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Tim Renner: Games sind in Berlin Kultur

Wir haben im Computerspielemuseum mit Tim Renner, Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten in Berlin, über Videospiele und ihren kulturellen Wert gesprochen.

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Tim Renner, Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin, hat am 7. Januar 2015 die erste große Sonderausstellung des neuen Jahres im Berliner Computerspielemuseum eröffnet. "Aufschlag Games. Wie digitale Spiele in unser Leben traten" lässt die Besucher in eine Zeit eintauchen, in der Computerspiele das Alltagsleben eroberten. Die Zeitreise führt von den öffentlich aufgestellten Videospieleautomaten bis hin zu den Heimkonsolen aus verschiedenen Jahrzehnten. In authentisch nachinszenierten Umgebungen, vom Hobbyraum bis zum Wohnzimmer, können sich die Besucher an originalen Geräten die Anfänge unserer digitalen Informationsgesellschaft selbst erspielen. Und auch Tim Renner hat ganz eigene Erfahrungen mit Videogames - als Kulturgut und ganz privat.

Tim Renner: Games sind in Berlin Kultur
Tim Renner, Staatssekretär für Kultur des Landes Berlin, eröffnet die Sonderausstellung des Computerspielemuseums "Aufschlag Games". (Foto: Andreas Sturm)

Videospiele haben es noch immer etwas schwer als Kulturgut. Was meinen Sie, woran das liegt?
Ich glaube, das hat zwei maßgebliche Gründe. Der eine ist der vor allem in diesem Land immer noch absurde Bruch zwischen U- und E-Kultur. Alles das, was gleichzeitig Entertainment ist, wird als U disqualifiziert und somit im Endeffekt auch die ernste Kultur diskriminiert, weil die macht ja scheinbar keinen Spaß. Das ist ein Eigentor für beide Seiten. Da geht es der Popmusik ja ganz ähnlich. Und auf der anderen Seite ist da natürlich die häufig unreflektierte Betrachtung des Gegenstandes. Das ist ein bisschen so, als wenn man sich Film nur erschließen würde über War, Splatter und Porno-Filme, die es natürlich gibt und auch reichlich gibt. Genauso kann man natürlich nicht den Game-Bereich auf diese Inhalte reduzieren, die es natürlich auch dort reichlich gibt. Das ist ein Riesen-Sujet. Und natürlich gibt es dabei auch Sachen, die sind dirty und müssen auch dirty sein.

Wann sind Sie mit Spielen erstmals in Berührung gekommen?
Mein erstes eigenes Spielgerät war der Game Boy. Insofern bin ich ein echter Späteinsteiger gewesen und habe ansonsten bei Freunden mitgespielt. Ich habe sowohl am C64 mitgespielt und, so glaube ich, auf einem Universum-Gerät Pong gespielt. Aber ich habe es selbst nie besessen. Ich habe mir dann erstmals eine Konsole gekauft, als ich angefixt war von dem Game Boy und ich durch die Schwangerschaft meiner heutigen Frau ein bisschen im­mo­bil wurde. Und darüber haben wir dann wirklich mit Super Mario und ähnlichem die Schwangerschaft begleitet.

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Neben dem Medienboard Berlin-Brandenburg macht die Stadt Berlin selbst nicht so viel im Bereich Games. Was ist die Zielrichtung für Berlin - auch im Bezug auf die Kultur?
Also eindeutig ist, das haben wir ja auch schon gezeigt in der Zusammenarbeit mit dem Computerspielemuseum, dass wir Games als Stadt Berlin eindeutig im Bereich Kultur sehen. Auch meine Präsenz hier heute ist ja eine klare Aussage in diese Richtung. Für uns in der Kulturverwaltung der Stadt Berlin und des Landes Berlin sind Games Bestandteil von Kultur. So muss es auch so sein. Ich glaube, dass dieses Interview, das wir führen, schon ein oder zwei Generationen weiter als völlig absurd empfunden werden wird. Wenn das dann mal irgendwo auftauchen sollte im Netz, werden viele Leute mit dem Kopf schütteln, weil sich viele Fragen dann einfach erledigt haben. Natürlich sind Games Kultur. Dort wo sie ein Produktionsfaktor ist, gehören sie genauso, wie es beim Film auch der Fall ist, in die Wirtschaft mit hinein. Dann sind Games natürlich auch ein Wirtschaftsgut.

Die Menschen, die vor allem auch aus Europa zum Arbeiten nach Berlin kommen, finden hier gar nicht so viele Unternehmen vor. Was kann Berlin tun, um diese Leute zu halten?
Da würde ich meiner Kollegin von der Wirtschaftsförderung reingrätschen. Das ist Sache des Senats für Wirtschaft, Technologie und Forschung, der sich in Berlin lustigerweise SenWTF abkürzt - immer wieder eine große Freude. SenWTF hat diverse Programme zur Förderung im Bereich des Digitalen und für digitale Startups. Dazu gehören natürlich auch Games-Produzenten. Aber ich bin ganz ehrlich gesagt überfragt, ob es da gezielt ein auf Games ausgerichtetes Programm gibt. Ich weiß, dass es das in Hamburg gibt.

Richtig, es gibt in Deutschland mehrere Standorte, die hier gezielter zu fördern scheinen.
Also das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann, sondern muss auf meine Fachkollegin verweisen. Da bin einfach nicht genug beschlagen.

Was kann die Kultur tun, um das Thema mehr nach vorn zu bringen?
Der Kulturbereich kann eigentlich nur das machen, woraus sich Games unter anderem auch nähren. Also Games sind für mich durchaus Bestandteil einer Popkultur, einer Polarkultur, die in Berlin sehr, sehr ausgeprägt ist - vom Clubwesen, auch von einer digitalen Kunstszene, die wir haben und die sehr gut ist. Leute, die ich persönlich kenne, die mit Games zu tun haben oder sogar produzieren, haben häufig eine ganz, ganz starke Verschränkung zur elektronischen Musik. Da sind wir sehr stark und ich denke, damit können wir die Leute auch begeistern zu bleiben. Und zweitens können wir natürlich auch unseren Kulturbegriff öffnen, da sind wir ja schon dabei durch die Zusammenarbeit mit Häusern wie dem Computerspielemuseum.

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Was läuft derzeit als Game auf Ihrem Smartphone?
SimCity BuildIt, was ein Battle ist mit meiner zwölfjährigen Tochter seit Weihnachten. Das habe ich auf dem Smartphone, weil das die einzige Möglichkeit ist, wo du auch mal schnell auf der Toilette dafür sorgen kannst, deine gerade fertig produzierten Waren abzuholen und einzusetzen für den weiteren Ausbau der Stadt.

Sie waren ja in der Musikbranche, waren bei Universal und MotorFM. Gab es irgendwann mal eine Punkt, in die Videospielindustrie zu wechseln?
Zu wechseln nicht, aber es gab immer mal Moment, an dem ich angefangen habe zu überlegen, dass es Musik allein nicht sein kann. Das erste Mal war das, als Motor ein aus heutiger Sicht lustig-anachronistisches CD-ROM-Game zusammen mit Pixelpark für den Techno-Act U96 erstellt und vertrieben hat. Da konnte man in Underground-Welten eintauchen, wir haben das sogar fertig gekriegt. Dann haben wir versucht, ein Mayday-Game zu entwickeln, aber das waren graue Vorzeiten. Wir haben aber damals schnell festgestellt, dass wir damit einen Schritt zu früh dran waren, weil die Leute keine Games im Plattenhandel gekauft haben. Und das war damals eben noch nicht so, dass alles über den Elektrohandel lief, wo es eine Station weiter die Games gibt. Das ging beides wahnsinnig schwer. Und da habe ich mir irgendwann gedacht, nee, das ist doch eine andere Welt, das lassen wir dann mal.



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