Deutsch
Gamereactor
Artikel

Project Morpheus angespielt

Christian hat auf der Gamescom Sonys Virtual-Reality-Headset aufgesetzt und sich in eine neue Welt entführen lassen.

HQ

Das weiße Teil ruht leicht auf dem Kopf. Es holt einen aus dem Lärm der Gamescom-Halle in eine andere, ruhige Welt eines Tauchers der in einem Haikäfig im Ozean schwebt. Das Bild ist scharf, aber nicht so HD-scharf wie auf einem TV mit der PS4. Es soll sich automatisch scharfstellen, ich habe trotzdem Probleme damit, alles immer scharf zu sehen. Meine Augen sind gut, ich trage keine Brille.

Ich stehe nun also in einem Hai-Käfig auf der Stelle. In der rechten Hand habe ich eine Signalpistole, die erstaunlicherweise unendlich viel Munition hat und in Wirklichkeit ein PS4-Controller ist. Ich sehe meine Beine, kann sie aber nicht bewegen. Das fühlt sich an, als ob man gelähmt ist, ein extrem befremdliches Gefühl. Insbesondere deshalb, weil der Käfig umgehend von einem Hai angegriffen wird und man sich eigentlich schnell bewegen will. Zumindest ein Stück ausweichen.

Aber die einzigen erlaubten Bewegungen sind das Umschauen in alle Richtungen und die Signalpistole in der rechten Hand bewegen und abfeuern. Man sieht wie in einem Egoshooter seinen Arm, der sich tatsächlich sehr präzise analog zu den realen Aktionen bewegt. Die Kopfbewegungen werden akkurat übertragen, selbst schnelle Richtungsänderungen werden erstaunlich fix und realistisch übertragen.

HQ
Werbung:
Project Morpheus angespieltProject Morpheus angespielt
Man steht auf einem Gitter über dem offenen Meer, sieht Käfigteile an sich vorbei gleiten in die Tiefe.

Aber die Illusion hat klare Grenzen. Gegen Ende der Zehn-Minuten-Demo reißt der weiße Hai mit seinem mächtigen Maul die Käfigtür raus. Instinktiv will man rausspringen (was natürlich dumm wäre), aber die Figur in der Morpheuswelt bewegt sich gar nicht nach vorne. Auch Schwimmbewegungen ändern nichts. Dafür ist es unglaublich gruselig, dieses Gefühl der völligen Leere unter sich intensiv zu spüren. Man steht auf einem Gitter über dem offenen Meer, sieht Käfigteile an sich vorbei gleiten in die Tiefe. Und überlegt sofort, das man nicht auch hinabgleiten will als Haifutter. Das ist verdammt intensiv.

Auch der Hai ist überzeugend animiert, bewegt sich flüssig und schnell, elegant wie im echten Leben. Aber es reicht nicht, um mich aus dem Käfig zu kriegen. Der letzte Schuss sitzt und der Hai taumelt (natürlich vorgeskriptet) hungrig zurück in die Tiefe, als der Käfig hochgezogen wird. Die helle Oberfläche kommt immer näher, das rettende Riff und seine bunten Bewohner empfangen mich - als mir die nette Standbetreuerin die Kopfhörer runter rupft und das Erlebnis beendet.

Project Morpheus ist wirklich interessant. Aber wie sehr man das als Gamer genießen kann, bleibt abzuwarten. Alles ist eben doch sehr statisch, eingeschränkt und begrenzt. Es wird Konzepte geben, für die das Teil fantastisch geeignet ist. Und manches wird einfach gar nicht funktionieren. Es wird völlig neue Ideen geben. Darin liegt die Chance, aus diesem Spielzeug mehr zu machen als ein vermutlich relativ teures Peripherie-Spielzeug.

Werbung:
Project Morpheus angespielt
VR soll ein Erfolg werden. Sony sieht eine VR-Ära kommen. Aber es gebe einige goldene Regeln, die nicht gebrochen werden dürfen.

Vor einigen Monaten hatte ich mich in Berlin eine Technikdemo zu Project Morpheus angeschaut. Da wurde in komplizierten Worten versprochen, dass die Virtuelle Realität im Jahr 2014 anders und besser wird. "Presence" soll es richten, das Gefühl von Präsenz dafür sorgen, dass man vergisst, in der virtuellen Welt zu sein. Dazu 1080p-HD-Auflösung, über 90 Grad Blickfeld und ein spezieller Sound, der bei der Verortung hilft.

Das Tracking ist im 1000Hz-Bereich, arbeitet in einem Drei-Meter-Radius und in den vollen 360 Grad. Es rechnet in die Zukunft, um Bewegungen zu antizipieren und die Latenz zu minimieren. Dualshock-4-Controller und PS Move Controller werden auch getrackt. Alles soll simpel sein, die Eintrittsbarrieren möglichst gering gehalten werden. Bei der Hai-Demo stimmt das Versprechen.

Die Inhalte sind der Schlüssel. Virtueller Tourismus sei eine Möglichkeit, sagt Sony. Aber lieber wollen sie Games, natürlich. Es soll zudem eine Social Screen Experience geben, einen Mirror-Modus für den TV, so dass alle anderen im Wohnzimmer zumindest in 2D sehen können, was der Mensch unter der Maske gerade erlebt. Auch asymetrisches Gameplay lässt sich hier einbinden, so dass andere Spieler etwa Gegner wie den Hai steuern können. Wie gesagt: Das Potenzial ist überall sichtbar. Auch Companion-Apps lassen sich auch einbinden, um Online-Multiplayer gegen Morpheus-Spieler möglich zu machen.

VR soll ein Erfolg werden. Sony sieht eine VR-Ära kommen. Es gebe einige goldene Regeln, die nicht gebrochen werden dürfen. Die Kopfbewegungen müssen perfekt sein. Die Immersion darf möglichst nie zerstört werden, um den Spielern zu geben, was sie erwarten. VR ist ein neues Medium, keine Peripherie, sagt Sony. "Presence" sei wichtiger als Gamedesign, als Spieler muss man sich trotzdem sehr an neue Wege und Wahrnehmung gewöhnen. Ängste und Phobien sind ein großes Thema, Menschen müssen mit einer ihnen fremden Welt interagieren können. Selbst das Problem, wo sich der Spieler in der realen Welt befindet, haben sie smart gelöst: Die PS4-Kamera bestimmt den Bereich, in dem der Spieler "sicher" ist und sich gut bewegen kann. Man fällt also nicht in den Couchtisch oder aus dem offenen Wohnzimmerfenster.

Project Morpheus bleibt in meiner Welt trotzdem vorerst mehr Konzept als Killer-App. Eben ein klassisches Projekt. Das liegt an der Beschränktheit der Möglichkeiten, den unsichtbaren Wänden und all den Grenzen, auf die man immer wieder trifft. Es ist trotzdem hochgradig faszinierend! Aber Kabelsalat am Prototypen, der einem den Rücken runterhängt, der stört einfach. Wireless? Nun, wäre gut, sagt Sony. Muss man sehen, sagt Sony. Und Christian? Der sagt, dass er auf jeden Fall mehr sehen will. Warum auch nicht!?



Lädt nächsten Inhalt