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Virtual Reality erleben mit HTC Vive und Oculus Rift

Die Grafikkartenexperten von Nvidia haben uns auf einen Trip in die virtuelle Realität eingeladen, um die neusten Versionen von HTC Vive und Oculus Rift auszuprobieren.

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Ich stehe mitten in einem dunklen Raum. Er ist vielleicht vier mal fünf Meter groß, schwarz ausgekleidet und in zwei der Ecken stehen kleine Hochleistungskameras, die meine Position im Raum verorten. Es ist ein langweiliger, fast toter Raum. In der einen Ecke steht Kabelkrams, in der anderen hockt ein Techniker vor seinem PC und tippt rum. Dann setzt er mir die VR-Brille auf, die neuste Version der HTC Vive. Sie hängt an einem dicken, teuren Kabel, das in hoher Geschwindigkeit die Grafik- und Sounddaten vom Highend-PC mit der aktuellsten Nvidia-Topgrafikkarte zum Headset und zurück schickt. Das letzte Mal ist mir auf der Gamescom unterm Oculus Rift in kurzer Zeit ziemlich übel geworden. Ich hatte Pollen gespielt, warum mich die Motion Sickness packte, ich weiß es nicht.

Das Gefühl im Vorfeld der neuerlichen VR-Erfahrung ist also ein bisschen ungut. Ich trage eine Brille zum Arbeiten, leichte Kurzsichtigkeit. Die lasse ich auf und das ist kein großes Problem, es drückt nur ein ganz bisschen der Bügel an der Nase. Später lasse ich sie weg, was den Komfort verbessert, aber das Schärfegefühl im Nahbereich etwas verschlechtert. Und um Gefühle dreht sich quasi alles bei gut gemachter Virtual Reality, wie ich in den nächsten Minuten schnell lerne. Denn der Unterschied zum letzten Mal ist enorm. Bereits im begehbaren Menü der HTC Vive habe ich das Gefühl, angekommen zu sein. Es wirkt einfach nicht befremdlich. Kein komisches Gefühl im Magen, nicht wackelig auf den Beinen.

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Virtual Reality erleben mit HTC Vive und Oculus RiftVirtual Reality erleben mit HTC Vive und Oculus Rift
HTC Vice liefert eine überzeugende VR-Erfahrung - wenn schnelle Hardware genutzt wird und man den realen Raum für den virtuellen Raum vorher entsprechend präpariert hat.
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Nach zwei aufgeblasenen Luftballons, die absurderweise aus den beiden Controllern in der Hand aufsteigen, und einigen Verortungsspielereien sowie Schießübungen startet die erste Demo. Zombies abschießen, in der Wüste Arizonas. Man steht in Arizona Sunshine mehr oder weniger auf der Stelle und greift sich mit den Controllern, die nun plötzlich zu virtuellen Händen geworden sind, eine Waffe. Die Illusion ist erstaunlich überzeugend, wenn auch man dem innerlichen Drang widerstehen muss, zu den Zombies hinzurennen für bessere Trefferchancen oder vor ihnen zu flüchten. Man ballert sich von einer fest installierten Szene zur nächsten - das ist ganz nett, aber auch nicht mehr. Zudem verheddere ich mich ganz real mit den Controllern mehrmals im Kopfhörerkabel und trete immer wieder auf das große Datenkabel am Boden, was die Immersion einfach stören kann.

Dann folgt ein Besuch im Aperture Science Lab - eine Prozedur, die den inneren Fan schon beim Erblicken der Logos und dem Hören der typischen Off-Stimme mit großer Freude erfüllt. Man ist in einer kleinen Kammer eingesperrt, einem Untersuchungsraum. Muss dann ein paar Labortests über sich "ergehen" lassen und öffnet dann eine Ladeluke. Dahinter steht er, ein Atlas-Roboter, den Portal-Spieler nur allzu gut kennen. Etwas bedrohlich schreitet er auf einen zu, aber die Neugierde sorgt dafür, dass man den Blick nicht abwendet. Dann geht er natürlich kaputt und wir sollen ihn wieder heile machen. Kann nicht klappen, ist ja logisch, "Cake is a lie" und so. Dann versagt zudem noch die Technik, denn bei einem Controller sind die Batterien ausgesaugt. Zum Glück muss man nichts mehr machen. Im Realbetrieb sollen die unter Hochlast durch mehrere Wifi-Signale hindurch locker zwei Stunden Laufzeit schaffen. Mal schauen...

Mit frischen Batterien gibt's am Ende mit Tiltbrush einen Einblick in die Möglichkeiten der virtuellen Kunst. Mit beiden Controllern kann man im dreidimensionalen Raum zeichnen. Das klingt absurd, aber es zeigt für mich am deutlichsten die neuen Möglichkeiten. Man schreitet in dem kleinen virtuellen Raum herum, der sein abgestecktes Areal groß ist und durch sichtbare virtuelle Barrieren begrenzt wird. Ich habe mein altes Graffiti-Tag aus Kindertagen in den freien Raum gemalt. Bin drumherum geschlichen, habe es von unten bestaunt. Mir dann einen Sternenhimmel gezaubert und den Pinsel in einen Regenbogen-Edding umgewandelt. Das ist so surreal, mir fehlen immer noch etwas die Worte. Aber genau um dieses Gefühl muss es gehen. Das Gefühl, etwas substanziell Neues erlebt zu haben, das einen fasziniert, aber zugleich nicht komplett überfordert.

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Virtual Reality erleben mit HTC Vive und Oculus RiftVirtual Reality erleben mit HTC Vive und Oculus Rift
Links die HTC Vive inklusive der beiden Controller, die virtuell zu allem möglichen werden können. Rechts die Oculus Rift, die eher darauf ausgelegt ist, eine VR-Erfahrung im sitzen oder maximal stehen zu erleben, vorerst jedenfalls.

Virtual Reality ist ein Lernprozess, das ist auch den Techniker bei Nvidia und all den Hardwareherstellern von VR-Brillen bewusst. Ist sie gut gemacht, müssen viele Faktoren zusammen passen. Man braucht sehr viel mehr Rechenleistung, um zwei Mini-Bildschirme der HTC Vive mit je 1200 x 1080 Pixeln pro Auge zu bespielen. Die Dateien werden in dreifacher HD-Auflösung gerendert und in 90 Hz ausgespielt. Noch höher ist noch besser. Je flüssiger alles läuft, je weniger Latenz zwischen der Eingabe des Grafikinformation, der Verortung des Spielers und der Ausgabe von Grafik und Sound im Headset liegen, desto weniger wahrscheinlich wird man virtuell seekrank. Das hat beim HTC Vive ziemlich überzeugend funktioniert für mich, allerdings zu einem hohen Preis. Ohne die genauen Kosten zu kennen: Man braucht einen eigenen, dunklen Raum mit den richtigen Lichtverhältnissen, in dem man die beiden Kameras auf Kopfhöhe montieren kann. Dazu einen ziemlich leistungsfähigen PC, in dem mindestens eine Geforce 970 oder vergleichbares steckt. Besser aber das Topmodell 980Ti. Und noch besser zwei davon, eine für jedes Auge. Und natürlich eine schnelle CPU. Was das alles kostet? Keine Ahnung. Viel trifft es wohl ganz gut.

Und es braucht Inhalte, die richtig Sinn ergeben im Kontext VR. Ich habe später noch Oculus Rift gespielt, was im direkten Vergleich fast ein wenig banal wirkte, wenn auch dort natürlich Eve: Valkyrie immer besser wird und auch eine kleine und charmante Twinstick-Tower-Defense-Demo mit Transformers-Robotern wirklich überzeugte. Anderseits hat der Besuch am Mount Everest mit der HTC Vive derart unbeholfen gewirkt, dass für mich die Illusion zerstört war, als ich eine Leiter eine Eiswand hochklettern sollte. Ich habe für mich in diesem Moment nur erlebt, die Eiswand an der Leiter entlang nach unten zu ziehen. Sicherlich keine Killerapplikation, wobei Virtual Reality die größten Chance in meiner Welt auch nicht zwangsläufig im Kontext Videospiel hat. Ich kann mir eher vorstellen, als Architekt virtuelle Projekte zu erlaufen, ein Fußballspiel in 3D live mitzuerleben oder als Mediziner virtuelle Operationen auszuprobieren. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass viele Spielentwickler derzeit noch damit beschäftigt sind, sich die Technik zu erschließen, so dass echte spielerische Kreativität noch fehlt.

Virtual Reality so zu machen, dass sie überzeugt, ist ein komplexes Unterfangen, das zudem den Einsatz von relativ viel unhandlicher Hardware erfordert. Das baut man nicht mal eben auf, sondern man muss es aufgebaut haben. Oculus Rift geht hier einen Mittelweg, sorgt aber trotzdem dafür, dass zum Beispiel Menschen in Beziehungen fortan unter VR-Brillen abgeschirmt von ihrer Umgebung ihrer abendlichen Gamingsession nachgehen sollen. Das könnte in der realen Realität eine Barriere schaffen, die selbst die beste Technik nicht überwinden kann. Wenn man sich aber einlassen kann auf all diese Faktoren und sich ein passendes Setting schafft, dann ist das Holodeck quasi greifbar. Man kann aus einem kargen Raum in einem Industriegebiet in Norderstedt eine Erlebniswelt machen, die einem in Sekunden die unterschiedlichsten Dinge serviert. Dass man sich hier verlieren kann, wird mir exakt in jenem Moment klar, als ich mich ein paar Minuten nach der Vive-Session mit Peter Brolly unterhalte, dem Brand Manager von Nvidia. Wir reden beiläufig über das Erlebte, als ich ihn einen ganz kurzen Moment lang für einen überzeugenden Avatar halte. Ernsthaft. Es ist ein kaum zu beschreibender Philip K. Dick-Moment, vermutlich auf das Fan-Gehirn von mir zurückzuführen. Aber er war da, dieser Moment. Er hat mich fasziniert und mir Angst gemacht. Und ich sage: Virtual Reality wird dieses Mal bleiben. Nur wie genau, da habe ich keine Ahnung.



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