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Amokläufer via Software erkennen

Amokläufer via Software erkennen

Mal wieder eine interessante PR-Meldung, dieses Mal aus dem ots-Service, heute abgeschickt vom Gruner & Jahr-Verlag für sein Magazin Geo Wissen, in Auszügen als Original:

"Bevor ein Jugendlicher zum Amokläufer wird, gibt es oft eindeutige Signale. Das Computerprogramm DyRiAS ("Dynamisches Risiko Analyse System") des Darmstädter Kriminalpsychologen Jens Hoffmann kann diese Signale zuverlässig aufspüren. [...] Das Programm stellt 32 Fragen - etwa: Hat sich der Schüler positiv über Gewalttäter geäußert? Beschäftigt er sich mit dem Tod? Steht ein für ihn kritisches Ereignis bevor? DyRiAS vergleicht dann mittels einer mathematischen Analyse, ob ein auffälliger Schüler eine ähnliche Konstellation aufweist wie bisherige Amokläufer. Wird der Betreffende für ganz oder zumindest vorläufig ungefährlich eingeschätzt, erscheint in einem Risikoreport ein grüner oder gelber Balken. Droht Gefahr, ist der Balken rot. In einem solchen Fall sollen Lehrer den Schüler im Auge behalten oder die Polizei einschalten. Für alle Amokläufer der letzten Jahre hat DyRiAS in nachträglichen Tests eine korrekte Prognose erstellt."

In nachträglichen Tests korrekte Prognosen erstellt... herzlichen Glückwunsch, das bringt ja was. Und wie haben sie diese nachträglichen Tests gemacht? Mit Robert Steinhäuser? Mit Tim Kretschmer? Zur Erinnerung: Wie die meisten Amokläufer hatten auch die beiden sich nach ihrer miesen Tat selbst hingerichtet. Aber das nur am Rande.

Der Computerprogramm stellt 31 Fragen und rechnet sich aus den Antworten ein Risikoprofil zusammen. Ganz praktisch eingeteilt in grün (mag Blumen, Vegetarier, vermutlich eine Frau) über gelb (alle Normalos) bis hin zu rot (Waffennarr, Gothic- und Metallfreund, männlicher Teenager). Sorry, ein bisschen Zynismus sei hier erlaubt.

Jens Hoffmann sagte dazu Ende 2008 nach einem Amoklauf in finnischen Kauhajoki in einem Interview mit der Süddeutschen: "Es werden nur Leute durch das System bewertet, die auffällig geworden sind. Es gibt 31 Punkte, die Verhaltensvariablen abfragen: Gibt es Identifizierung mit anderen Amokläufern? Welche Probleme hat der Auffällige? Hat er eine Waffe herumgezeigt? Wenn Drogen im Spiel sind, welche genau? Anhand dieser Variablen gibt das System eine Risiko-Einschätzung ab, ähnlich einem Wetterbericht. Das System stellt Fragen und die Personen, die damit arbeiten, müssen die Antworten recherchieren. So kann man erkennen, ob es genügend Puzzlesteine für einen potentiellen Amoklauf gibt. Bei den Antworten selbst soll nicht interpretiert und analysiert werden - das übernimmt der Computer."

Hoffen wir mal, der potenzielle Amokläufer beantwortet alle Fragen wahrheitsgemäß - etwa die danach, ob er sich mit anderen Amokläufern identifizieren kann. DyRiAS, ein Programm, das eine Sicherheit an Schulen suggerieren soll, die es nicht gibt. Nie geben wird. Nie geben kann. Denn die Freaks, die es vorher abfangen soll, werden dem Programm aus dem Weg gehen. Es hat natürlich, wenn auch nur ein Amoklauf damit verhindert wird, irgendwie seine Berechtigung. Aber an der Praktikabilität im Lebensalltag zweifele ich immer noch.

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