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Weltexklusiv: Alles zu Syndicate

Die Starbreeze Studios haben uns weltexklusiv in Uppsala die ersten Spielszenen aus ihrer Neuinterpretation des Bullfrog-Klassikers gezeigt - und damit Redakteur Jonas Elfving direkt in seine Kindheit zurück befördert.

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Ich war elf Jahre alt und wusste nichts. Alle meine Agenten starben wie die Fliegen. Der Midi-Sound war bedrohlich, die Pings vom Radar klangen eiskalt. Bereits nach kurzer Zeit drehte sich eine andere CD-ROM im Laufwerk meines PC. Ich ließ ein schwieriges Spiel ein schwieriges Spiel sein. Als ich Jahre später Syndicate eine zweite Chance gab, passte alles zusammen. Ich eroberte mir die Zukunftswelt aus der Isoperspektive, ballerte wild mit den Uzis und verbrauchte viele Verbandskästen. Die Welt war dunkel und faszinierend, das Gameplay herausfordernd und es machte süchtig.

Nach der Fortsetzung Syndicate Wars aus dem Jahr 1996 hatten Fans der Serie feuchte Träume davon, dass endlich eine moderne Version dieses Klassikers kommt. Über ein Jahrzehnt später tauchten erste Hoffnungsschimmer auf. Es waren Gerüchte, dass das schwedische Starbreeze Studio im Auftrag von EA an dem Spiel Project Redlime arbeite. Es sei der Codename für das neue Syndicate, hieß es - und auch die Redaktionen von Gamereactor und anderen Zeitungen kriegten anonyme Hinweise, dass die Gerüchte stimmen. Das Projekt war also mehr oder weniger Realität. Gedauert hat es doch noch etwas. Bis zu jenem Tag, an dem ich in den Räumen von Starbreeze in Uppsala sitze, mit einem Syndicate-Logo vor meinen Augen. Gleich startet eine Demo, zum ersten Mal für einen Außenstehenden.

Wir schreiben das Jahr 2069 und "Geschäft ist Krieg". In dieser vom Konsum durchsetzten und besessenen, von Kontrolle durchzogenen Zukunft haben fast alle Menschen einen Chip in den Schädel montiert bekommen. Dieses wichtige Bauteil wird nur von einer Handvoll enorm leistungsstarker Syndikate zur Verfügung gestellt. Starbreeze zeichnet eine Vision, in der zeitgenössische Phänomene wie Sozialnetzwerke, personalisierte Werbung und eine ständige Internet-Verbindung eskaliert sind. Sie haben den Menschen buchstäblich eine neue Sicht auf die Außenwelt eingetrichtert. Loyale Kunden werden stets belohnt, während die anarchischen Downzoners ohne Chip im Kopf die Aussätzigen sind. Die wenigen Syndikate kämpfen erbittert gegeneinander um die Gunst der Verbraucher. Sie reden nicht mehr über ein Universum. Das hier ist ein Dataversum.

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Wenigen Syndikate kämpfen im Jahr 2069 erbittert gegeneinander um die Gunst der Verbraucher.
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Auch im Kopf von Geheimagent Miles Kilos steckt ein Chip. Sein Darts-6-Modell ist viel anspruchsvoller und konnte in niemanden sonst als ein furchtloses Schwein implantiert werden. Die ersten spielbaren Sequenzen, die ich zu sehen bekomme, zeigen die Merkmale und Fähigkeiten des Dart-6-Chips. Wir befinden uns in einer schwarz-weißen Simulatorwelt, wo die Feinde nur Umrisse sind und sich eine bodenlose Dunkelheit unterhalb von Miles Kilos Füßen erstreckt. Ein Tutorial-Level, wo wir von der eiskalten Chipstimme einer Frau geführt werden. Nun müssen wir lernen zu hacken.

Fast alle Gegner im Spiel haben auch Chips im Schädel und Miles besitzt die Fähigkeit, sie zu hacken und fernzusteuern, um das Verhalten der Gegner in einer drastischen und tödlichen Art und Weise zu beeinflussen. Der Selbstmord-Hack ist das erste Manöver, das wir in dieser Trainingsmission lernen. Miles schleicht sich an einen Feind heran im VR-Simulator, markiert ihn und wählt Selbstmord mit dem D-Pad an. In wenigen Sekunden wird der Gegner seinen Kopf zwischen den Händen vergraben mit einer schmerzverzerrten Miene, dann seine Pistole aus dem Holster fummeln und sich selbst in den Kopf schießen. Die Chip-Stimme lobt Miles, der sich dem nächsten Grundkurs widmen darf: Backfire.

Auch Waffen lassen sich nämlich hacken und der Backfire-Hack lässt die eigene Waffe in den Händen der Feinde detonieren, was sie selbst und die unglücklichen Kollegen in nächster Nähe neutralisiert. Dank dieser Methode sehe ich einen manipulierten Gegner ins Gras beißen, und dann fällt seine Waffen zu Boden in einer Art und Weise, die an das alte Bullfrog-Original erinnert.

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Waffen lassen sich hacken - und der Backfire-Hack lässt die eigene Knarre in den Händen der Feinde detonieren

Der Gehorsam-Hack ist ein weiterer Weg, um das Arsenal der Gegner gegen sie selbst zu richten. Für diejenigen, die die Persuadertron-Knarre aus den 1990er-Jahren noch kennen, wird dieser Hack vertraut sein. Der Feind wird einfach dahingehend manipuliert, dass er fortan an unserer Seite kämpt. Das ist äußerst wirksam und sorgt zudem für große Verwirrung unter den Feinden. Im Simulator klappt alles reibungslos. Miles lässt den Gegner seine Teamkollegen verraten und beendet die Sache mit einem gut getimten Selbstmord-Hack.

Alle Hacks werden mit Energie aus dem IPA-Meter am rechten Rand des Bildschirms versorgt. Wir müssen daher mit ihren Fähigkeiten sorgfältig haushalten und sie tendenziell für härtere Gefechte aufsparen. Der IPA-Balken wird durch saubere und effiziente Tötungsmanöver aufgeladen. Das Hacking ist ein zentraler Bestandteil der Action-Szenen und stellt eine Herausforderung sowohl im taktischen Sinn als auch an die Multi-Tasking-Fähigkeiten dar. Hier unterscheidet sich Syndicate deutlich von anderen Egoshootern, etwas, das ziemlich deutlich wird, als Miles die sichere Welt des Simulators für eine echte Mission verlässt.

In der nächsten Sequenz ist der Protagonist auf La Ballena unterwegs, einer Mischung aus Groß-stadt und Luxusliner. Gesteuert wird die Hybridwelt vom Syndikat Cayman Globale. La Ballena ist überzogen mit Palmen, Gewerbegebieten und luxuriösen Spa-Behandlungen. Der Ort wurde entwickelt, um Verbraucher dazu zu verleiten, dem Syndikat bei-zutreten. Wie in vielen anderen Dystopien ist die Oberfläche nicht abnehmbar, aber täuschend echt und attraktiv. Ein Design, das spannender ist als braune Steampunk-Welten, wenn man mich fragt.

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Im Kopf von Geheimagent Miles Kilos steckt ein Chip - wie auch in allen anderen Köpfen im Spiel.

Hinter der La Ballena-Idylle schwelt ein Konflikt mit einer prominenten Wissenschaftlerin im Zentrum, die entführt wurde. Mit einer gestohlenen, digitalen Identität macht sich Miles auf den Weg, die Frau zu retten. "Kurz vor dieser Passage wird man in der Lage sein, den ruhigeren, eher urlaubsmäßigen Teil der La Ballena-Erfahrung zu erleben. So bekommt man ein Gefühl davon, was es heißt, ein Konsument des Syndikats zu sein", erklärt Richard Jackson, der Lead Game Designer von Syndicate. Dann startet er den Demo-Level.

Die Ruhe ist sehr schnell sehr weit weg. Miles' Tarnung fliegt auf und die Hölle bricht los. Es gibt nicht wenig militärische Macht an Bord. In diesem Chaos Miles dabei zuzuschauen, wie er zwischen Maschinengewehren und Hacking hin und her wechselt, das verspricht ein ganz anderes, deutlich komplexeres Erlebnis als im Simulator sichtbar war. Jetzt verstehe ich, wie die eigene Dynamik der Feuergefechte aussehen soll.

Denn als die dunkel gekleideten, faschistoid wirkenden Wachen Miles angreifen, ist das nur durch eine Mischung aus Ballern und Hacken abzuwehren. In einem weitläufigen Areal vor den Türen von La Ballenas glänzenden Gebäuden wirft sich Miles hinter einen Betonpfeiler und lässt die Kugeln um sich herum sausen. Mit Hilfe des IPA-Overlay sehen wir die Gegner in Form von roten Konturen - und der Angriff wird vorbereitet. "Man muss sich sorgfältig überlegen, wann das IPA- Overlay genutzt wird, denn es steht nicht die ganze Zeit über zur Verfügung. Es kann das Leben im Kampf retten und es ist eine Ressource, die man nutzen muss. Aber wir wollen den Spielern auch die Möglichkeit geben, die schönen Welten anzuschauen, die wir gebaut haben", erklärt Viljar Sommerbakk, der Lead Game Designer.

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Studioboss Mikael Nermark (oben) will mit seinem Team das altehrwürdige Thema des Spiels neu interpretieren.

Ein intensiver Kampf beginnt, in dem die Umgebung, die Waffen und die Hack-Fähigkeit Gehorsam ihre tragenden Rollen spielen. Am Ende löscht Miles alle Schurken aus. Dann tritt ein Mini-Boss in Form einer Monsterwache auf den Plan, mit einem Raketenwerfer und Super-Rüstung im Gepäck. Der Kampf dauert fast so lange wie die gesamten Szenen davor, aber nach einem schlauen Hack ist Miles wieder siegreich. Und ist nun der Besitzer einer neuen, mächtigen Waffe, die nicht nur dafür Verwendung finden wird, eine Tür mit mehreren Schlössern zu öffnen.

Neue und andere Gegner zeigen sich während des Abflugs von La Ballena. Miles zerstört ein halbes Dutzend schwimmender Wächter-Drohnen, deren mechanisches Brummen von Möwenlärm und dem Wind begleitet wird. In einem Kontrollraum findet unser Agent einen schönen Schalter mit der treffenden Bezeichnung UAV-Control, dessen Aktivierung alle Drohnen zu Metallsplittern werden lässt. Eine paar Agenten mit extrem nervigen Störsendern schalten alle Hacking-Fähigkeiten aus und müssen mit reiner Waffengewalt erledigt werden. Die Demo endet mit einem großen Feuergefecht. Und das Schicksal der entführten Wissenschaftlerin wird zum Cliffhanger für den nächsten Level - den es natürlich nicht mehr zu sehen gibt.

Es ist eine aufregende Welt, die sie da für Syndicate bauen. Und owohl ich den Controller nicht selber benutzen durfte, versprechen diese Action-Sequenzen uns allen eine wunderbare Herausforderung. Das ist etwas, worauf sie uns bei Starbreeze mehrfach hinweisen. Sie wollen nicht die oft gesehenen Sequenzen liefern, wo die Feinde ständig kommen und zwar direkt von vorne hinein ins Fadenkreuz. In Syndicate werden wir flankiert, müssen die Hacks wirklich meistern und wir werden mehr als nur ein paar Mal draufgehen, bevor eine Mission erfolgreich absolviert ist. Mit anderen Worten: Syndicate wird nicht einfach werden, soll aber nie unfair sein. Wenn sie die Balance hinkriegen, dann kann das alles wirklich so richtig toll werden.

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"Wir wollen den Spielern auch die Möglichkeit geben, die schönen Welten anzuschauen, die wir gebaut haben", erklärt Viljar Sommerbakk, der Lead Game Designer.

Ich verlasse die Präsentation und kriege einen Rundgang durch die Räumlichkeiten von Starbreeze. Es scheint mir, dass es kein Zufall ist, dass EA sich mit diesen Leuten zusammengetan hat. In andere Welten einzutauchen und daraus Spiele zu machen, ob es ein Zukunftsgefängnis ist oder Cartoonhelden mit dunklen und bösen Kräften - sie verwandeln es immer in etwas Eigenes. Und vor allem ist das Ergebnis absolut spielbar.

Der Nachweis über die Erfolge dieser Arbeiten ist überall im Studio sichtbar. Am eindrucksvollsten ist der gerahmte Gruß von Vin Diesel, dem Star der Riddick-Filme, den Starbreeze zu einem Helden im wohl besten Lizenz-Spiel der Videospielgeschichte verwandelten. "Vor der Veröffentlichung von The Chronicles of Riddick: Escape From Butcher Bay haben wir dieses Plakat von Vin Diesel gekriegt. 'Screw up and you're dead' steht drauf. Wir haben es nicht vermasselt. Sein Film hatte einen Durchschnitt von 38/100 auf Metacritic, unser Spiel steht jetzt bei 90/100", sagt Studioboss Mikael Nermark mit einem stolzen Grinsen.

Nach dem Abschütteln meines schwedischen Patriotismus und diverser David und Goliath- Gedanken bleibt es trotzdem so, dass Syndicate einfach verführerisch daherkommt. Wer nur eine aufpolierte Version des ursprünglichen Games erwartet, muss umdenken: Das hier ist ein Egoshooter, in dem Atmosphäre und Setting dem Original entliehen sind - der Rest ist neu. Starbreeze nimmt etwas Bekanntes und Beliebtes, um es zu verwandeln. Und das können sie ja.

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KRITIK. Von Ingo Delinger

Klingt wie ein Stealth-Abenteuer, ist aber eher ein klassischer Egoshooter - übrigens mit einem tollen Koop für vier Spieler.



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