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Problemfall Singstar

Als großer und langjähriger Fan nimmt sich Martin Singstar zur Brust. Da steht eine echte Liebesbeziehung auf der Kippe. Wie konnte das passieren.

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Singstar war richtig groß auf der Playstation 2. Noch bevor Harmonix mit Guitar Hero eine wahnsinnige Welle für Musikspiele losgetreten hat, war die schicke Karaoke-Erfahrung von Sony am Start. Und was man zuvor vor allem aus Japan kannte, eroberte ab Mai 2004 die Wohnzimmer in Europa. Singstar schloss im Grunde nahtlos an die Erfahrung mit Eyetoy an, das Sony im Jahr zuvor für die Playstation 2 veröffentlicht hatte. Das Karaoke-Spiel war ein weiterer Vertreter für gemeinschaftliches Spielen und für eine eher untypische Erfahrung. Außerdem erschuf das Studio in London eine wirklich schöne und übersichtliche Oberfläche mit einer guten Songauswahl.

Damals vor rund zehn Jahren und auch in den Singstar-Anfangsjahren auf der Playstation 3 gab es noch große Aktionen und Kampagnen. Man präsentierte Shows auf MTV, war unterwegs in Einkaufszentren und es gab jede Menge Werbung auf allen Kanälen. Die umworbene Zielgruppe war oft weiblich - eher untypisch für die PS2 - und damit ein Gewinn für Sony. Der Hersteller erreichte mit Singstar viele von denen, die sich bisher nicht von Playstation angesprochen fühlten. Es wurden sogar gezielt schwule Männer angesprochen in der Kommunikation. Der Erfolg war riesig. In Deutschland sind 36 Spiele in sieben Jahren für die PS2 erschienen. Es war ein lohnendes Geschäft. Immer wenn es ein neues Produkt gab, das in den Handel gestellt wurde, gab es eine neue Kampagne.

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Im Mai 2012 ging alles los. Damals setzte Sony noch auf ein schlichtes Design in hellen Farben.
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Der Wechsel auf die Playstation 3 lief dann schon nicht ganz sauber. Während das erste Singstar erst 2004 erschien, als die PS2 schon günstiger zu haben und im Markt gefestigt war, folgte das neue Singstar bereits ein halbes Jahr nach dem Launch der PS3 in Europa. Es sollte neue Zielgruppen erreichen, bevor die Konsole deutlich im Preis gesunken und überhaupt eine große installierte Basis aufweisen konnte. Dazu kam, dass es nun den Singstore gab, mit dem man jederzeit online Musik kaufen konnten. In acht Jahren erschienen schließlich nur 16 reguläre Editionen im deutschen Handel, mit mäßigem Erfolg.

Und im Grunde endete die Veröffentlichungen von Spielen auch nicht erst 2014, sondern bereits 2011 mit Singstar Back to the 80s. Bei der letzten Veröffentlichung vor etwas mehr als einem Jahr handelt es sich nämlich um Singstar: Ultimate Party, der ersten und bisher einzigen Edition für die Playstation 4, die aber ebenfalls für die alte PS3 veröffentlicht wurde. Es war also nur ein Nebenprodukt und keine wirklich neue Edition. Zuvor hatte Sony noch den Markt geflutet - allein 2008 sind zehn Singstar-Edition für die PS2 erschienen und drei für die PS3. 2009 waren es je neun Editionen für PS2 und PS3. Danach ebbte das Angebot ab.

Ohne dass Sony ein Produkt in den Laden stellen konnte mit einer nett zusammengestellten Liste mit Hits, schien das Interesse an Singstar zu schwinden. Auf die Völlerei der Vorjahre reagierte Sony nun mit einer knallharten Nulldiät. Ein paar Fans wurden sicherlich auch dadurch verprellt, dass die vielen PS2-Editionen nicht auf der PS3 genutzt werden konnten. Erst Ende 2008 schob der Hersteller ein entsprechendes Update nach. Doch selbst der Singstore bekam weniger Aufmerksamkeit. Lange Zeit wurde das digitale Angebot alle zwei Wochen erweitert. Dann wurden die Aktualisierungen kleiner und schließlich immer seltener.

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Auf der PS3 wurde alles moderner. Es gab nun eine echte Online-Community und den Singstore.

Als Singstar im Mai 2014 sein zehnjähriges Jubiläum feierte, gab es bereits kritische Stimmen in der Community, die unregelmäßige, kleinere und wenig interessante Updates im digitalen Liederladen bemängelten. Mit dem runden Geburtstag wurde es nicht besser, denn zu diesem Anlass kündigte man Singstar für die PS4 an - und das hieß erst einmal Pause. Zwischen Anfang Mai 2014 und November 2014 gab es gar keinen Nachschub für Karaoke-Enthusiasten. Man konzentriere sich auf das neue Spiel, hieß es. Ein halbes Jahr bedeutete dies am Ende kompletten Stillstand.

Danach wurde es aber nicht besser. Für den Singstore, der nun auf beiden Konsolen zu finden ist, gab es im letzten Jahr nur fünf Updates - im Februar, im März, im Oktober, im November und im Dezember. Dabei sei angemerkt, dass die beiden Aktualisierungen im Frühjahr ziemlich dürftig ausfielen, obwohl gleichzeitig viele treue Fans der Reihe darauf warteten, dass ihre auf der PS3 gekauften Lieblinge endlich auch auf der PS4 spielbar wurden. Anfangs war nur ein Bruchteil des Katalogs auf der neuen Konsole verfügbar. Bis heute fehlen viele Songs - zum Teil sogar Stücke, die veröffentlicht wurden, als das Team bereits wusste, dass Singstar für die PS4 kommt.

Der Start von Singstar auf der PS4 war allerdings ohnehin eine Katastrophe. Es fehlten viele bekannte Funktionen, die neue Oberfläche war für große Musikbibliotheken unpraktisch, die Stimme war in der Videoaufzeichnung völlig neben der Spur und noch dazu gab es viele Abstürze - alles auch nachzulesen in unserer Kritik. Gelegentlich meldete das Team über Twitter und Singstar, dass man weiter daran arbeite, das Angebot zu erweitern und die fehlenden Songs auf die neue Konsole zu bringen. Zwischen diesen Meldungen und dem, was tatsächlich passierte, musste allerdings keine Korrelation bestehen. Zwischendurch herrschte deswegen über Wochen komplette Funkstille. Auch das kam natürlich bei der Community nicht gut an. Singstar ging nach mehr als zehn Jahren offenbar die Puste aus.

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Auf der PS4 gab ein neues, aber unübersichtliches Design und tägliche Missionen. Im Gegenzug fehlten viele Features.

Die zweite große Lücke aus dem letzten Jahr zwischen März und November erklärt sich übrigens damit, dass das Team intensiv an einer neuen Version gearbeitet hat. Und natürlich ist es schön, dass man Fehler beim Start von Singstar auf der PS4 eingestanden hat. Doch es bleibt unverständlich, warum die letzte Version über Bord geworfen wurde, um wieder eine neue, komplett andere Oberfläche ins Spiel zu bringen, statt die bestehende einfach zu verbessern. Das Ziel war klar, die neue Anwendung sollte alles besser machen. Allerdings war es fast abzusehen, dass es mit einem Neustart wieder zu Problemen kommen würde.

Tatsächlich gibt es nun endlich wieder einen Party-Modus, der kurioserweise in der ursprünglichen Neuauflage auf der PS4 fehlte. Schade aber, dass die Zahl auf acht Spieler begrenzt ist. Die übersichtlicheren Filteroption sind ebenfalls lobenswert. Das Ergebnis ist an vielen Stellen wirklich hübsch und aufgeräumter. Viele Funktionen sind nun logischer und am unteren Rand wird immer angezeigt, welche Optionen uns auf welcher Taste zur Verfügung stehen. Ansätze davon gab es aber auch schon in der Version davor. Im Detail stecken aber trotzdem noch ein paar Fehler, die ärgerlich sind.

Künstler werden nicht mehr gruppiert angezeigt, was es noch schwieriger macht, große Bibliotheken zu durchstöbern. Es fehlen Duette, wenn zwei Spieler nicht gegeneinander spielen wollen, sondern gemeinsam. Der Gesang lässt sich weiterhin bei vielen Stücken nicht komplett ausblenden. Wer etwa alte Songs auf der neuen Konsole aktivieren will, muss das für jeden Song einzeln tun. Das ist unnötig kompliziert und war selbst in der ersten Version auf der PS4 noch einfacher. Im Singstore wäre eine Option angenehm, die Stücke auszublenden, die man bereits besitzt. Bei den Song-Paketen fehlt derzeit noch jegliche Filter-Option. Und es ist immer noch nicht möglich, die Editionen von PS2 und PS3 zu nutzen, wie es auf der PS3 der Fall war.

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Die aktuelle Version von Singstar ist übersichtlicher geworden und bringt den Party-Modus zurück. Einige Fehler und Ärgernisse bleiben.

In der Singstar-Community können wir keine Spieler mehr suchen. Bei der Songauswahl gibt es wirklich viele Filter, hier nun gibt es plötzlich weniger. In der Übersicht für eigenen Medien als auch die von anderen Spielern wird nur angezeigt, ob es ein Video oder ein Bild ist. Wir sehen aber nicht, um welchen Song es sich handelt. Dafür müssen wir den Beitrag immer erst anwählen. Und in unserem eigenen Profil sehen wir nicht auf einen Blick, welche Medien wir online mit anderen teilen. Dabei wäre dies mit einer kleinen Markierung einfach möglich. Ebenfalls nicht wieder zurückgekehrt sind die Clubs, die es damals zu Zeiten der PS3 noch gab.

Viel schlimmer aber noch sind die technischen Mängel. Bei der Video-Aufnahme gibt es weiterhin Probleme mit dem Ton. Auf der PS3 habe ich zudem permanent mit Abstürzen zu kämpfen. Auf der PS4 fehlen mir mindestens ein Viertel Lieder, die zwar auf der Konsole verfügbar sind, aber auch nach dem Download weiterhin mit "Herunterladen" gekennzeichnet werden. In dem Fall sind es 170. Diese Zahl schwankt allerdings. Es kam auch schon vor, das es über 400 waren, die ich nicht anwählen konnte. Dieses Problem habe übrigens nicht nur ich. Wie lange es bereits besteht, ist unklar. Bei mir trat der Fehler im November auf. Bei manch anderem war es vielleicht schon früher der Fall.

Ob derzeit an einer Lösung gearbeitet wird? Ich vermute es. Aktuell wird auf Nachfragen kaum reagiert. Die dafür zuständige Person innerhalb des Teams hat vermutlich einfach viele andere Aufgaben und einfach keine Zeit. Der Stellenwert von Singstar bei Sony scheint einfach nicht mehr groß genug, um eine Person zu haben, die sich um die Community kümmert. Immerhin aber gibt es lustige Social-Media-Beiträge an den Feiertagen und traurige zum Tod von David Bowie. Dafür reicht die Zeit noch. Singstar scheint aber einfach nicht mehr den gleichen Stellenwert zu genießen wir noch vor zehn Jahren.

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Bevor es wieder "Friday I'm in Love" mit Singstar heißt, sollten ein paar Probleme aus dem Weg geräumt werden.

Ein weiterer Bug ist, dass Songs im Singstore auf der PS4 angeboten werden, die derzeit nur auf der PS3 laufen. Kaufen kann man sie. Herunterladen nicht - so beispielsweise Don't Cha von The Pussycat Dolls. Vielleicht sollte ich aber einfach froh sein, dass mir der technische Support in Deutschland innerhalb von zwei Wochen das Geld für einen anderen fälschlicherweise getätigten Kauf zurückerstattet hat. Singstar hat mir ein Song-Paket angeboten und den Kauf auf ausgeführt, das ich allerdings schon besaß. Das ist auch so ein Bug, der bis heute nicht behoben ist. Pakete lassen sich nämlich nicht als Ganzes von PS3 auf PS4 übertragen, sondern nur die einzelnen Songs. Die ursprünglich damit verfügbaren Medleys gibt es entsprechend auch nicht mehr. Das ist aber vielleicht auch gar nicht schlimm, denn die Medley-Option gibt es derzeit sowieso nur im Party-Modus.

Weihnachten und Silvester habe ich in diesem Jahr auf Singstar verzichtet. Auf der PS3 bringt die App die Konsole zu oft zum Abstürzen und auf der PS4 fehlen zu viele Songs - die Mehrheit, weil Sony noch keine erweiterten Rechte dafür erworben hat und ein nicht unerheblicher Teil auf Grund eines fiesen Bugs. Dass im Angebot ohnehin neue Musik fehlt und es ein viel breiteres Angebot geben sollte, ist noch eine ganz andere Nummer. Diese Forderungen gab es vor Jahren, als es noch regelmäßige Updates im Singstore gab. Heute wäre ich schon mit deutlich weniger zufrieden.

Der Singstore war offenbar kein Segen für Sony, er scheint ein Fluch zu sein, der das Spiel in der Bedeutungslosigkeit hat verschwinden lassen. Der Zugriff auf Singstar war noch nie so leicht. Es gibt eine kostenlose App für die PS4 und ein paar kostenlose Demo-Songs. Für iPhones und Android-Smartphones gibt es ebenfalls eine App, die das Telefon in ein Mikrofon verwandelt. Trotzdem bleibt das Interesse an Singstar verhalten. Es fehlt offenbar die richtige Strategie. Vielleicht sollte Sony einzelne Song-Pakete als Download-Voucher im Handel anbieten. Womöglich würde eine neue Disc-Edition helfen. Sony muss den Menschen wieder zeigen, wie viel Spaß das Singen mit der Playstation macht. Zuvor aber natürlich sollte das Team sicherstellen, dass die Software endlich fehlerfrei funktioniert.

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