-Version von Thief: The Dark Project gilt als einer der Urväter des Stealth-Genres. Sie erschien Ende 1998 etwa zeitgleich mit Metal Gear Solid, hatte aber ganz eigene Innovationen an Bord. Es wurde ausschließlich in der Ego-Sicht gespielt. Das Spiel bot eine anspruchsvolle Gegner-Intelligenz, die zwischen Licht und Dunkelheit unterschied und auch auf Geräusche reagierte. Ideen, die später von Splinter Cell und Hitman aufgegriffen wurden. Nach einem zweiten PC-Titel machte Garrett dann in Thief: Deadly Shadows auch einen Abstecher auf die Xbox, aber das ist nun auch schon 10 Jahre her.

Nach aktuell geltenden Maßstäben für Film- und Spiele-Serien ist es also höchste Zeit für einen amtlichen Reboot. Nach einer etwas turbulenten Entwicklungsgeschichte erscheint das Spiel nun gleich zum Start auch für PS4 sowie Xbox One.

Obwohl im Rahmen des Reboots ein paar Eigenarten der Serie über Bord geworfen wurden, sind doch viele Eckpfeiler geblieben. Gleich in den ersten Minuten wird die düstere Atmosphäre sichtbar. Es handelt sich um eine Mischung aus Dark-Fantasy und Steampunk, Vorindustrialisierung mit Spuren von Magie und Elektrizität. In der Egoperspektive springt dabei im sauber texturierten Zwielicht sofort das glänzende Diebesgut ins Auge. Noch mehr beeindrucken allerdings die Animationen von Garretts Armen und Händen. Wenn er Truhen und Schubladen öffnet, um Wertgegenstände einzusacken, Schlösser oder Tresore knackt oder nur Kerzenflammen löscht, wirkt das alles sehr flüssig und natürlich.

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Neben den üblichen drei Wahlmöglichkeiten kann man nämlich eine große Anzahl von Parametern individuell festlegen und sich so die ganz persönliche Schleich-Hölle erschaffen.

Nach und nach werden alte wie neue Möchtegerndiebe in die verschiedenen Techniken eingeführt. Das wichtigste Mittel, um unentdeckt zu bleiben, sind natürlich die Schatten. Ob man noch getarnt ist, verrät auf der PS4 besonders schön die Lightbar. Wenn man in einem abgedunkelten Zimmer spielt, erhält man durch die LED am Controller quasi einen interaktiven Ambilight-Effekt. Auch Garretts wichtigste Tools werden vorgestellt, darunter Dietriche und sein Bogen. Dieser dient nur sekundär dem Ausschalten von Feinden, denn ein echter Dieb spielt Thief völlig gewaltfrei. Statt dessen werden mit Wasserpfeilen weit entfernte Lichtquellen gelöscht oder mit stumpfen Pfeilen Schalter umgelegt.

Das in den Spielfluss eingebettete Tutorial deutet Stealth-Freaks zwar erst einmal eine gewisse Vereinfachung der Spielmechaniken an, die Wahl des Schwierigkeitsgrades spricht jedoch eine andere Sprache. Neben den üblichen drei Wahlmöglichkeiten kann man nämlich eine große Anzahl von Parametern individuell festlegen und sich so die ganz persönliche Schleich-Hölle erschaffen. Da kann dann schon ein einziger Fehltritt zum permanenten Game Over führen.

Auch die vorgestellten Grundzüge der Story wirken nur auf den ersten Blick simpel. Im Zentrum der Handlung stehen Garretts ehemalige Auszubildende Erin sowie der bitterböse Baron Northcrest, der auf seiner Jagd nach industrieller Macht seine Untertanen in Düsternis und Armut stürzt. Als die Sache für Garrett persönliche Züge annimmt, beschließt er, den Dingen auf den Grund zu gehen. Was ihn natürlich nicht davon abhält, unterwegs alles zu klauen, was nicht festgenagelt ist.

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Während die Grafik trotz vereinzelter Texturblitzer sehr sauber und flüssig ist, ist der Sound ein echter Spaßkiller.

Seine Raubzüge startet Garrett aus einem verlassenen Kirchturm, der ihm als Unterschlupf und Trophäensammlung dient. Die Stadt ist im Prinzip frei begehbar, jedoch ist Garrett ein gesuchter Mann, der von jedem Wachmann sofort erkannt wird. So heißt es also, auch auf dem Weg zum Shop, zu Missionsgebern oder der Bettlerkönigin, bei der Garrett neue Skills kaufen kann, unsichtbar zu bleiben. Genau das serviert einem allerdings gerade in der Anfangsphase des Spiels einigen Frust.

Die Wege sind extrem linear und alles fühlt sich sehr beengt an. Alle paar Meter wartet ein aufgesetzt wirkendes "Schleich-Puzzle", das den Einsatz einer ganz bestimmten Technik zwingend erfordert, wenn man nicht entdeckt werden will. Dazu kommen ärgerliche Ladezeiten, denn die Stadt ist in sehr überschaubare Areale geteilt. Auch wirkt alles irgendwie merkwürdig tot. Das passt zwar zum Szenario, fühlt sich allerdings erschreckend altbacken an. Der zerstückelte und kleinteilige Spielablauf erinnert in den ersten Stunden eher an Deus Ex 2 und hat so gar nichts von einer riesigen Next-Gen-Sandbox.

Dazu kommen einige technische Probleme. Während die Grafik trotz vereinzelter Texturblitzer sehr sauber und flüssig ist, ist der Sound ein echter Spaßkiller. Gespräche von Fremden sind oft in voller, ungefilterter Lautstärke zu hören, obwohl sie sich im Nebenraum befinden oder man sich von ihnen entfernt. Dazu werden manchmal einzelne Satzfetzen in Endlosschleife abgespielt, bis man das Gebiet verlässt. Das ist gerade in einem Schleich-Spiel natürlich sehr ärgerlich und schreit nach einem Patch. Ebenfalls merkwürdig ist die Kollisionsabfrage. Wachen durchdringen sich zum Teil schon mal gegenseitig, wenn sie Garrett in eine Ecke getrieben haben. Im direkten Kampf hat man aber sowieso schlechte Karten, denn die Gegner sind nicht blöd und agieren sehr aggressiv. Trotzdem kann man manchmal einfach vor ihnen wegrennen. Ist dann die rettende Tür ins nächste Gebiet erreicht, wissen die dortigen Wachen nichts mehr davon, dass eben noch Alarmstufe Rot galt.

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Und wer ein bisschen sucht, entdeckt sogar noch etwas viel wichtigeres als funkelnde Schätze. Nämlich echte Liebe zum Detail, die man dem Spiel nach den ersten zwei Spielstunden erst so gar nicht zugestehen möchte.

Aber dazu sollte der Spieler es ja eigentlich gar nicht kommen lassen. Spielt man Thief so, wie es gedacht ist, wird man im Endeffekt eine Menge Spaß haben. Hat man erst einmal einen Straßenverkäufer gefunden und sich mit Werkzeugen eingedeckt, stehen neue Wege offen. Mit dem Schraubwerkzeug lassen sich zum Beispiel Gitter demontieren und die Kneifzange setzt Fallen außer Betrieb. Bereits gespielte Missionen kann man nach Abschluss noch einmal starten, um auch noch die letzten, gut versteckten Schätze zu finden. Denn von denen gibt es mehr, als man im ersten Moment denkt. Und das erbeutete Gold kann man immer gut gebrauchen, um Fähigkeiten und Gerätschaften zu verbessern.

Ist man dann erst einmal ein bisschen freier und agiler unterwegs, entfaltet das Spiel doch noch seinen Zauber. Die optionalen Diebeszüge sind interessant und zeichnen ein unterhaltsames Bild von den gestörten Einwohnern der düsteren Stadt. Die Story-Missionen werden ebenfalls umfangreicher und bieten einiges an Abwechslung. Vieles kommt einem allerdings merkwürdig bekannt vor. Diebestouren in The Elder Scrolls V: Skyrim boten oft ein ähnliches Feeling und eine Mission erinnert frappierend an Outlast. Trotzdem warten immer wieder gute Ideen. Und wer ein bisschen sucht, entdeckt sogar noch etwas viel wichtigeres als funkelnde Schätze. Nämlich echte Liebe zum Detail, die man dem Spiel nach den ersten zwei Spielstunden erst so gar nicht zugestehen möchte.

Thief wird ein bisschen zum Opfer der hohen Erwartungshaltung. Obwohl es ein Next-Gen Titel ist, der mit guter Grafik punktet, wirkt es durch seine kleinen Maps wie ein HD-Remake eines älteren Spiels. Vor allem aber ist es die schwache Inszenierung, die den Einstieg etwas schwer macht. Die Figuren bleiben blass, Zwischensequenzen sind langweilig inszeniert und trotz oder wegen seiner ständigen ironischen Kommentare bleibt Garrett irgendwie unnahbar. Das wird mit der Zeit aber besser, sogar die Story zieht ordentlich an und beschert neben spannenden sogar echt gruselige Momente. Dagegen stehen allerdings auf die Dauer nervige Wiederholungen und ein unbefriedigendes Ende.

Unterm Strich sind wir also selbst gefordert, um mit Thief Spaß zu haben. Die Abrechnungen am Ende einer Mission verdeutlichen, wie viel Luft noch nach oben ist und wie viele Geheimnisse schlicht übersehen wurden. Ganz so linear wie gedacht sind die Maps also doch nicht. Dazu kommen die Challenge-Modi, in denen unter besonders harten Gesichtspunkten gespielt wird, inklusive Online-Ranglisten. Nimmt man die Ausrichtung des Spiels entsprechend ernst und investiert die Einarbeitungszeit sowie den Elan, alle Nebenmissionen abzuschließen, bekommt man auf jeden Fall ein eigenständiges Spielerlebnis mit einer guten Prise Meisterdieb-Feeling. In dieser Hinsicht hat das Spiel also mehr mit Garrett selbst als mit seiner Beute gemein. Statt oberflächlichem Glanz gibt es ein goldenes Herz unter rauer Schale zu entdecken.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
gutes Körpergefühl, viel zu Entdecken, frei konfigurierbare Schwierigkeit & HUD
-
lineare Levelstruktur, Ton-Probleme, Ladezeiten
overall score
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